Biberratten verbreiten sich in Deutschland und werden zum echten Problem. Die Jagd auf sie ist eröffnet, Kochkurse werden angeboten. Zwar ist jetzt nur noch reaktives Handeln möglich, trotzdem dürfen Ursache und Wirkung nicht verdreht werden. Ein Kommentar.
Possierlich sieht sie aus, wenn die Biberratte aus dem Wasser watschelt – und mit ihren auffällig langen Zähnen an Grashalmen knabbert. Doch Nutrias, wie Biberratten im Fachjargon genannt werden, machen Deutschland zu schaffen. Sie breiten sich rasant aus und sind eine echte Gefahr für heimische Arten und Ökosysteme.
Denn die Biberratte ist invasiv. Das heißt: Sie schädigt durch ihre unkontrollierte Vermehrung ihre Umgebung. Das Nagetier zählt inzwischen zu den 100 weltweit besonders problematischen invasiven Arten – mit der Folge, dass die Jagd auf die Tiere eröffnet wurde. Betroffene Staaten sind nämlich dazu verpflichtet, die Überpopulation einzudämmen sowie zu überwachen. Rund 100.000 Nutrias wurden laut der Nachrichtenagentur AFP zwischen 1. April 2020 und 31. März 2021 in Deutschland erlegt.
Kochkurse – „weil die Biberratten unsere Deiche schädigen“
Damit nicht genug: Wer Nutrias googelt, findet neuerdings Rezepte. Darunter eines für „Nutrias-Rouladen“. „Weil die eingewanderte Biberratten unsere Deiche schädigen“, so die Begründung, könnte man sie ja auch verspeisen. „Wie der Nager uns schmeckt“, hat Bremen Eins mit einer „Profiköchin“ getestet.
Im Gespräch mit dem Spiegel erklärt eine Jägerin, dass für eine vierköpfige Familie „ein mittelgroßes Tier“ ausreiche. Die Jägerin gibt Kochkurse, in denen sie zeigt, wie man Nutriafleisch zubereitet. Frikadelle, Frühlingsrolle, Spieße, Geschnetzeltes. Ihr – durchaus nachvollziehbares – Argument: Bevor die Tiere in der Mülltonne landen, sollten sie lieber verwertet werden.
Unabhängig von der Frage, ob es moralisch vertretbar ist, (invasive) Tiere zu essen, lösen weder Kochkurse noch eine Jagdsaison das eigentliche Problem, für das die Biberratte exemplarisch steht: den ausbeuterischen Umgang mit Tieren. Wenn es um invasive Tierarten geht, werden gerne Ursache und Wirkung verdreht. Nicht die Biberratte ist der Grund, warum nun reagiert werden muss. Sondern der Mensch selbst. Er hat die Biberratte durch eigenes Zutun zum Problem gemacht.
Biberratten sind nicht einfach „eingewandert“
Schließlich haben sich Nutrias nicht einfach so verbreitet, weil ihnen gerade danach war. Sie sind auch nicht irgendwie „eingewandert“. Schuld sind mehrere Faktoren – menschengemachte, wohlgemerkt.
Der wohl wichtigste: Biberratten, die in Südamerika heimisch sind, wurden nach Europa eingeschleppt. Zur Pelz-Produktion. Zwischen 1930 und 1940 gab es in Deutschland insgesamt über 1000 Nutriasfarmen, schreibt Agrar Heute. Tiere sind entflohen, andere wurden später in die Natur entlassen.
Nutrias breiten sich nun so schnell in Deutschland aus, weil die Winter milder werden. Wärmere Winter werden in ihrer Häufigkeit durch den Klimawandel bedingt, darüber sind sich Forschende einig. Doch nicht nur Treibhausgase, mit der Menschen die Erdatmosphäre belasten, sind ein Grund. Es geht auch direkter. Immer wieder werden Biberratten an Ufern gefüttert, was ihre Vermehrung begünstigt.
Mensch versus Mensch
Am Ende schadet der Mensch dem Menschen: Laut Deutschem Jagdverband zerstören Nutrias nämlich nicht nur den Lebensraum für andere Arten, sondern auch Wasserschutzdämme durch unterirdische Gänge.
Wir können jetzt also anfangen, alle invasiven Arten zu verspeisen und die Symptome weiter bekämpfen – oder wir hinterfragen das menschliche Wirken. Und machen es künftig besser.
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