Hass im Netz ist perfide. Die Täter:innen bleiben oft anonym, ihre Opfer aber leiden unter den Anfeindungen. Wie sehr, berichten prominente Frauen. Sie wollen sich dennoch nicht einschüchtern lassen.
Einschüchterungen und Anfeindungen können jede:n treffen. Allerdings sind Frauen „die größte Betroffenengruppe, die wir haben“, sagt Josephine Ballon gegenüber dem Spiegel. Sie ist Leiterin der Rechtsabteilung bei HateAid, einer Organisation, die Opfern von Gewalt im Netz hilft. Demnach ist Hass und Hetze ein grundlegendes Problem, allerdings sind ihrer Erfahrung nach nicht alle davon gleich betroffen.
Vor allem Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, schlägt die Feindseligkeit oft anonymer Täter:innen entgegen. Laut Ballon mache es keinen Unterschied, ob die betroffenen Frauen Forscherinnen, Bundespolitikerinnen oder Influencerinnen sind. Bei HateAid beträgt der Frauen-Anteil an den Opfern, die Prozesskostenhilfe benötigen, 73 Prozent. Das hänge damit zusammen, weil die Anfeindungen justiziabel – also besonders krass – seien, erklärt Ballon.
Wie heftig, legen sieben prominente Frauen im Spiegel in ihren persönlichen „Hassprotokollen“ offen. Eine von ihnen ist die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl, die regelmäßig über Themen wie Rechtsextremismus twittert. Sie berichtet: „Ein Klassiker sind Vergewaltigungswünsche, ich glaube, das hat so gut wie jede Frau schon erlebt, die im Netz aktiv und antirassistisch ist: diese konkreten Vorstellungen, dass man von Asylbewerbern oder Flüchtlingen vergewaltigt werden sollte, und dass einem das schon recht geschehen würde, weil man ja Mitschuld an irgendwelchen Taten trage.“
Ständig im „Kampfmodus“
Viele Anfeindungen, die ihr widerfahren, seien strafrechtlich relevant. „Aber es ist verdammt schwer, die Leute ausfindig zu machen“, sagt Strobl. Derzeit seien 21 justiziable Fälle offen. Das gehe an die Substanz, sie befinde sich – wie sie sagt – im „permanenten Kampfmodus“.
Auch die Fridays for Future-Aktivistin Carla Reemtsma will sich nicht unterkriegen lassen. „Es ist oft der alte, weiße, wütende rechtslastige Mann, der mich beschimpft“, schreibt sie in ihrem Protokoll. Oft sei der Hass sexualisiert. Doch sie könne ihn „recht gut emotional“ trennen. Schließlich ist die Klimakrise kein ideologisches, sondern ein naturwissenschaftliches Problem. „Auf dieser Basis müssen wir diskutieren“, so Reemtsma, die sich eine unkompliziertere Löschung von Hasskommentaren auf sozialen Medien wünscht.
Die Autorin Jasmina Kuhnke, die auf Twitter als „Quattromilf“ über Rassismus aufklärt, berichtet über ihre Erfahrungen als mehrfach marginalisierte Person. „Was Hass betrifft, bin ich ein Elfmeter ohne Torwart: Schwarz, Frau, Mutter“, schreibt Kuhnke. Sie wolle weder eine Opferrolle einnehmen, noch sei sie bereit, zu sagen, ihre Situation als Schwarze sei nicht „so schlimm“. Denn dann würde sie den „vorherrschenden Rassismus“ kleinreden.
Vergangenes Jahr musste die Autorin – auch zum Schutz ihrer Familie – aus ihrem Haus ausziehen, nachdem sie Morddrohungen erhalten hatte und ihre Adresse von Nazis im Internet veröffentlicht wurde, wie sie im Spiegel-Protokoll schreibt. Sie werde aber weiterhin ihren Gegner:innen die Stirn bieten, auch auf Twitter. Kuhnke appelliert deshalb an alle Opfer: „Wehrt euch! Eure Stimme ist wichtig. Ihr seid nicht allein!“
Dass Gewalt an Frauen im Internet bereits in jungen Jahren stattfindet, legt der „Welt-Mädchenbericht 2020“ von Plan International nahe. Darin geben 70 Prozent der befragten deutschen Mädchen und Frauen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren an, bereits digitale Gewalt und Belästigungen in sozialen Medien erlebt zu haben.
Wenn du selbst von digitaler Gewalt betroffen bist und Unterstützung brauchst, hilft dir hier HateAid weiter.
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