Lasst bloß die Finger von diesem Teufelszeug, lautet die Botschaft einiger Artikel zum Thema Hafermilch. In einem Welt-Artikel wird sich jüngst auf feuilletonistische Weise an der Alternative zu Kuhmilch abgearbeitet. Doch was ist so geistreich am Ignorieren der Realität? Ein Kommentar.
Die Zeit, in der wir leben, muss man einfach mögen. Zumindest als Mensch, der weniger oder gar keine tierischen Produkte mehr konsumiert. Denn: Die Regale in Supermärkten und Discountern sind inzwischen voll mit unzähligen Alternativen zu toten Tieren und deren Muttermilch.
Doch das schmeckt nicht allen. Tatsächlich tut sich in diesen Zeiten eine Spezies hervor, die nicht müde wird, das lautstark kundzutun: konservative Medien. Ihr Endgegner: Pflanzenmilch. Aber nicht irgendeine, sondern Hafermilch.
Verkürzte Überschriften, fragwürdige Botschaften
An ihr arbeiten sich Autori:nnen ab – künstlich sei sie, geschmacklos, gar gefährlich für Mensch und Umwelt. Keine Frage: Wie andere Nahrungsmittel gehört auch Pflanzenmilch auf den Prüfstand. Allerdings muss man dann auch bei den Fakten bleiben. Eine großangelegte Oxford-Studie aus dem Jahr 2018 zeigt: Selbst tierische Produkte mit einer guten Nachhaltigkeitsbilanz belasten Klima und Umwelt stärker als pflanzliche Kost. Darunter fällt auch Kuhmilch, die mit Reis-, Mandel-, Hafer- und Sojaalternativen verglichen wurde. Im Gegensatz zur Kuhmilch schneiden Haferdrinks besser ab. Ein Grund: Hafer wird häufig regional angebaut, die Transportwege sind kurz.
Aber all das interessiert offenbar nicht. Stattdessen werden Aussagen von Expert:innen in Überschriften verkürzt – so geschehen Ende Juli in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – oder die Kritik an Kuhmilch kleingeredet. Es entsteht die Botschaft: Lasst bloß die Finger vom Teufelszeug Pflanzenmilch!
Das ist schon ärgerlich genug. Möchten die Menschen meinen, die sich „so etwas Widerliches“ (Zitat Welt) jeden Morgen in den Kaffee kippen und davon eben nicht tot umfallen. Doch ein bisschen mehr Ärger geht immer. Wenn die sachlichen Argumente nämlich ausgehen, ist offenbar auch Billig-Bashing recht. So nun geschehen bei der Welt.
Was bitte soll so geistreich am Ignorieren der Realität sein?
Unter dem kreativen Titel „Die Hafermilch-Buße“ hat sich diesmal ein Redakteur aus dem Feuilleton über die „Brühe aus Körnern und Wasser“ ausgelassen.
„Die Wahrheit ist, dass Hafermilch gerade so populär ist, weil sie so schlecht schmeckt“, beginnt er seinen literarischen Beitrag. Und weiter: „Denn wenn es ein Genuss wäre, sie zu trinken, würde man ja kein Opfer bringen. Und es geht genau darum: um ein Opfer – fürs Klima, für Tierwohl und für die eigene Gesundheit.“ Hafermilchtrinken wird demnach zum säkularen Opferkult hochstilisiert. Auf die Idee muss man erstmal kommen, chapeau!
Und man könnte sagen: Eine Auslassung im Feuilleton muss man natürlich anders lesen und verstehen als einen Artikel aus dem Wissenschaftsressort. Tatsächlich gelang das der Welt 2019: In einem Interview einer Wissenschaftsredakteurin wird Kuhmilch zu einem „hochbrisanten Cocktail“ erklärt – zumindest von Bodo Melnik, Professor für Ernährungswissenschaft an der Universität Osnabrück. Einem Experten für Allergologie und Dermatologie. Na sowas.
Allerdings lässt sich bei aller feuilletonistischen Unterhaltung fragen: Was bitte soll so geistreich am Ignorieren der Realität sein?
Kalte Stahlgitter und Zwangsbefruchtung machen sich einfach nicht so gut
Anstatt einfach tierische Muttermilch zu trinken, würde „mit großem industriellem Aufwand“ Ersatz geschaffen. Weiter schreibt der Welt-Autor: „Richtige Milch kommt fertig trinkbar aus dem Euter der Kuh, der Ziege oder des Schafs.“
Verzerrte Wahrnehmung erster Güte. Aber kalte Stahlgitter und Maschinen, die Milch aus angeschwollenen Eutern saugen, machen sich im Feuilleton nicht so gut. Milchindustrie ist dem Autor offenbar ein Fremdwort. Tiere, die vom Menschen ununterbrochen zwangsbefruchtet werden, damit sie überhaupt in der Menge Milch abgeben, einfach Teil eines natürlichen Kreislaufs. Und klar: Milch, wie sie die meisten Menschen im Supermarkt erwerben, kam genau so aus der Kuh. Wer kennt sie nicht; die H-Kuh, die H-Milch gibt.
„Je strenger man sich kasteit, desto größer ist der spirituelle Profit und der Distinktionsgewinn innerhalb der Gemeinschaft“, heißt es in dem Welt-Beitrag. Es ist einer von vielen Sätzen, die Menschen gefallen dürften, die den angeblich woken Vegan-Schwachsinn nicht aushalten. Obwohl sie keiner zwingt Hafermilch zu trinken. Aber manchmal ist die Wirklichkeit viel einfacher. Kein Opferkult, kein Gesundheitsbewusstsein, kein Klimaaktivismus. Den Leuten schmeckt’s halt.
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