Die US-Raumfahrtbehörde NASA schickt eine Rakete zum Mond, bald sollen bemannte Mondflüge folgen. Das Projekt gilt als Schritt, der Menschheit den Weltraum zu erschließen. Ein schöner Traum – doch ein absolut schlechter Zeitpunkt. Ein Kommentar.
Die NASA sorgt mit ihrem neuen Programm für mehr Diversität auf dem Mond. Und das ist richtig so: Bisher sind nämlich nur weiße Männer auf der Mondoberfläche spaziert. Am NASA-Programm „Artemis“ nehmen dagegen eine Frau und eine Person of Color teil. Ein kleiner Schritt für die Raumfahrtbehörde, ein großer Schritt für Gleichberechtigung – so der ungefähre Claim der US-Behörde. Doch alle Diversity-Anstrengungen in Ehren: Sind Mond- und All-Erkundungen in Zeiten der Klimakrise angemessen?
„Artemis“-Mission zum Mond soll Kinder und Jugendliche „inspirieren“
50 Jahre ist es her, dass zuletzt Menschen auf dem Mond waren. Die NASA verspürt Aufholbedarf: Bald soll deshalb eine Trägerrakete namens „Space Launch System“ (kurz SLS) in den Weltraum starten sollen, um den Mond mehrfach zu umrunden. (Der Start hätte ursprünglich am 29. August stattfinden sollen, wurde laut BBC wegen technischer Probleme aber vorübergehend verschoben.) 42 Tage nach Start wird die Rakete zurückerwartet.
Der Flug ist unbemannt, stellt aber auch nur den Auftakt zu einer ganzen Reihe von Mondmissionen dar. Ab 2025 sollen dann auch Menschen zum Erdtrabanten reisen und dort Großes leisten. Zum Beispiel den Weg für eine Raumstation bereiten, die den Mond umkreisen soll. Und natürlich: Jugendliche und Kinder inspirieren, sich für Technologie und große Herausforderungen zu begeistern – das führt zum Beispiel der Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt gegenüber Zeit Online an.
Wie kommt der Vorstand dazu, dass Kinder und Jugendliche Inspiration brauchen, gerade für schwere technische Themen? Es könnte damit zu tun haben, dass viele von jenen jungen Menschen freitags regelmäßig die Schule schwänzen – und in der lernt man ja bekanntermaßen alles mögliche. Allerdings, so führen gerade Kinder und Jugendliche immer wieder an, brauchen sie vielleicht noch mehr als nur Inspiration und technisches Know-How. Zum Beispiel einen Planeten, auf dem das Leben auch noch in 50 Jahren lebenswert ist. Trägt die Raummission dazu bei?
Eher nicht.
SLS ist „milliardenschweres Wegwerfprodukt“
In der Raumfahrt hat sich in den vergangenen 50 Jahren einiges getan. Private Raumfahrtunternehmen wie das von Elon Musk (SpaceX) haben Raketen entwickelt, deren Unterstufen wieder auf dem Erdboden landen können, was Ressourcen schont und Kosten spart. Die Rakete der NASA wird stattdessen im Meer abstürzen – wie Zeit Online treffend zusammenfasst handelt es sich um „ein milliardenschweres Wegwerfprodukt.“
Auch der Treibstoff hat sich seit den Apollo-Missionen weiterentwickelt. So fliegt die SLS mit Wasserstoff, welcher beim Verbrennen Wasserdampf ausstößt. Fliegt die Rakete also CO2-neutral? Ganz so ist es nicht. Denn die Herstellung von Wasserstoff benötigt viel Energie und wird er nicht mittels erneuerbarer Energien gewonnen, entstehen dabei große Mengen CO2. Und die SLS benötigt viel Wasserstoff: Laut SWR verbrennt sie jede Minute 360.000 Liter, das entspricht etwa der Tankfüllung von 6.000 PKW. Den Großteil des Schubs liefern außerdem Feststoffraketen, deren Verbrennen keineswegs klimafreundlich ist.
Emissionsfrei ins Weltall düsen bleibt also erstmal Zukunftsmusik. Und was Emissionen angeht bleibt der Menschheit leider nur ein sehr begrenztes „Budget„, das sie ausstoßen darf, um die globale Erwärmung auf unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Innerhalb der nächsten Jahre wird sich entscheiden, ob wir es schaffen, lebenswerte Bedingungen auf unserem Heimatplaneten zu erhalten. Dies ist also kaum der richtige Zeitpunkt, um energieintensive Mondmissionen durchzuführen. Auch nicht, um dafür 93 Milliarden Dollar zu investieren (geschätzte Kosten bis 2025) und Forschungsressourcen zu binden, die sich auch auf die Lösung akuter Probleme konzentrieren könnten. Und wozu eigentlich?
Es ist spannend, neue Planeten zu erforschen – aber noch wichtiger, den zu erhalten, den wir haben
Neben eher ideellen Werten wie Diversität und Inspiration, hat die NASA natürlich auch ganz praktische Pläne. Wie schon erwähnt soll eine Raumstation in der Umlaufbahn des Mondes errichtet werden. Diese soll nicht nur der Forschung dienen – sondern auch einem viel ambitioniertem Ziel: als Zwischenstation auf dem Weg zum Mars. Nicht umsonst wird das „Artemis“-Programm eine „Moon to Mars mission“ genannt. Die Idee: Raumfahrzeuge können auf der neuen Station „Zwischenstopp“ einlegen, zum Beispiel für Fahrzeugtests. Zum roten Planeten soll es dann in den 2030er oder 2040er Jahren gehen – dabei wollen die USA schneller sein als China.
„Artemis“ ist also der Auftakt zu einem neuen Wettstreit, diesmal mit dem Ziel Mars. Das weckt Nostalgie und Spannung! Allerdings rechtfertigt dieser prestigeträchtige Erkundungsdrang des 20. Jahrhunderts kaum gleich mehrere Raummissionen – in Zeiten, in denen die Menschheit vor der größten Herausforderung des 21. Jahrhunderts steht. Natürlich ist es spannend, Lebensbedingungen auf anderen Planeten zu erforschen. Aber noch wichtiger ist es, den zu erhalten, den wir schon haben.
Bei aller Sci-Fi-Liebe: Die großangelegte Besiedlung neuer Welten in den nächsten Jahren ist derzeit wenig realistisch. Die Menschheit würde besser damit fahren, Weltraumerkundung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, wenn wirklich CO2-neutrale Methoden der Allerkundung etabliert wurden, anstelle unser noch verbliebenes Emissionsbudget ins All zu pusten. Und wegen der Kinder muss man sich auch keine Sorgen machen. Erwachsene, die sich verantwortungsvoll dafür einsetzen, ihre Zukunft zu sichern, wären Inspiration genug.
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