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Divestment: Kampf der Kohle

Divest
Foto: Gustav Pursche; http://fossilfreeberlin.org

Die Divestment-Bewegung erringt derzeit weltweit beachtliche Erfolge im Kampf gegen den Klimawandel. Die immer zahlreicher werdenden Bürgerinitiativen zwingen öffentliche Einrichtungen zum Rückzug ihrer Gelder aus Kohle, Gas und Öl.

Wie das „Divestment“ funktioniert und was wir demnächst noch erwarten können, erklärt Ella Lagé von der Initiative Fossil Free Berlin im Interview.

Utopia: Was sind die aktuell wichtigsten Ziele von Fossil Free Deutschland?

Ella Lagé: Fossil Free ist ein Teil von 350.org. 350.org steht für Graswurzel-Strategien gegen die Erderwärmung – Ansätze, die über die Veränderung des eigenen Verhaltens hinausgehen. Denn das allein reicht nicht aus. Aktuell drehen sich unsere Aktivitäten hauptsächlich um Divestment, das Abziehen von Investitionen aus Klimakiller-Unternehmen, die mit Kohle, Gas und Öl Profite machen.

Wir wollen den größten CO2-Produzenten den finanziellen und moralischen Rückhalt nehmen. In anderen Ländern hat die Divestment-Bewegung bereits große Erfolge erzielt. In den USA haben wichtige Universitäten und Stiftungen beschlossen, zu desinvestieren. Norwegen wird seinen größten staatlichen Rentenfonds von Kohleinvestitionen befreien. Diese Institutionen haben erkannt: Wenn wir den Klimawandel nicht wollen, sollten wir auch nicht daran verdienen.

Wie geht ihr vor, um eure Ziele zu erreichen?

Derzeit gibt es in Deutschland 21 regionale Kampagnen von 350.org. Jede Kommune hat für ihre Bürger und Bürgerinnen Rücklagen investiert. Die regionalen Kampagnen stoßen auf kommunaler Ebene eine Diskussion an, wie dieses Geld eingesetzt wird. Der erste Schritt ist, herauszufinden, wie der Kuchen momentan verteilt ist. Dann suchen wir die richtigen Ansprechpartner und erzeugen gleichzeitig öffentlichen Druck, beispielsweise durch Petitionen. Es braucht viel Aufklärungsarbeit, sowohl bei potenziellen Unterstützern, als auch bei Vertretern von Politik und Verwaltung.

Wir platzieren Divestment zunächst in der unmittelbaren eigenen Umgebung. Dafür können sich zahlreiche Mitstreiter begeistern. Kommunale Politik ist verhältnismäßig offen für Bürgeranliegen. Wir wollen, dass diese Volksvertreter mit gutem Beispiel vorangehen: Wenn sie beschließen, ihre Versorgungsrücklagen nachhaltiger zu investieren, wird die Verantwortung, die mit diesem Geld verbunden ist, öffentlich thematisiert. Wenn meine Stadt oder Universität desinvestiert, kann der nächste Schritt für den Einzelnen die Frage sein: „Ist meine eigene Bank eigentlich ein Klimakiller? Wenn ja, welche Alternativen gibt es für mich?“

Wie steht die Stadt Berlin eurem Anliegen gegenüber?

Berlin hat vor kurzem ein Energiewendegesetz bis 2050 verabschiedet. Der regierende Bürgermeister äußert sich öffentlich gegen Kohleinvestitionen. Nur folgen bislang keine Taten. Dabei könnte Berlin zur ersten Hauptstadt Europas zu werden, die desinvestiert hat – und so anderen Städten zeigen, dass es ist möglich ist. Divestment in Berlin hätte weltweit Symbolwirkung.

Zum Glück gibt es Befürworter in der Finanzverwaltung und in den Ausschüssen für Finanzen und Umwelt. Die Aufmerksamkeit für unsere Kampagne wächst, auch dank der Medien. Wir hoffen auf die Unterstützung des Senators für Finanzen, der sich zur Zeit mit dem Thema befasst.

Neben den Berichten über die internationalen Erfolge war zuletzt besonders die Berliner Kampagne in den Medien präsent. Was ist euer Erfolgsgeheimnis?

Wir sind ein vielseitig erfahrenes und engagiertes Team, haben gute Kontakte und Ideen. Es gibt engagierte Journalisten, die unsere Arbeit gut finden. Und natürlich bekommt das, was in Berlin passiert, erst mal mehr Aufmerksamkeit als das, was beispielsweise in Bad Salzuflen passiert.

Bei unserer nächtlichen Projektion am roten Rathaus im Mai hatten wir einen erfahrenen Fotografen dabei, der extrem gute Bilder produziert hat. Für unsere jüngste Kampagne haben wir ein einfaches, aber starkes Bildkonzept entwickelt: Prominente Berlinerinnen und Berliner sowie Klimaexperten laden den Bürgermeister zum Gespräch über Divestment ein. Bislang hat er keine der Einladungen angekommen. So entsteht eine Serie von wartenden Menschen am Kaffeetisch, der zweite Platz ist leer.

Wir tauschen uns außerdem mit anderen NGOs in Berlin aus, die ähnliche Ziele verfolgen. Wir machen Veranstaltungen wie Kinoabende, docken uns aber auch an bestehende Großveranstaltungen wie die Silent Climate Parade an und werben dort für Unterstützung.

Fossile Energieträger sind ja nicht nur ein regionales Thema. Seht ihr Chancen für eine Divest-Kampagne auf Bundesebene?

Das ist unser nächstes Vorhaben. Norwegen hat jüngst beschlossen, fast 900 Milliarden Dollar ihres nationalen Pensionsfonds aus Kohle zu desinvestieren. Die Entscheidung fiel nach anhaltendem Druck von verschiedenen NGOs. Aus dieser Kampagne konnten wir viel lernen. Ansprechpartner auf nationaler Ebene in Deutschland sind für uns die Verantwortlichen für staatliche Rücklagen – aber auch private Stiftungen, Versicherungen und Banken, die das Geld ihrer Kunden investieren.

Divestment ist eine wichtige Voraussetzung für eine nachhaltigere Ökonomie. Subventionen für die großen CO2-Produzenten müssen eingestellt und die Investitionen abgezogen werden. Dann können Gesetze erlassen werden, die den betreffenden Unternehmen ein verantwortungsvolles Handeln auferlegen. Das kann und wird aber erst passieren, wenn die Sicherheit unserer Rücklagen nicht mehr von deren Profit abhängt.

Mehr: fossilfreeberlin.org

Zur Petition von Fossil Free Berlin

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