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EM: Wie grün sind pinken Fan-Trikots?

Von Adidas bis Check24: Wie gut sind EM-Fan-Trikots?
Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Zur Fußball-EM der Männer zeigen sich Deutschland-Fans in Schwarz-Rot-Gold – oder Pink. Doch wie nachhaltig sind die EM-Trikots von Adidas und Co.?

Das neue Deutschlandtrikot für die Fußball-Europameisterschaft der Männer (EM) in Pink-Violett-Tönen stieß erst teils auf Kritik – nun ist es ein Verkaufserfolg. Diese Woche waren verschiedene Versionen des pinken Auswärtstrikots von Sportartikelhersteller Adidas im eigenen Shop immer wieder weitgehend ausverkauft, das weiße Heimtrikot ebenso.

Wer das Shirt trägt, will Solidarität mit der deutschen Nationalmannschaft zeigen. Doch wie sieht es mit Solidarität gegenüber Textilarbeiter:innen aus? Und wie nachhaltig ist das Material der Produkte? Was hat es mit der Konkurrenz-Variante von Check24 auf sich? Eine Übersicht.

EM-Trikot: So setzt sich der Preis zusammen

Ein magentafarbenes Deutschlandtrikot kostet erwachsene Fans im Adidas-Shop 100 Euro – in der „Authentic“-Version sind es 150 Euro. Wer wie viel an den Shirts verdient, hat Sportmarketing-­Experte Peter Rohlmann in der SWR-Sendung „Marktcheck“ erklärt.

  • 19,80 Euro gehen demnach direkt an Adidas,
  • 40,77 Euro behält der Einzelhandel – bestellt man direkt bei Adidas, geht auch dieser Teil an den Hersteller.
  • 6,50 Euro erhält der DFB als Lizenzgebühr,
  • 15,96 Euro fließen als Steuern an den Staat,
  • 2,90 Euro fallen für Werbung an und
  • 2,77 Euro für Vertrieb.
  • Für die Produktion werden 11,30 Euro berechnet.

Wie fair ist das EM-Trikot von Adidas?

Der letzte Punkt „Produktion“ enthält Materialkosten, Löhne für Näher:innen und Zulieferer. Wie viel Geld tatsächlich an die Menschen geht, die das Trikot herstellen, ist nicht bekannt – und unterscheidet sich wahrscheinlich nach Produktionsland. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) verweist auf eine Schätzung des Oikos-Instituts: Demnach erhielten die Näher:innen nur einen Euro pro Trikot.

Hergestellt werden Adidas-Produkte für die EM in Kambodscha, China, Indonesien, Pakistan, Georgien, Türkei, Thailand, Myanmar und Vietnam – das geht aus einer Liste der Fertigungsbetriebe auf der Adidas-Webseite hervor. Im globalen Vergleich handelt es sich überwiegend um Länder mit „mittel-niedrigem Einkommen“ – die Grenze zieht die Weltbank bei einem Bruttonationaleinkommen (BNE) pro Kopf und Jahr von unter 4.465 US-Dollar (also 4.174 Euro). Zum Vergleich: In Deutschland liegt das BNE 2023 bei 50.734 Euro pro Kopf.

Laut RND behauptet Adidas, den Zulieferern teils deutlich mehr zu zahlen als den Mindestlohn – doch gerade in einigen der Produktionsländer liege der Wert ohnehin deutlich unter Existenzminimum. Dazu kritisieren NGOs seit Jahren, dass das Sportartikelunternehmen in bestimmten Ländern nichts gegen Lohndiebstahl unternehme. „Allein in Kambodscha fehlen den über 30.000 Beschäftigten in acht Fabriken, die für Adidas produzieren, 11,7 Millionen Dollar an nicht gezahlten Löhnen“, schrieb die Kampagne für Saubere Kleidung 2022. Unter anderem sollen die Arbeiter:innen während Fabrikschließungen wegen der Corona-Pandemie nicht ausreichend bezahlt worden sein.

Wie nachhaltig ist das Material des Trikots?

Bleibt noch das Material des Shirts. Laut Onlineshop besteht das Adidas-Trikot aus 100 Prozent recyceltem Polyester – die „Authentic“-Version zu 60 Prozent. „Die Wiederverwendung bereits vorhandener Materialien hilft uns dabei, Müll zu reduzieren, unsere Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Ressourcen einzuschränken und den CO2-Fußabdruck unserer Produkte zu verringern“, lobt der Hersteller auf seiner Webseite.  

