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Erbgut-Mutationen, die uns krank machen: Neue KI spürt sie nun auf

Mithilfe eines KI-Tools lassen sich Erbgut-Mutationen mit einem Potenzial für Krankheiten ausfindig machen.
Foto: CC0 / Pixabay / LaCasadeGoethe

Mithilfe eines KI-Tools lassen sich Erbgut-Mutationen mit einem Potenzial für Krankheiten ausfindig machen. Dies ist ein wichtiger Schritt in der Forschung.

Wissenschaftler:innen von Google DeepMind haben mit AlphaMissense ein KI-Tool entwickelt, mit dem präziser eingeschätzt werden kann, ob bestimmte Mutationen im Erbgut harmlos sind. Oder, ob gesundheitliche Risiken wie die Entwicklung bestimmter Krankheiten von ihnen ausgehen.

Mithilfe der Künstlichen Intelligenz sollen sich Vorhersagen über sogenannte Missense-Mutationen treffen lassen, wie die Urheber:innen der KI nun im wissenschaftlichen Journal Science berichten. Bei diesen Mutationen ist je ein einzelner Buchstabe innerhalb ihres DNA-Codes falsch geschrieben. 

Obwohl Missense-Mutationen zwar häufig harmlos sind, wird davon ausgegangen, dass sie die Funktionsweise von Proteinen stören können – und gar Krankheiten wie Mukoviszidose, Sichelzellenanämie, Krebs oder Probleme bei der Entwicklung des Gehirns auslösen.

AlphaMissense ist ein Fortschritt in der Forschung – aber kein Durchbruch

Expert:innen zufolge stellt AlphaMissense einen wichtigen wissenschaftlichen Schritt nach vorne dar – ein echter Durchbruch in dieser für die medizinischen Genomik so zentralen Herausforderung sei die Entwicklung der KI allerdings nicht, berichtet Spektrum.

Denn für die allermeisten der insgesamt etwa 70 Millionen möglichen Mutationen dieser Art weiß aktuell niemand, ob sie mit der Entwicklung bestimmter Krankheiten in Verbindung stehen oder nicht.

Neben AlphaMissense sind aktuell weitere KI-Systeme mit einer ähnlichen Zielsetzung in Entwicklung. Sie alle sollen Forschende und Mediziner:innen dabei unterstützen, das Genom ihrer Patient:innen zu interpretieren, um konkrete Krankheitsursachen zu ermitteln.

Bevor Verfahren wie AlphaMissense klinisch eingesetzt werden können, müssen sie allerdings intensiven Prüfungen standhalten. Dies betonen auch die Urheber:innen von AlphaMissense in ihrem Beitrag im Fachmagazin Science, in der sie das neue KI-Tool nun vorstellten.

Mutationen mit Krankheitswert werden durch KI-Tool sichtbar

Wenn Mediziner:innen auf eine Missense-Mutation stoßen, stellt sich ihnen fast immer die Frage nach ihrer Bedeutung. Um unklare Mutationsvarianten besser zu verstehen, wurden bereits diverse Softwaretools entwickelt.

AlphaMissense vereint bereits bestehende Ansätze, die immer häufiger mithilfe maschinellen Lernens verbessert werden. Wie Spektrum schreibt, basiert das neue KI-Tool auf dem bekannteren KI-System AlphaFold – dies sorgte 2020 für Aufsehen, weil es erstmals weitgehend zuverlässig die Struktur von Proteinen anhand ihrer Aminosäureketten ermittelte.

Allerdings lässt sich mit AlphaMissense nun nicht einfach die Struktur der mutierten Proteine von der Vorgänger-KI ermitteln. Stattdessen nutze das KI-Tool die „Intuition“ von AlphaFold anhand von Proteinstrukturen, um herauszufinden, an welchen Stellen in einem Protein eine Mutation Krankheitswert haben dürfte. Dies erläuterte Pushmeet Kohli, Forschungsleiter bei DeepMind, laut Spektrum in einem Pressegespräch.

Einen Anhaltspunkt für diese Einschätzung lieferte die Information, wie häufig eine Mutation bei Menschen oder nah verwandten Primaten auftritt. Häufiger vorkommende Varianten seien demnach mit größerer Wahrscheinlichkeit unbedenklich, heißt es weiter.

Mehrzahl möglicher Mutationen gilt als harmlos

Zudem greift AlphaMissense auf neuronale Netzwerke zurück, die von Sprachmodellen wie ChatGPT inspiriert sind, aber mit Proteinsequenzen trainiert wurden. Solche Systeme hätten sich vor allem bei der Vorhersage von Proteinstrukturen und dem Design neuer Proteine bewährt, erläutert Žiga Avsec, der die Forschung mit leitete. 

Für AlphaMissense sind sie nützlich, weil sie eine Aussage darüber treffen können, welche Varianten von Mutationen plausibel sind und welche nicht. Wie Spektrum berichtet, sei das neue System von DeepMind ersten Tests zufolge seiner Konkurrenz gegenüber bei der Erkennung krankheitsverursachender Varianten leicht überlegen.

Die Forschenden nutzten AlphaMissense auch dazu, den gesamten Katalog möglicher Missense-Mutationen im menschlichen Genom zu erstellen. Hiernach sind 57 Prozent von ihnen vermeintlich harmlos – und 32 Prozent möglicherweise schädlich. Für die übrigen Mutationen gelangte das Modell aber noch zu keiner Einschätzung.

Laut Joseph Marsh, Bioinformatiker an der Universität Edinburgh, spielen computergestützte Vorhersagen aktuell noch eine untergeordnete Rolle für die Diagnose genetischer Krankheiten.

Die Fachgesellschaften empfehlen derweil, die vorhandenen Tools nur unterstützend einzusetzen, wenn es darum geht, eine Mutation mit einer Erkrankung in Verbindung zu bringen. Dagegen betonte DeepMind-Forscher Avsec im Journal Science, dass das Vertrauen in Ki gestützte Forschungsverfahren wachse, je besser sie werden.

Verwendete Quellen: Science, Spektrum

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