Hebammen sind auch in Deutschland hauptsächlich weiblich. In einem Interview erzählen zwei männliche Hebammen, mit welchen Vorurteilen sie in ihrem Alltag konfrontiert werden – und ob sie schon einmal aufgrund ihres Geschlechts abgewiesen wurden.
Der Großteil der Hebammen in Deutschland ist weiblich. Vor welchen Herausforderungen stehen daher Männer in diesem Beruf? Darüber hat die Zeit mit zwei männlichen Hebammen gesprochen. Der 23-jährige Tobias Richter arbeitet in einem Klinikum in Berlin und der 44-jährige Sanfo Wahabou Tasséré in einem Krankenhaus in Ouahigouya, einer Stadt im Norden von Burkina Faso.
Wahabou Tasséré berichtete gegenüber der Zeit, dass er in der Vergangenheit mit Vorurteilen konfrontiert wurde. Dazu gehöre, dass er als Mann Frauen angeblich nicht beraten könne, weil er selbst nicht gebären kann und daher den Schmerz nicht nachempfinden könne. Ein anderes Vorurteil, welches Tasséré höre, sei, „dass ein Mann, der einer Frau bei der Entbindung hilft, kein richtiger Mann sei – also im Sinne von homosexuell.“
Auch Richter kenne diesen „dummen Spruch“, als Mann den Wehenschmerz nicht nachvollziehen zu können. Er erwidere darauf, dass Herzchirurg:innen schließlich auch keine Herzprobleme bräuchten, um einen guten Job zu machen.
Der Begriff implizit Hebammen seien Frauen
Im Duden heißt es „Hebamme, die“ und wird in der Online-Version definiert als „staatlich geprüfte(r) Geburtshelfer(in)“. Synonym können laut Duden auch die Begriffe „Wehfrauen“ und „Wehmütter“ verwendet werden. Der Begriff leitet sich der Begriff von hevan und ana ab. Hevan bedeutet heben und ana ist die Großmutter, die das Neugeborene aufhebt. Der Begriff impliziert also schon, dass es sich hierbei um einen Beruf handelt, der hauptsächlich von Frauen ausgeübt wird. Während es in Deutschland statistischen Angaben zufolge 2019 nur 52 männliche Hebammen gab, ist in Burkina Faso laut Zeit ein Drittel der Hebammen männlich.
Dass Frauen sich von ihnen als Männer nicht behandeln lassen möchte erlebt Richter in Berlin jedoch selten. Falls doch würden dann weibliche Hebammen aus seinem Team übernehmen. Wahabou Tasséré aber habe bereits erlebt, dass manche Muslim:innen in seiner Heimatstadt Ouahigouya den männlichen Hebammen verbieten ihre Frauen zu untersuchen. Seiner Meinung nach liege es jedoch an den Fähigkeiten, ob die Bevölkerung eine Hebamme akzeptiert oder nicht. „Es gibt Männer, die von der Bevölkerung abgelehnt werden, und es gibt Frauen, die abgelehnt werden. Ob jemand akzeptiert wird, hängt allein vom Charakter ab“, betonte Wahabou Tasséré.
Vorteile als Mann im Hebammen-Beruf?
Ginge es nach Richter sollte dem Beruf nicht länger zwischen den Geschlechtern unterschieden werden. Es brauche mehr Menschen, die Lust auf den Beruf haben „da kommt es nicht auf die Chromosomkonstellation an“, so Richter. „Wir sollten nicht nur nach Frauen suchen, die Hebammen werden wollen. Wenn wir nicht in Zukunft ausreichend Personal finden, wird die geburtshilfliche Versorgung schlechter werden.“
Einen Vorteil als Mann diesen Beruf zu machen, sieht Richter daher nicht. Ob jemand den Job gut mache, hänge nicht vom Geschlecht ab, „sondern eher vom Typ Mensch, der man ist. Heißt: Kann man gut zuhören? Kann man empathisch sein? Das ist viel entscheidender.“
Seit dem Hebammenreformgesetz von 2019 führen alle Menschen, die dem Beruf angehören, die Bezeichnung „Hebamme“. Davor wurden Männer „Entbindungspfleger“ genannt, wie es durch das vorherige Hebammengesetz von 1985 festgelegt wurde. An dem Begriff wurde jedoch kritisiert, dass damit das Tätigkeitsprofil einer Hebamme nicht abgedeckt wird.
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