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Eine Tiefgarage für Fahrräder statt Autos: So fühlt sich das Leben im autofreien Wohnhaus an

Wohnen ohne Auto schafft Platz für Fahrräder und zum Spielen
Fotos: CC0 Public Domain / Pexels - Zephyrka, Kathas_Fotos

Wer in einer Großstadt wie München lebt, braucht kein Auto. Das dachten sich auch die heutigen Eigentümer:innen von „Wohnen ohne Auto“ und bauten ein Mehrfamilienhaus mit einer Fahrrad- statt Autotiefgarage. Wie der Vorschlag bei der Stadt ankam, wie sich das autofreie Wohnen anfühlt und was Interessierte wissen sollten, liest du in diesem Artikel.

In Städten besitzt weniger als jede:r Zweite ein eigenes Auto – und benötigt deshalb auch keinen Stellplatz. Doch darf man überhaupt Wohnhäuser ohne Autoparkplätze bauen? Das ist gar nicht so einfach. Utopia hat mit einem Mitglied der Eigentümergemeinschaft “Wohnen ohne Auto” in München darüber gesprochen, wie sich das Leben in einem autofreien Wohnhaus anfühlt und welche Schritte für den Bau eines 13-Parteienhauses nötig waren.

Autos in Städten überflüssig – Stellplätze auch?

Besonders in Städten gehen die Menschen inzwischen häufiger zu Fuß oder fahren mit dem Rad – die Bedeutung des Autos sinkt. Großstädte zählen zu den Wohnorten mit der geringsten Autodichte pro 1.000 Einwohner:innen. In den Stadtstaaten Berlin sind es 329 Pkw, in Hamburg 426 und in Bremen kommen auf 1.000 Einwohner:innen 430 Autos.

München liegt mit 506 Autos zwar deutlich über diesen Werten, aber gleichzeitig klar unter dem Bundesdurchschnitt von 580 Autos pro 1.000 Einwohner:innen. Wenn nur jede:r zweite Münchner:in ein Auto hat, liegt es nahe, nicht für jede neue Wohnung einen Parkplatz zu errichten. Trotzdem bleibt in München und anderen Städten Wohnen ganz ohne Auto eine Besonderheit.

Autostellplätze machen Bauen teurer

Die Initiative „Wohnen ohne Auto“ riefen Münchner Verkehrs- und Umweltverbände bereits 1995 ins Leben. Die damalige Idee, die bis heute Bestand hat: autofreie Wohnquartiere errichten, um Bauen günstiger für diejenigen zu machen, die kein Auto haben. Denn die gesetzliche Vorgabe, zu jeder neuen Wohnung einen Stellplatz zu bauen, macht Bauen für viele unnötig teuer.

Ein komplettes autofreies Wohnquartier gibt es in München bislang nicht, stattdessen aber fünf Projekte autofreier Baugemeinschafts- und Genossenschaftshäuser sowie zusätzliche autoreduzierte Genossenschaftshäuser. Das erste Wohnhaus entstand 1999 in München-Riem, inzwischen stehen dort und im Münchner Norden mehrere autofreie Wohnhäuser.

Wohnen ohne Auto in München-Schwabing

Franz-Xaver Netter ist Mitglied der Eigentümergemeinschaft, die zwischen 2012 und 2015 das autofreie Projekt Wohnen ohne Auto 3 im Münchner Stadtteil Schwabing-West baute. Gegenüber Utopia schildert Netter, dass er und seine Familie 2009 und 2010 auf der Suche nach einer Baumöglichkeit in München war.

Die Stadt München hatte zu der Zeit in Schwabing-West ein Baufeld für Baugemeinschaften ausgeschrieben, die Baugemeinschaft Wohnen ohne Auto erhielt den Zuschlag. Nach einigen Monaten hatten sich alle notwendigen Mitglieder für das geplante 13-Parteien-Wohnhaus gefunden, Netter und seine Familie waren dabei.

Tiefgarage wird beim Wohnen ohne Auto zur Fahrradgarage

Das autofreie Konzept sorgte schon bei der Baugenehmigung für Schwierigkeiten: Die geplante kleine Tiefgarage “war nicht so, wie sich das die Stadt München vorgestellt hat. Die Stadt plant stets einen Stellplatz pro Wohnung“, erzählt Netter.

