Mehr als 50 Prozent der Menschen in Deutschland sorgen sich um einen Blackout. Die Folgen eines flächendeckenden Stromausfalls wären gravierend. Expert:innen erklären, wie Deutschland vor einem Blackout gewappnet ist und wie sie die Lage einschätzen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verspricht eine hohe Versorgungssicherheit in Deutschland. Dennoch ist die Gefahr eines totalen Stromausfalls in Deutschland momentan so bewusst, wie seit Jahren nicht. Eine repräsentative Umfrage des Civey-Instituts ergab, dass 53 Prozent der Menschen in Deutschland große Sorge vor einem Blackout haben. Tatsächlich würde ein totaler Stromausfall fatale Folgen mit sich bringen, die sowohl die öffentliche Infrastruktur als auch den Privathaushalt betreffen. Expert:innen zufolge wurden in Deutschland Vorkehrungen getroffen, um sich auf einen solchen Ausnahmezustand vorzubereiten.
Stromausfall oder Blackout?
Wenn das Licht zu Hause ausgeht, muss das nicht gleich der Blackout sein, es kann sich auch nur um einen Stromausfall handeln. Wo liegt der Unterschied? „Jeder Blackout ist ein Stromausfall, aber nicht jeder Stromausfall ist ein Blackout“, zitiert die Tagesschau Christoph Maurer vom Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme an der Universität Erlangen-Nürnberg. Ein Blackout sei dem Experten zufolge ein Stromausfall, der Regionen übergreifend und ungeplant ist und viele Verbraucher:innen betrifft.
Ein Stromausfall in der eigenen Wohnung kann unterschiedliche Ursachen haben, wie beispielsweise eine defekte Leitung oder ein Kurzschluss, meist ist dann die Sicherung rausgeflogen. Was bei einem Stromausfall zu tun ist, dazu findest du hier mehr Informationen: Stromausfall oder Blackout? So findest du es heraus.
Das passiert bei einem Blackout
Was bei einem langandauernden und großflächigen Stromausfall, eben einem sogenannten Blackout, passiert, hat das Büro der Technologiefolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) bereits im Jahr 2011 in einem Bericht erläutert:
Ampeln, Straßenbeleuchtung und Verkehrsleitsysteme würden ausfallen. Das würde zu Chaos auf den Straßen führen, weshalb Autos und Hilfskräfte nur schwer durchkämen. Die Schranken aus Tiefgaragen blieben zu. An Tankstellen würden die Pumpen nicht funktionieren. Züge, U-, S- und Straßenbahnen blieben stehen. Passagiere würden nicht sofort evakuiert, weil Fahrer:innen zunächst keine Informationen bekämen. Fahrstühle blieben stecken, Licht und Lüftung in Räumen fielen aus. Kassensysteme und Geldautomaten könnten nicht mehr bedient werden. Die Türen von Supermärkten gingen nicht mehr auf und zu, Kühltruhen würde der Strom fehlen. Auch Wasser käme nicht mehr aus dem Hahn, denn für Pumpen zur Wasserförderung, -aufbereitung, und -verteilung wird Strom benötigt. Wasser könne nur dann durch natürliches Gefälle verteilt werden. Höher gelegene Gebiete könnten gar nicht mehr versorgt werden. Telefone wären tot, genauso wie das Mobilfunknetz, da die Notstromversorgung des Telefonnetzes nur kurzfristig funktioniert. Hilfe könnte also im schlimmsten Fall nicht gerufen werden.
Menschen in Krankenhäuser und Altenheimen können bei Blackouts besonders gefährdet sein. Krankenhäuser besitzen zwar Notstromaggregate, der aber keinen normalen Betrieb sichern kann. Beatmungsgeräte, die es auch in Pflegeheimen gibt, sind mit einem Akku gesichert, falls einmal Strom ausfällt, der hält in der Regel jedoch nur zwei Stunden. Andreas Henke, Bereichsleiter für vorbeugenden Brand- und Gefahrenschutz bei der Feuerwehr Hannover, erklärt gegenüber der Zeit, dass er und seine Kolleg:innen im Fall eines Stromausfalls gleich in der Frühphase bei Krankenhäusern und Pflegeheimen ihre Unterstützung anbieten würden. Jedoch sei die Feuerwehr schon allein mit den 150 Häusern überfordert.
