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Gucci, Disney, Shell: Neue Recherche deckt Klima-Skandal auf

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Foto: CC0 Public Domain - Unsplash/ Jethro Carullo, Polina Kuzovkova

Viele Unternehmen erwerben CO2-Zertifikate und unterstützen auf diese Weise Waldschutzprojekte. Eine Recherche weckt Zweifel an dem System: Viele Zertifikate eines großen Anbieters könnten so gut wie keinen Wert fürs Klima haben.

Eine neue Recherche schürt Zweifel am Sinn von CO2-Zertifikaten. Die Zeit und der Guardian haben die Arbeit des weltweit führenden Zertifizierers von CO₂-Kompensationen, Verra, unter die Lupe genommen.

Ihr Ergebnis: Bei 90 Prozent der Regenwald-Kompensationsgutschriften, die der Zertifizierer ausstellte, handle es sich wahrscheinlich um „Phantomgutschriften“ – sie tragen kaum dazu bei, CO2-Emissionen zu reduzieren. Viele namhafte Unternehmen haben im großen Stil Waldschutzzertifikate bei Verra gekauft, um ihre Klimabilanz oder die ihrer Produkte oder Dienstleistungen zu senken, darunter Disney, Easyjet, Shell und Gucci. Die Zeit bezeichnete die Ergebnisse als „Skandal“, der in eine Zeit falle, in der „händeringend nach Auswegen aus der Klimakrise gesucht wird, in der viele Unternehmen auf Kompensation setzen.“

Verras Regenwaldprojekte: 90 Prozent der Zertifikate sparen kein CO2 ein

Verra verwaltet unter anderem den Verified Carbon Standard (VCS). Der VCS ist ein Mechanismus zur Vergabe von Emissionsgutschriften für Projekte, die den Ausstoß von Treibhausgasen (THG) reduzieren oder vermeiden sollen. Laut Guardian hat der VCS bereits mehr als eine Milliarde solcher Emissionsgutschriften vergeben, 40 Prozent davon über das eigene Regenwaldschutzprogramm.

Der Guardian, die Zeit und SourceMaterial, eine gemeinnützige Organisation für investigativen Journalismus, haben neun Monate lang die Organisation Verra untersucht. Unter anderem haben sie wissenschaftliche Studien analysiert, die sich den Regenwaldprojekten Verras widmeten. Die Untersuchungen legen nahe, dass mehr als 90 Prozent der Zertifikate der untersuchten Projekte kein CO2 einsparen würden. Nur bei einer Handvoll der Regenwaldprojekte konnten laut zwei Studien eine Verringerung der Abholzung nachgewiesen werden. Eine weitere Analyse ergab, dass 94 Prozent der Zertifikate keinen Nutzen für das Klima hätten. Wie die Zeit vorrechnet, wären dann  knapp 89 Millionen Tonnen CO₂ nicht eingespart worden.  

Ausgangsszenarien für den Waldverlust zu hoch angesetzt

Bestimmte CO2-Zertifikate sollen erheblich weniger Treibhausgase einsparen, als angenommen. Wie kann es dazu kommen? „Zeit“ und „Guardian“ haben mit verschiedenen Beteiligten des Zertifikate-Handels gesprochen. Diese räumten Probleme am Standards des Weltmarktführers „Verra“ ein:

Klimaberaterin Charlotte Streck, die das Regelwerk für „Verra“ mitentwickelt hatte, erklärte gegenüber Zeit, dass zahlreiche Klima-Aussagen von Unternehmen nicht von realen Einsparungen gedeckt seien. Die Berechnungen dazu, wie viel CO₂ ein Wald einspare, ließen sich so verzerren, dass Projekte „mehr Zertifikate erhalten, als sie sollten“.

So auch im Fall von Regenwaldschutzprojekten. Hier erstellen Organisationen anhand der Verra-Regeln eigene Prognosen darüber, wie viel Entwaldung sie verhindern werden. Diese Aussagen werden von einer dritten Partei geprüft – stimmt diese zu, werden auf Basis dieser Information CO2-Zertifikate erstellt.

Wissenschaftler:innen hatten zwei Drittel der von Verra genehmigten aktiven Projekte untersucht und festgestellt: Nur 8 von 29 Projekten trugen überhaupt nachweislich dazu bei, Entwaldung deutlich zu verringern – also in etwa jedes dritte. Die Analyse von Zeit und Guardian ergab, dass etwa 94 Prozent der Gutschriften aus den Projekten nicht hätten genehmigt werden dürfen. Eine weitere Analyse kommt zu dem Schluss, dass die Ausgangsszenarien für den Waldverlust bei 32 untersuchten Projekten etwa vier mal zu hoch angesetzt waren.

Der Guardian betont Einschränkungen bei den einzelnen Studien. „Die Daten zeigten jedoch eine breite Übereinstimmung hinsichtlich der mangelnden Wirksamkeit der Projekte im Vergleich zu den von Verra genehmigten Prognosen.“  

Verra weist Vorwürfe zurück, Shell und Easyjet reagieren

Verra hält die Schlussfolgerungen zu den eigenen Regenwaldprojekten für falsch. Gegenüber Guardian erklärte das Unternehmen, dass die Methoden die „tatsächlichen Auswirkungen vor Ort“ nicht erfassen könnten. Diese würden den Unterschied zwischen den von Verra genehmigten Gutschriften und den geschätzten Emissionsreduzierungen erklären.

Auch einige Unternehmen, die CO2-Zertifikate von Verra beziehen, haben sich bereits geäußert. Gegenüber Guardian erklärte das Öl-Unternehmen Shell, dass die Verwendung von Zertifikaten „unserer Philosophie entspricht, Emissionen zu vermeiden, zu reduzieren und erst dann zu mindern“.  Die britische Fluggesellschaft EasyJet gab an sich von der CO2-Kompensation abgewandt zu haben – man konzentriere sich auf Projekte wie die „Finanzierung der Entwicklung neuer kohlenstofffreier Flugzeugtechnologien“.

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