Das klingt nach einem sehr nachhaltigen Stoff. Tatsächlich ist noch nicht abschließend geklärt, ob Kleidung aus recyceltem Polyester wirklich CO2 einspart. Eine McKinsey-Studie von 2022 geht davon aus, schränkt aber ein, dass unter anderem Unterschiede in der Faserproduktion, intransparente Wertschöpfungsketten sowie mangelnder Konsens über die korrekte Messung von Emissionen die Bewertung erschweren. Textilexperte Kai Nebel von der Hochschule Reutlingen erklärte im Oktober gegenüber Utopia, dass Kunststoff-Recyclingfasern bislang nichts zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen.

Recycling-Polyester speziell wird vor allem aus PET-Getränkeflaschen hergestellt. Diese stammen aber nicht aus dem Meer oder von Müllhalden, sondern sind beispielsweise hier in Europa Teil eines Kreislaufs. Wenn man Kleidung aus recycelten PET-Getränkeflaschen mache, dann nehme man sie aus dem Kreislauf heraus. Die Getränkeindustrie müsse dann mehr Plastikflaschen herstellen, damit die Textilindustrie diesen Rohstoff nutzen kann. Geht das Polyester-Kleidungsstück einmal kaputt, können darauf weder neue Flaschen noch neue Kleidung produziert werden.

Woher Adidas Flaschen für die Trikots bezieht und wo man daraus Stoff produziert, ist nicht bekannt. Der Hersteller schreibt dem SWR, dass das Material von verschiedenen Recyclingunternehmen stamme und Plastikflaschen einen wesentlichen Anteil bilden. Gegenüber Marktcheck schätzt Nebel, dass das Granulat in Asien hergestellt werde. Der Experte kritisiert die intransparente Lieferkette. „Mit Nachhaltigkeit hat das wenig zu tun“, lautet sein Fazit.

Adidas verteidigt die Produktion in Asien gegenüber Marktcheck. Der lange Transport mache nur 4 Prozent der CO2-Emissionen des Produkts aus.  „Eine Lieferkette in Europa hätte also nur eine sehr geringe Auswirkung auf die Klimabilanz“, so das Unternehmen. Ab 2027 wird übrigens Konkurrent Nike die deutschen Nationalteams ausstatten.

Alternativ-Trikot von Check24

Neben Adidas hat auch das Vergleichportal Check24 Trikots für Fans zur Verfügung gestellt. Diese gab es „gratis“ – also im Austausch für Daten – bei Teilnahme an einem Gewinnspiel. Hergestellt wurden die Polyestershirts von Puma, laut TAZ in der Türkei – über die Produktionsbedingungen ist wenig bekannt. Fünf Millionen Stück hat man produzieren lassen, diese sind inzwischen vergriffen.

Utopia meint:

Ob man sich für die EM ein neues Kleidungsstück zulegen muss, ist jedem selbst überlassen. Doch kann es trotz Fußballfieber nicht schaden, das Klima und die Menschen hinter dem Kleidungsstück nicht zu vergessen. Diese stehen bei Adidas offenbar nicht im Vordergrund. Der Recycling-Ansatz ist nicht wirklich überzeugend und nur ein sehr geringer Teil der Einnahmen bleibt bei den Menschen, die die Produkte herstellen.

Das andere Trikot von Check24 ist eine Marketingmaßnahme, die nicht zu Ende gedacht wurde. Fans zahlen mit ihren Daten für ein „Gratis“-Shirt, Check24 finanziert die Herstellung. Die wahren Kosten entstehen aber entlang der Lieferkette, für Mensch, Natur und Klima. Ein paar Beispiele: Die Produktion von 5 Millionen Polyesterprodukten benötigt eine ganze Menge Ressourcen – zum Beispiel Erdöl, Energie, Wasser – geht mit Emissionen einher und dürfte in circa fünf Millionen Waschmaschinen Mikroplastik lösen.

Verwendete Quellen: Adidas, Herstellerlisten, Markcheck, RND, Weltbank, Kampagne für saubere Kleidung, TAZ

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