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Infraschall-Gefahr grob überschätzt: Gericht weist Klage von Windkraftgegner:innen zurück

Windkraftgegner überschätzten Infraschall-Gefahr
Foto: CC0 / Pixabay / Al3xanderD

Windkraftgegner:innen warnen vor hohen Infraschallwerten von Windanlagen. Die Studie, auf die sie sich berufen, ist aber nachweislich falsch. Mehr dazu erfährst du in diesem Artikel.

Kopfschmerzen, Tinnitus, Stress und Schlafstörungen: Einige Windkraftgegner:innen bestehen auf diese Symptome durch Windkraftanlagen. Doch diese Aussagen berufen sich auf eine falsche wissenschaftliche Studie. Ein Rechenfehler, der viel Zeit im Ausbau der Windkraftenergie kostete.

Infraschall durch Windkraftanlagen: Studie nachweislich falsch

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat Fehler in ihrer maßgeblichen Infraschall-Studie zugegeben und diese zurückgezogen. Über viele Jahre wurde der von Windrädern erzeugte Infraschallwert als viel zu hoch angegeben. Eine der Hauptgründe für den langsamen Ausbau der Windkraft ist der Widerstand der Anwohner:innen, der durch diese Studie befeuert wurde. Die Studie war tatsächlich eines der Hauptargumente von Windkraftgegner:innen und hat bei vielen Menschen große Sorge um ihre Gesundheit ausgelöst.

Infraschall – was ist das?

Der Infraschall ist ein Schall unterhalb des für den Menschen hörbaren Bereiches. Das heißt die Frequenz liegt unter 20 Hertz und ist somit so tief, dass Menschen sie normalerweise nicht wahrnehmen. Infraschall kommt in unserer Umwelt beispielsweise bei Wind, Wasserfällen oder Gewittern vor. Untersuchungen haben ergeben, dass der Infraschall in der Umgebung von Windkraftanlagen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen liegt.

Dennoch argumentieren Windkradtgegner:innen: Die Infraschallwellen der Winkraftanlagen verursachen Schlafstörungen, Tinnitus, Stress, Herzrasen und Kopfschmerzen. Dabei beriefen sie sich eben meist auf den sehr hohen Wert von etwa 100 Dezibel der Studie der BGR. Doch dieser Wert ist erwiesenermaßen falsch.

Ein Rechenfehler um den Faktor 4.000

Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte aufgrund der falschen Studie entschuldigt.
Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte aufgrund der falschen Studie entschuldigt. (Foto: CC0 / Pixabay / Boke9a)

Der damals errechnete Wert von etwa 100 Dezibel stellt sich heute als falsch heraus. Es handelte sich wohl um einen Rechenfehler. Die BGR hatte 2009 einen Wert ermittelt, der auf der logarithmischen Skala 36 Dezibel zu hoch war. In der Hochrechnung wachsen diese Werte exponentiell, sodass die final errechnete Zahl um den Faktor 4000 zu hoch war.

Der Erlanger Physikprofessor Martin Hundhausen und der Bayreuther Umweltwissenschaftler Stefan Holzheu weisen schon seit Längerem auf die Umstimmigkeiten hin. Gegenüber dem BR sagt Stefan Holzheu: „Es ist einfach ein Rechenfehler gewesen. Und das konnte man sogar aus den Daten, die die BGR selbst publiziert hat, eigentlich nachlesen. Also man konnte das einfach direkt aus den Daten schließen, wenn man sich das Primärsignal angeguckt hat und geschaut hat, was für Pegel die daraus berechnen. Dann hat man festgestellt, es passt nicht zusammen.“ Auch Martin Hundhausen kann sich den Rechenfehler nicht erklären: „Ich habe da draufgeguckt, und innerhalb von zwei Stunden wusste ich, das ist falsch.“

Die BGR hat den Fehler eingeräumt und die Studie zurückgezogen. Der mittlerweile ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte aufgrund dieses Fehlers öffentlich um Entschuldigung gebeten. Die Studie war unter anderem ein Grund dafür, dass der Windkraftausbau nicht schneller erfolgte, so Altmaier.

Berufung der Klagen von Anwohnern abgelehnt

Der Antrag auf Berufung von zwei Kläger:innen wurde zurückgewiesen.
Der Antrag auf Berufung von zwei Kläger:innen wurde zurückgewiesen. (Foto: CC0 / Pixabay / Steppinstars)

Viele Windkraftgegner:innen beruhigt die neue Erkenntnis jedoch eher nicht. Zwei Kläger:innen aus Horn-Bad Meinberg und Borchen haben von den Betreibern von Windenergieanlagen Schadensersatz wegen der Beeinträchtigung ihrer Grundstücke durch Infraschall verlangt. Diese Klagen wurden aufgrund fehlender wissenschaftlicher Grundlage abgewiesen, doch die Kläger:innen sind in Berufung gegangen. Am 05. Mai 2022 wurde über die Berufungen der Kläger entschieden. Die Abweisung der Klagen wurde bestätigt und die Berufungen mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine rechtlich relevante Beeinträchtigung der Grundstücke der Kläger nicht vorliege.

Auch Sachverständigengutachten sprechen gegen diese Beeinträchtigung der Grundstücke durch die Windräder. Der Sachverständige habe überzeugend dargelegt, dass die Schalldruckpegel des Infraschalls auf den Grundstücken stark unterhalb der menschlichen Wahrnehmung läge. Infraschall sei dort praktisch nicht mehr messbar, da Schallwellen der Anlagen in einer Entfernung von etwa zwei Kilometer im Schall des Windes untergehe.

Der Nocebo-Effekt und Infraschall

Auch wenn kein wissenschaftlicher Zusammenhang von Infraschall der Windkrafträder und gesundheitlichen Probleme besteht, klagen viele Anwohner über Kopfschmerzen, Stress und Schlafstörungen. Ein Erklärungsansatz dafür ist der Nocebo-Effekt. Der Nocebo-Effekt wirkt vergleichbar mit dem Placebo-Effekt und bedeutet „Ich werde schaden (nehmen)“: Alleine durch die Annahme, dass negative Effekte und Nebenwirkungen (zum Beispiel bei Medikamenten) eintreten, geschehen diese auch.

In Experimenten konnten Wissenschaftler:innen zeigen, dass Proband:innen Symptome entwickelten, wenn man ihnen sagte, dass sie Infraschall ausgesetzt seien und dass dies zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen könnte. Dabei waren die Proband:innen in Wirklichkeit gar keinem Infraschall ausgesetzt.

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