Die Gender Care Gap, also die Lücke bei der Verteilung der Care Arbeit zwischen Müttern und Vätern, muss Expertinnen zufolge endlich kleiner werden. Dafür brauche es "harte Maßnahmen".
Das Engagement der Väter Heutzutage ist höher als das der vorherigen Generation. Dennoch ist die Kindererziehung beziehungsweise Care Arbeit zwischen Müttern und Vätern nach wie vor ungleich verteilt. In einem Interview der Zeit, verraten drei Expertinnen mehrere Maßnahmen, um mehr Väter dazu zu bewegen, sich in der Erziehung mehr einzubringen.
Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist die Gender Care Gap bei Männern und Frauen zwischen 35 und 39 besonders hoch – in dem Alter, in dem viele Menschen Kinder bekommen. Als Gender Care Gap wird laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der unterschiedliche Zeitaufwand bezeichnet, den Frauen und Männer investieren für sämtliche Arbeiten im Haushalt, für die Pflege und Betreuung von Kindern und weiteren Familienangehörigen, für ehrenamtliche Engagements und für Hilfen bei anderen Haushalten. Laut dem DIW leisten Mütter am Tag etwa zehn Stunden Care Arbeit, Väter dagegen etwa drei.
Dabei haben viele Väter vor der Geburt des Kindes sehr wohl eine partnerschaftliche Arbeitsteilung, erklärt Soziologin Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, der Zeit. Besonders vor der Geburt haben sie hohe Erwartungen an sich selbst, an denen sie jedoch nach der Geburt scheitern. Zeitgleich gebe es aber auch Väter, die es als ausreichend empfinden, wie sie ihre Rolle als Vater ausleben. Um alle Väter zu erreichen, brauche es „sehr konkrete“ und „auch harte Maßnahmen“, betont die Soziologin Kim Bräuer von der Technischen Universität Braunschweig.
Mit einem Elternvertrag gegen Gender Care Gap
„Damit die Väter nicht so leicht davonkommen“, brauche es diese Maßnahmen, so die Sozialwissenschaftlerin Mariam Tazi-Preve von der University of Central Florida. Ihrer Erfahrung nach, gebe es manche Männer, die zunächst ein Kind wollen, sich aber dann doch weniger an der Care Arbeit beteiligen, „weil sie sich lieber um ihren Job kümmern“. Daher rät die Sozialwissenschaftlerin werdenden Eltern zu einem Elternvertrag, der alle Pflichten beider Elternteile festhält. Er dient damit als eine Art informelles Übereinkommen, in dem Verantwortlichkeiten festgehalten werden. Das führe zu einer Auseinandersetzung mit den Erwartungen an das gemeinsame Familienleben bereits vor der Geburt, so Tazi-Preve, und nicht erst danach.
Die Sozialwissenschaftlerin fände in diesem Zusammenhang Kurse für „Elternmanagement“ – wie sie diese Lehrgänge nennen würde – eine gute Idee. Es gebe ihr zufolge schließlich viele Mütterkurse und ein Kurs für beide Elternteile könnte Mütter und Väter gleichermaßen auf die Zeit nach der Geburt vorbereiten.
Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Gender Care Gap
Eine weitere Maßnahme, die in Bezug auf die Verteilung der Care Arbeit wichtig ist, ist die Finanzierung. Während der Elternzeit erhalten Paare sogenanntes Elterngeld. Beziehen beide Elternteile dies gleichzeitig, können sie es anstatt 12 Monate, 14 Monate lang bekommen. Seit der Einführung 2007 habe sich die Anzahl der Väter in Elternzeit zwar verdoppelt, sie dauere bei vielen Vätern jedoch nur zwei oder drei Monate, so Allmendinger. Ihr Vorschlag ist deswegen: Die Auszahlung des Bonus sollte erst ab einer Elternzeit der Väter von vier bis sechs Monaten erfolgen.
Besonders das Argument der Wirtschaftlichkeit sei immer noch präsent, wenn es darum gehe, dass Väter keine Elternzeit nehmen, fand Soziologin Bräuer heraus. Deshalb brauche es einen Kulturwandel in der Wirtschaft, sieht Soziologin Allmendinger. Dabei seien die Arbeitgeber:innen in der Verantwortung, eine Kultur zu fördern, die Elternzeit für Väter attraktiver mache. Beispielsweise durch Teilarbeit für alle – auch in Form einer Vier-Tage-Woche.
Außerdem seien Männerquoten für Vorstände in Kitas und Elternsprecher:innen ein weiterer Weg, Männern mehr Verantwortung in der Care-Arbeit von ihren Kindern zuzusprechen, schlägt Bräuer vor. Des Weiteren sieht Tazi-Preve eine weitere Maßnahme zur Bekämpfung der Gender Care Gap in der Auflösung des klassischen Lebensmodells der Kleinfamilie. Es sei zu eng gedacht, Verantwortlichkeiten immer nur in der Paarbeziehung hin und her zu verteilen, so die Sozialwissenschaftlerin. Ihr zufolge könnte es sinnvoll sein, die Kleinfamilie durch ein Familiennetzwerk zu ersetzen, in dem alle Familienangehörigen einbezogen sind.
Weiterlesen auf utopia.de:
- So schädlich wie Straßenverkehr: Kommt das Ende des Holzofens
- Befristeter Arbeitsvertrag: Keine Verlängerung durch Urlaub
- Wieder Warnstreik: Diese Rechte haben Bahn-Reisende (nicht)
War dieser Artikel interessant?