Je reicher der Mensch, desto größer ist in der Regel der CO2-Fußabdruck. Wie viel mehr Emissionen Haushalte mit einem hohen Einkommen genau ausstoßen und in welchem Lebensbereich die meisten davon anfallen, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nun untersucht.
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin zeigt: Die zehn Prozent der Haushalte mit dem höchsten Einkommen verursachen pro Jahr und Kopf doppelt so viele Emissionen wie die zehn Prozent der Haushalte mit dem niedrigsten Einkommen. Für die Studie, die der DIW als Wochenbericht auf seiner Internetseite veröffentlichte, untersuchten die Wissenschaftlerinnen die Treibhausgasemissionen von 7.304 Haushalten in Deutschland.
So gingen die Forschenden vor
Das DIW betrachtete die Bereiche Elektrizität, Wohnen (also Heizen und Warmwasser), Ernährung und Mobilität. Dafür werteten die Forscherinnen Daten des sozio-ökonomischen Panels (SOEP) aus dem Jahr 2023 aus – eine repräsentativen Befragung, die jährlich stattfindet. Menschen mit Fluchthintergrund berücksichtigt die Erhebung nach Angaben des DIW nicht.
Die Forschenden haben berechnet, wie viel CO2-Äquivalente (CO2e) die befragten Haushalte pro Jahr und Kopf ausstoßen – auf Basis der Antworten, die diese in entsprechenden Fragebögen lieferten. Bei CO2-Äquivalenten werden neben CO2 auch andere Treibhausgase berücksichtigt.
Außerdem teilten sie die befragten Personen in Einkommensgruppen mit je circa 700 Haushalten auf. Um die Angaben vergleichbar zu machten, teilten sie das Gesamteinkommen der Haushalte durch die Anzahl der darin lebenden Personen und gewichteten je nach Alter. Ob die Menschen außerdem über Vermögen verfügten, berücksichtigten sie nicht. Schließlich verglichen die Forscherinnen den CO2e-Ausstoß der unterschiedlichen Einkommensgruppen und stellten diverse Unterschiede fest.
Fliegen vergrößert den Fußabdruck enorm
Besonders auffällig ist die Differenz in der Kategorie Mobilität: Die zehn Prozent mit dem niedrigsten Einkommen stoßen demnach pro Person 0,8 Tonnen CO2-Äquivalente (CO2e) pro Jahr aus. Bei den reichsten zehn Prozent liegt die Zahl bei 5,8 Tonnen – das ist mehr als das siebenfache. „Insbesondere das Fliegen vergrößert den CO2-Fußabdruck„, begründet Sandra Bohmann, die gemeinsam mit Merve Kücük an der Studie arbeitete, in einer Mitteilung. Eine einzige Langstreckenflugreise führe demnach zu mehr Emissionen pro Kopf als Wohnen und Ernährung in einem ganzen Jahr zusammen.
Auffällig: Abgesehen von der Kategorie Mobilität liegen die CO2e-Emissionen der reichsten Haushalte in allen anderen Bereichen leicht unter denen der Geringverdiener:innen. Der Unterschied beim Wohnen könne laut den Studienautorinnen mit der Bauart der Häuser begründet werden. Haushalte mit hohem Einkommen würden demnach in der Regel häufiger in energieeffizienteren Häusern leben. In den anderen Kategorien seien die Abweichungen so gering, dass sie kaum aussagekräftig sind. Andere Lebensbereiche wie beispielsweise den individuellen Konsum berücksichtigt die Studie nicht.
Wo sich CO2-Emissionen reduzieren lassen
Unabhängig der Einkommensgruppen stellten die Forscher:innen im Rahmen der Studie außerdem Folgendes fest:
- Ernährung: Wer kein Fleisch isst, verursacht deutlich weniger Emissionen (circa 1,2 Tonnen CO2e pro Jahr) als jemand, der mäßig bis viel Fleisch isst (1,6 bis 2,1 Tonnen CO2e pro Jahr).
- Wohnen: Wenn viele Personen sich Wohnfläche teilen, entstehen dabei weniger Emissionen als wenn eine Person alleine den Platz nutzt und heizt. Wohnt eine Person alleine, emittiert diese beispielsweise mehr als vier Tonnen pro Jahr, ein Vier-Personen-Haushalt hingegen nur 1,5 Tonnen pro Kopf. Auch die Größe der Wohnung beeinflusst den Wert.
- Fliegen: Wer nicht fliegt, stößt durch Mobilität pro Jahr und Person nur eine Tonne Emissionen aus, so das DIW. Flüge innerhalb Deutschlands steigern diesen Wert im Durchschnitt auf 1,7 Tonnen. Wer innerhalb Europas fliegt, emittiert 2,3 Tonnen pro Jahr, bei mindestens einem Langstreckenflug auf einen anderen Kontinent sind es sogar 9,3 Tonnen.
Durchschnitt liegt deutlich über dem Richtwert
Insgesamt stießen die reichsten zehn Prozent der Befragten laut Erhebung 10,1 Tonnen CO2e pro Kopf und Jahr aus. Bei den zehn Prozent mit dem niedrigsten Einkommen waren es dagegen nur 5,6 Tonnen, also fast halb so viel. Beide Zahlen bilden jeweils Extreme ab, im Schnitt ist jeder Mensch in Deutschland laut DIW Berlin für circa 6,5 Tonnen Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Um die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, dürften wir aber nur drei Tonnen pro Kopf und Jahr emittieren. Der Weltklimarat warnt in einem Sonderbericht, dass allerdings schon zwei Grad Erwärmung im Vergleich zu 1,5 Grad die Menschheit und andere Lebewesen vor große Herausforderungen stellen würden.
Ansätze für mehr Klimagerechtigkeit
Wer über wenig Einkommen verfügt, lebt der Erhebung zufolge in der Regel deutlich klimafreundlicher als reiche Menschen. Eine zweite Studie des DIW zeigt allerdings auch: Einkommensschwache Haushalte könnten sich umweltfreundlichen Konsum oft nicht leisten. Studienautorin Sonja Dobkowitz betont in einer Mitteilung zur Studie: Die Politik müsse die finanzielle Situation von Haushalten mit geringem Einkommen berücksichtigen. Darum müssen Entscheidungsträger:innen die richtige Balance zwischen Maßnahmen wie der Erhöhung der Einkommenssteuer und Umweltsteuern oder einem CO2-Preis finden, um den gesellschaftlichen Wohlstand nicht zu gefährden.
Dass Reichtum sich negativ auf das Klima auswirkt, betonte auch Christian Neuhäuser, Autor und Professor für Philosophie, im Interview mit Utopia. „Extrem reiche Menschen sind im doppelten Sinne ein Problem für den Klimaschutz: Sie haben einen extrem hohen CO2-Abdruck und sehr viel politische Macht. Klimaschutz ist allerdings oft nicht in ihrem Interesse – denken wir beispielsweise an Familien, denen große Teile der Automobilindustrie gehören.“ Er fordert daher: Es sollte eine Obergrenze für Reichtum geben. So könnten auch Klimaschutz und Klimaanpassung finanziert werden.
Verwendete Quellen: DIW, Pressemitteilung des DIW, DIW auf X, Utopia-Interview mit Christian Neuhäuser, IPCC
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