Auch darf das Verhalten der Bevölkerung nicht unbedacht bleiben. Christian Endreß, Geschäftsführer des Verbands „Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft“ beschäftigt sich damit und erklärt gegenüber der Zeit, dass es bisher nur Erfahrungswerte aus ähnlichen Situationen gebe. Diese würden allerdings darauf schließen, dass man recht früh mit Plünderungen und Einbrüchen rechnen müsse, wenn bekannt werde, dass Alarmanlagen nicht funktionieren und die Polizei nicht verständig werden könne.
Wie groß ist die Gefahr eines deutschlandweiten Blackouts?
Der ehemalige Major des österreichischen Bundesheers und Blackout-Experte Herbert Saurugg hält die Gefahr für einen flächendeckenden Stromausfall innerhalb Deutschlands und Europas in diesem Winter für unterschätzt. Im Gespräch mit der Tagesschau sagt er, dass Probleme in der Infrastruktur, aber auch Umweltbedingungen wie Trockenheit das Stromnetz belasten.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hält dagegen. Laut Tagesschau ist es der Meinung, Deutschland habe eine sehr sichere Stromversorgung. Dennoch sei ein großflächiger und lang andauernder Stromausfall nicht gänzlich ausgeschlossen.
Feuerwehr-Bereichsleiter Henke sieht Dieselkraftstoff in der Situation eines flächendeckenden Stromausfalls als „zentrales Problem“. Notstromaggregate bei Kliniken, Feuerwehr, Polizei und Rundfunkanstalten brauchen ihm zufolge Diesel, der aber nicht mehr zugänglich sein wird, wenn Pumpen an Tankstellen streiken.
Blackout oder Brownout: Was ist wahrscheinlicher?
Statt eines Blackouts ist manchen Expert:innen zufolge ein sogenannter Brownout wahrscheinlicher. Dabei handelt es sich um eine kontrollierte Aktion, bei der Netzbereiber:innen einzelne Großverbraucher und Regionen stundenweise vom Netz nehmen müssen. Strommarktexperte Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool hält dies vor allem bei großer Kälte am früheren Abend für wahrscheinlich, wenn der Haushaltsstromverbrauch stark zunehme. Der Strom ist dann nur wenige Stunden weg. Dadurch soll die Stromversorgung gesichert und ein echter Blackout verhindert werden.
Dazu interessant: Stromausfälle: Warum die Energiekrise Brownouts anstatt Blackouts provoziert
Bei zu hoher Stromnachfrage kann es auch zu einem unkontrollierten Brownout kommen. Die sollten den Expert:innen zufolge allerdings nach wenigen Minuten behoben sein.
So ist Deutschland vor einem Blackout gewappnet
Da ein Restrisiko für einen Blackout besteht und um auf ihn im Notfall vorbereitet zu sein, gehört zum Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) seit Juni 2022 das Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB). Es wurde von Bund und Ländern gegründet. Mithilfe des Zentrums sollen sich Länder übergreifend über mögliche Gefahren für die Bevölkerung austauschen, Risiken bewerten und Prognosen erarbeiten.
Manche Bundesländer entwickelten eigens Konzepte für den Ernstfall. In Rheinland-Pfalz sollen laut Zeit Kommunen eine Liste erstellen mit allen Notstromaggregaten und einer Reihenfolge, nach der Institutionen mit Notstrom versorgt werden – zuerst Kliniken, dann Wasserwerke, später Supermärkte. Außerdem ist für den Fall ein Lautsprecherwagen vorgesehen, der im Schritttempo durch die Straßen fahren und die Bewohner:innen informieren soll.
Landesminister Boris Pistorius hat in Niedersachen vergangenes Jahr für Sicherheitsbehörden Satellitenfunk eingeführt, falls der Mobilfunk ausfällt und neue Tankwagen angeschafft. „Idealerweise braucht man das alles nicht, die Notstromaggregate, die Trinkwasseraufbereitung, die mobilen Treibstofftanks, aber wir müssen uns auf solche Lagen vorbereiten – ohne dabei Panik zu verbreiten“, zitiert ihn die Zeit.
Angaben der Bundesregierung zufolge sei ein Blackout unwahrscheinlich. Man beruft sich auf den aktuellen Gasspeicherstand. „Damit es nicht zu Stromausfällen kommt, sorgt die Bundesregierung sowohl bei der Strom- als auch bei der Gasversorgung vor. Die Gasspeicher sind gut gefüllt (90,53 Prozent, Stand 23.9.2022).“ Einen bundesweiten Masterplan gibt es offenbar nicht.
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