Bei Wohnen ohne Auto dient die Tiefgarage als großzügiger Fahrradkeller.
Bei Wohnen ohne Auto dient die Tiefgarage als großzügiger Fahrradkeller. (© Franz-Xaver Netter)

Im betroffenen Baugebiet wurde der Stellplatzschlüssel zwar auf 0,8 Stellplätze pro Wohnung gesenkt. Doch auch das war der Baugemeinschaft zu viel – schließlich hatten die Eigentümer:innen kein Auto und wollten deshalb autofrei bauen und wohnen. Erst nach „ein bisschen Hin und Her“ wurde das Bauprojekt schließlich im Herbst 2012 mit insgesamt acht Stellplätzen in der Tiefgarage genehmigt.

„Die acht Stellplätze bauen zu müssen, war bitter. Inzwischen ist es aber auch ganz schön, eine Tiefgarage zu haben. Denn wenn niemand im Haus ein Auto hat, gibt es umso mehr Fahrräder. 200 Quadratmeter für seine Räder zu haben, ist natürlich großzügig, aber das wird schon voll“, fasst Franz-Xaver Netter zusammen. Und fügt begeistert hinzu:

Eine Wohnung mit einer so genialen Tiefgarage, bei der das ganze Projekt auf “ohne Auto” ausgerichtet ist, gibt es nirgendwo sonst in München.

Seine Frau und er fühlen sich seit zehn Jahren sehr wohl in ihrem Zuhause. Ausgezogen ist – bis auf erwachsene Kinder – aus dem autofreien Wohnhaus bislang noch niemand. Netter führt das vorwiegend auf „viel investierte Zeit und Herzblut“ beim Bau zurück.

Mobilität verlagert sich auf Fahrrad und ÖPNV

Und wie verändert sich die eigene Mobilität durch das Wohnen ohne Auto? Ehepaar Netter hat seit 30 Jahren kein Auto mehr und fährt stattdessen mit dem Rad. „Ich arbeite in der Münchner Innenstadt. Da gibt’s sowieso keine Parkplätze und das Radl ist ohnehin das schnellste Verkehrsmittel Richtung Zentrum“, sagt Netter zu Utopia.

Durch die innenstadtnahe Lage sind auch U-Bahn, Tram und Bus sehr schnell zu erreichen. Braucht man doch einmal ein Auto, nutzen Netters seit Jahrzehnten einen Carsharing-Anbieter in der bayerischen Landeshauptstadt. Damit konnten sie etwa beim Auszug der Kinder Möbel transportieren, so Netter.

Verboten ist ein eigenes Auto bei Wohnen ohne Auto übrigens nicht. Doch das gesamte Mobilitätskonzept ist fahrradoptimiert statt autooptimiert. Für Franz-Xaver Netter macht das die Besonderheit seines Wohnhauses aus: Während woanders die Räder draußen Wind und Wetter ausgesetzt und ungeschützt stehen, bleiben sie im Schwabinger Mehrfamilienhaus gesichert in der Tiefgarage.

Utopia meint: Wohnen ohne Auto darf kein Einzelfall bleiben

Familie Netter ist zufrieden mit ihrer Entscheidung, autofrei zu bauen und zu wohnen. „Das war so ziemlich das Beste, was wir je gemacht haben“, resümiert Franz-Xaver Netter.

Tiefgarage für Fahrräder statt Autos
Die Tiefgarage bietet viel Platz für Fahrräder statt Autos. (© Franz-Xaver Netter)

Anderen Interessierten rät er, sich beim bundesweit tätigen Verein Wohnen ohne Auto zu informieren und online nach möglichen Projekten oder Baugebieten zu suchen. Auch Suchanzeigen bei Maklern können helfen. Die Stadt München etwa vergibt Grundstücke bevorzugt an Genossenschaften – und zeigt sich langsam offener gegenüber alternativen Wohnkonzepten. Nur die Suche nach Bauträgern, die autofreies Bauen anbieten, gestaltet sich noch schwierig.

Wohnen ohne Park- oder Stellplätze bleibt in Deutschland deshalb nach wie vor die Ausnahme – auch wenn autofreie Quartiere wie in Köln-Nippes, Hamburg (Saarlandstraße am Osterbekkanal) und Freiburg-Vauban zeigen, dass es funktioniert und das Leben bereichern kann. Ein Haus oder eine Wohnanlage ohne Stellplatz zu bauen, klingt erstmal wenig spektakulär, könnte unser Wohnen und unsere Mobilität aber ist revolutionieren.

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