Ausgangssperren, digitaler Unterricht und eine Impfpflicht für bestimmte Gruppen: Die Corona-Politik hat die Gesellschaft polarisiert. Politiker räumen nun ein, teilweise Fehler gemacht zu haben.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat Fehler der Politik in der Corona-Pandemie eingeräumt. „Der größte Fehler war, dass wir bei den Kindern zum Teil zu streng gewesen sind und mit den Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich etwas zu spät angefangen haben“, sagte er dem Spiegel.
„Wir hätten mehr tun müssen, um Bildungsdefizite zu vermeiden, um das Bildungsangebot in den Schulen aufrechtzuerhalten.“ Und man habe die Zeit nicht genutzt, um die „katastrophale Digitalisierung“ in den Schulen zu verbessern. „Wir haben den Kindern parallel zu wenig geboten, wir haben sie zu wenig psychotherapeutisch betreut. Wir haben Warnsignale übersehen“, sagte er.
Lauterbach: Trotz Fehlern „sehr gut“ durch die Pandemie gekommen
Unterm Strich sei Deutschland aber „sehr gut“ durch die Pandemie gekommen – gemessen auch daran, dass die Bevölkerung relativ alt sei. „Jeder hat auch Fehler gemacht, aber unsere Gesamtbilanz ist gut.“ Technisch sei Deutschland heute viel besser auf die nächste Pandemie vorbereitet.
„Wir können zu jedem Zeitpunkt viel schneller als vorher international und auch in Deutschland Impfstoffe entwickeln und produzieren. Wir haben sehr viel mehr Schutzmaterial zur Verfügung und sind unabhängiger von Lieferketten.“
Als Gesellschaft sei Deutschland aber schlechter vorbereitet. Es gebe „eine massiv mobilisierte Untergruppe“, die stark mit den AfD-Wähler:innen überlappe, Infektionsschutzmaßnahmen ablehne und gegen Impfungen sei. „Sie würde jede künftige Pandemie politisch in der Bewältigung erschweren.“
Auch Seehofer und Braun melden sich zu Wort
Der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte dem Spiegel: „Wir haben Entscheidungen getroffen, denen ich heute nicht mehr zustimmen würde. Zum Beispiel die nächtliche Ausgangssperre, die kaum Wirkung auf die Unterbrechung der Infektionsketten hatte.“
Dagegen habe man viel zu lange mit strengen Maßnahmen in Krankenhäusern und Pflegeheimen zugewartet. Dabei seien die „ja Brutstätten für das Virus“ gewesen. „Die Lehre für mich ist: Mit Forderungen nach einer Zwangsimpfung muss man sehr vorsichtig sein, die konnte ja nicht einmal für die Pflegeheime und Krankenhäuser in Bayern umgesetzt werden.“ Und heute seien in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang Impfschäden bekannt. „Insofern kann ich die damaligen Widerstände aus heutiger Sicht verstehen.“
Der damalige Kanzleramtschef der schwarz-roten Bundesregierung, Helge Braun (CDU), sagte, die Regierung habe die Wirkmächtigkeit der Impfstoffe anfangs zu hoch eingeschätzt. Gestützt auf einen ersten Bericht des Robert Koch-Instituts sei man davon ausgegangen, dass Geimpfte auch vor Ansteckungen sicher seien.
Macht sich in der Gesellschaft eine Impfmüdigkeit breit?
„Wir haben das Impfen als eine Lösung für den Ausstieg aus der Pandemie beworben und eine Erwartung geschürt, die wir am Ende nicht erfüllen konnten“, sagte Braun. Später sei klar geworden, dass die Impfung höchstens vor schweren Verläufen schütze, nicht aber die Infektionsketten durchbreche. Heute sei deshalb seine Sorge, dass sich in der Gesellschaft eine Impfmüdigkeit breitmache, obwohl das Impfen noch immer die beste Prävention für viele Krankheiten sei, so Braun.
Vor vier Jahren breitete sich das Coronavirus weltweit aus. In Deutschlands entschied sich die Politik damals unter anderem für Schulschließungen und Ausgangssperren.
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