Nicht jedes Wetterereignis ist laut der Physikerin Friederike Otto auf den Klimawandel zurückzuführen. In einem Interview erklärt sie, es sei „gefährlich“ zu sagen: „Der Klimawandel war’s, Diskussion erledigt“.
Im Mai diesen Jahres erlebte die Region Emilia-Romagna in Norditalien Unwetter, Überschwemmungen und Erdrutsche. Laut der Physikerin Friederike Otto war dafür jedoch, anders als vom zuständigen Minister behauptet, nicht der Klimawandel verantwortlich. Auch andere Wetterextreme lassen sich der Wissenschaftlerin zufolge nicht auf den Klimawandel zurückzuführen, wie sie in einem Interview mit der Zeit erklärt.
Maßnahmen entscheidend, ob Situation zur Katastrophe wird
In ihrer Arbeit am Imperial College London und im Team von World Weather Attribution erforscht Otto, inwieweit Extremwetterereignisse tatsächlich Folgen der Klimakrise sind. In Zeit-Interview sagt sie: „Ich sehe die Tendenz, jedes ungewöhnliche Wetterereignis komplett dem Klimawandel zuzuschreiben.“ Dabei hänge es von einigen Faktoren, wie etwa einer „guten Stadtplanung“ und „nötigen Anpassungsmaßnahmen“ ab, ob eine Situation zu einer Katastrophe werde. „Das Klima ist nicht an allem schuld„, betont die Physikerin.
Ihrer Meinung nach sei es „gefährlich“ zu sagen: „Der Klimawandel war’s, Diskussion erledigt“. Diese Einstellung ermögliche es Politiker:innen, die Verantwortung von sich zu schieben, so Otto. Außerdem lenke sie von der Tatsache ab, dass Maßnahmen die Ausmaße minimieren könnten – dazu gehören laut der Physikerin Frühwarnsysteme, die Menschen mit jedem Status, Informationsstand und Wohnort erreichen.
Dürre in Madagaskar wurde nicht durch den Klimawandel zur Katastrophe
Neben Italien untersuchte Otto mit ihren Kolleg:innen ein anderes Phänomen, das angeblich durch den Klimawandel zur Katastrophe wurde: die Hungersnot in Madagaskar vor zwei Jahren. Amnesty International schrieb in einem Bericht, dass die schwere Dürre durch die globale Klimakrise verschärft wurde. Die Vereinten Nationen bezeichnete die Situation als „weltweit erste klimabedingte Hungersnot“.
Laut der Physikerin Otto waren für die Hungersnot in Madagaskar jedoch nicht die Folgen des Klimawandels verantwortlich. Die Region erlebe ihr zufolge seit Jahrzehnten Dürren, „daran hat der Klimawandel bislang nichts geändert“. Der Unterschied in den Jahren 2019 bis 2021 sei jedoch gewesen, dass die Menschen aufgrund der Corona-Pandemie im südlichen Madagaskar verweilen mussten und somit kein Geld verdienten und keine Lebensmittel kaufen konnten. In den Jahren zuvor zogen die Menschen in den Trockenzeiten in andere Landesteile und arbeiteten dort als Tagelöhner:innen.
Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels
Anders als in Italien und Madagaskar fanden Otto und ihre Kolleg:innen für die Dürre am Horn von Afrika einen Zusammenhang mit dem Klimawandel. Eine Kombination hat die Dürre „so tödlich gemacht“, betont Otto. Verantwortlich dafür war zum einen der ausbleibende Niederschlag in fünf aufeinanderfolgenden Regenzeiten. Abhängig vom Wetterphänomen El Niño variiere der Niederschlag. „Darin allein kann man noch keinen starken Einfluss des Klimawandels erkennen“, erklärt Otto im Zeit-Interview. Zum anderen sei der Physikerin zufolge das ohnehin schon geringe Regenwasser aufgrund der höheren Temperaturen schneller verdunstet – und konnte somit nicht in die Wurzeln der Pflanzen gelangen. Darin sah Otto einen „ganz klaren Einfluss des Klimawandels.“
Auch bei der Flut im Ahrtal vor zwei Jahren habe der Klimawandel eine Rolle gespielt. Er „hat die Sturzflut zwischen 1,5- und 9-mal wahrscheinlicher gemacht“, schätzt Otto. Doch auch ohne Veränderungen im Klima hätte es laut der Physikerin extreme Regenfälle und starke Überschwemmungen geben können.
Die hohen Temperaturen in Laos und Thailand zur Zeit, sowie die Hitzewelle im Westen Kanadas und im Nordwesten der USA im vergangenen Jahr, sind laut der Wissenschaftlerin ohne anthropogenen – menschengemachten – Klimawandel nicht möglich gewesen.
Klarer Zusammenhang zwischen Hitze und Klimawandel
Manche Wetterereignisse sind, wie die Expertin sagt, klar auf den Klimawandel zurückzuführen. Für andere wiederum braucht es Untersuchungen: etwa Tornados oder Dürren.
Dahingegen wirke sich der Klimawandel auf die globalen Temperaturen aus. „Hitzewellen werden überall auf der Welt deutlich heißer und deutlich häufiger“, so Otto gegenüber der Zeit. Bis zu vier Grad heißer werden die Hitzeperioden laut der Physikerin durch den Klimawandel. Für viele Menschen machten diese vier Grad den Unterschied zwischen Leben und Tod, mahnt die Expertin. Weiter erklärt sie: „Kältewellen hingegen werden seltener und milder.“ Auch bei Extremniederschlägen sei der Einfluss des Klimas zwar geringer, aber dennoch „deutlich erkennbar“.
Verwendete Quellen: Studie zu Emilia-Romagna, Zeit-Interview, Amnesty International, Vereinte Nationen
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