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„Lancet Countdown“ rüttelt mit drastischen Zahlen wach

"Lancet Countdown" rüttelt mit drastischen Zahlen wach
Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa

Eine Hiobsbotschaft zur Klimakrise jagt die nächste. Ein neuer Bericht widmet sich den gesundheitlichen Folgen, die auch in Deutschland spürbar sind. Unterdessen kritisieren Fachleute eine auf der Weltklimakonferenz COP28 verabschiedete Erklärung.

Gesundheitsexpert:innen haben eine von etlichen Staaten verabschiedete Erklärung auf der Weltklimakonferenz COP28 als zu schwach kritisiert. „Fossile Energien werden nicht einmal erwähnt, obwohl sie die Hauptschuld am Klimawandel und damit auch an den Gesundheitsauswirkungen tragen“, sagte Expertin Jess Beagley von der Climate and Global Health Alliance, eines Zusammenschlusses von Gesundheitsorganisationen aus aller Welt, am Sonntag in Dubai. Auch andere Fachleute kritisierten die Verlautbarung.

„Ob es am Ende wirklich eine Gesundheits-COP ist, hängt davon ab, ob Staaten ambitionierte Entschlüsse zum Ausstieg aus fossilen Energien beschließen und umsetzen“, sagte die Medizinerin Sophie Gepp vom Centre for Planetary Health Policy der Deutschen Presse-Agentur.

Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas ist strittigster Punkt auf der COP28

Die vom Gastgeber der Klimakonferenz – den Vereinigten Arabischen Emiraten – herausgegebene Erklärung, der sich mehr als 120 Länder angeschlossen haben, will zwar Forschung und Maßnahmen stärken, die gesundheitsgefährdende Folgen des Klimawandels verhindern – doch die Worte „fossile Energieträger“ oder „Ausstieg aus fossilen Energien“ sucht man in dem Text vergebens. Ob sich die Klimakonferenz im Ölstaat auf den weltweiten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas einigen kann, gilt als einer der strittigsten Punkte auf der Klimakonferenz.

Die Weltgesundheitsorganisation und mehr als 40 Mediziner:innen aus aller Welt riefen in Dubai dazu auf, den Ausstieg aus den Fossilen zu beschleunigen. Staatliche Regierungen sollten die Ankündigungen, die sie in Sachen Klimaschutz gemacht hätten, auch in die Tat umsetzen. Die Gesundheitsexperten warnten vor „gefährlichen Ablenkungen“ wie CO2-Speicherung oder Geoengineering, auf die einige Staaten ihre Hoffnung im Kampf gegen die Klimakrise setzen. Tatsächlich gelten diese Technologien jedoch als wissenschaftlich umstritten, sehr teuer und kaum im großen Maßstab skalierbar.

„Lancet Countdown“: Drastische Zahlen zu den Gesundheitsfolgen der Klimakrise

„Tatsache ist, dass die Klimakrise und die Gesundheitskrise ein und dasselbe sind“, sagte der US-Sondergesandte John Kerry in Dubai. „Sie sind völlig miteinander verbunden.“

Das unterstreicht auch der „Lancet Countdown on health and climate change“, der bereits im November mit drastischen Zahlen auf die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise hinweist. Selbst wenn der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur bei knapp unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bliebe, würde die Zahl der globalen Hitzetoten bis zur Mitte des Jahrhunderts um 370 Prozent steigen, schreiben die Autor:innen des Berichts. 114 internationale Fachleute um Marina Romanello vom University College London (Großbritannien) haben ihn im renommierten Fachmagazin The Lancet veröffentlicht.

Extreme Hitze ist lebensbedrohlich

Weltweit sind die Menschen demnach heute doppelt so vielen Tagen mit extremer Hitze ausgesetzt wie im Zeitraum 1986 bis 2005. Das ist insbesondere lebensbedrohlich für Kleinkinder und ältere Menschen. So ist die Zahl der hitzebedingten Tode von Personen, die älter als 65 Jahre sind, zuletzt gegenüber den Jahren 1991 bis 2000 um 85 Prozent gestiegen. „Nichtstun wird uns teuer zu stehen kommen. Wir können es uns nicht leisten, so untätig zu sein – der Preis dafür sind Menschenleben“, sagte Romanello in einer Mitteilung.

Die zunehmende Hitze sorgt auch dafür, dass es immer weniger sichere Stunden zum Arbeiten oder Trainieren im Freien gibt. Zudem steigen die Gefahren durch Waldbrände und die Ausbreitung tropischer Infektionskrankheiten. Zwar erkennen die Forscher:innen an, dass die Anzahl erneuerbarer Energien steigt und auch weitere Maßnahmen zum Klimaschutz ergriffen werden. Aber: „Da immer noch 1337 Tonnen Kohlendioxid pro Sekunde ausgestoßen werden, reduzieren wir die Emissionen nicht annähernd schnell genug, um die Klimagefahren auf dem Niveau zu halten, das unsere Gesundheitssysteme bewältigen können“, sagte Romanello.

So ist die Situation in Deutschland

In Deutschland waren die Menschen im Zeitraum 2013 bis 2022 durchschnittlich 7,9 Tagen pro Jahr potenziell lebensbedrohlicher Hitze ausgesetzt. Das ist zwar deutlich weniger als die 86 Tage im weltweiten Durchschnitt, doch waren hierzulande die durchschnittlichen Sommertemperaturen in den Jahren 2018 bis 2022 um 1,8 Grad Celsius höher als im Zeitraum 1986 bis 2005.

Die hohen Temperaturen führten in Deutschland beispielsweise dazu, dass 2022 rund 34 Millionen Arbeitsstunden hitzebedingt ausfielen – vor allem auf dem Bau. Das ist dem Bericht zufolge ein Anstieg um zwölf Prozent gegenüber dem Zeitraum 1991 bis 2000.

Zwar wurden 2020 in Deutschland 31 Prozent der Elektrizität aus erneuerbaren Energien gewonnen, doch waren es in allen Energiebereichen zusammengenommen – Heizen, Verkehr und andere – nur sechs Prozent. „Der geringe Einsatz sauberer erneuerbarer Energien und die fortgesetzte Nutzung fossiler Brennstoffe und Biomasse führen zu einer hohen Luftverschmutzung, was das Risiko von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenkrebs, Diabetes, neurologischen Störungen und ungünstigen Schwangerschaftsausgängen erhöht und eine hohe Krankheits- und Sterblichkeitsbelastung nach sich zieht“, schreiben die Studienautor:innen in einer speziellen Auswertung für Deutschland.

Ernährung, Klimawandel und Gesundheit

Ein weiterer Teil des Berichts widmet sich dem Zusammenhang zwischen Ernährung, Klimawandel und Gesundheit. So ermittelten die Wissenschaftler:innen, dass weltweit die Haltung von Nutztieren für 57 Prozent aller Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft verantwortlich ist. Nicht nur stoßen vor allem Rinder große Mengen Methan aus, sondern der Futteranbau verbraucht große Teile der Agrarflächen. Zudem wurden im Jahr 2020 global 1,9 Millionen Todesfälle mit übermäßigem Verzehr von rotem Fleisch, verarbeitetem Fleisch und Milchprodukten in Verbindung gebracht, in Deutschland waren es über 87.000 Todesfälle. Die Forschenden plädieren deshalb für eine pflanzenbasierte und fleischarme Ernährung.

Doch die Wissenschaftler:innen haben auch Positives zu berichten. So sind die weltweiten Todesfälle, die auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind, seit 2005 um 15,7 Prozent gesunken. Zudem wurden 2022 rund 1500 Milliarden Euro in saubere Energien investiert, 61 Prozent mehr als in fossile Energien.

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