Long Covid nach einer Impfung gegen das Coronavirus rückt in den Fokus der Forschung. Das Paul-Ehrlich-Institut plant eine „robuste“ Studie während an der Marburger Universitätsklinik die „Post-Vax-Ambulanz“ mögliche Fälle untersucht. Was wir derzeit über das Phänomen wissen.
Dass Menschen noch Wochen nach einer Coronavirus-Infektion unter Beschwerden leiden können, ist unlängst bekannt. Sie klagen unter anderem über Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsprobleme oder dauerhafter Erschöpfung – die auch als Chronisches Fatigue-Syndrom bekannt ist. Bestehen solche Folgeerscheinungen mehr als vier Wochen nach der Infektion, ist von Long Covid die Rede.
Die Impfung bietet Expert:innen zufolge einen gewissen Schutz vor dauerhaften Problemen nach einer Corona-Infektion. Allerdings weisen in seltenen Fällen Menschen diese Symptome auch nach einer Impfung gegen Covid-19 auf, scheinbar ohne dass sie sich zuvor infiziert haben. Dabei handelt es sich um das sogenannte Post-Vaccine-Syndrom.
Was wir bislang über Long Covid nach einer Impfung wissen – und was nicht:
„Robuste epidemiologische Studie“ geplant
Fest steht, dass es zum aktuellen Zeitpunkt kaum belastbare Daten zum Post-Vac-Syndrom gibt. Das heißt wissenschaftlich – also auch systematisch – geklärt sind die Zusammenhänge nicht, obgleich das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nach eigenen Aussagen, eine „robuste epidemiologische Studie“ plant. Sie soll klären, ob die genannten Beschwerden tatsächlich eine Folge der Covid-19-Impfung sind.
„Post-Vax-Ambulanz“ der Marburger Universitätsklinik
In der Praxis gibt es bereits eine Anlaufstelle für Menschen, die denken, an den Folgen der Impfung zu leiden. An der Marburger Universitätsklinik gibt es eine „Post-Vax-Ambulanz“. Wie Quarks berichtet, ist die Nachfrage hoch, Wartelisten wurden eingerichtet. Wer von ihnen tatsächlich von Long-Covid-ähnlichen Beschwerden betroffen ist, gilt es hier zu klären – dazu werden sie in der Ambulanz ausführlich untersucht.
Der Direktor der Marburger Klinik für Kardiologie und Leiter der Ambulanz, Prof. Bernhard Schieffer, sagte der Süddeutschen Zeitung (SZ): „Im Grunde handelt es sich bei Long Covid und Post-Vac um dasselbe Krankheitsbild – nur dass in einem Fall die Infektion und im anderen die Impfung der Auslöser ist.“
Offenbar junge Menschen betroffen
Dem SWR erklärte Schieffer, dass von Post-Vac vor allem junge Menschen betroffen seien, die möglicherweise einen begleitenden immunologischen Defekt oder eine akute Infektion haben.
„Wir sehen in unseren ersten Erhebungen, dass es in der Mehrzahl junge Frauen sind, die sportlich aktiv waren und im Berufsleben standen, die erhebliche Einschränkungen ihrer körperlichen und mentalen Leistungsfähigkeit erleben“, wird der Experte Anfang Juli zitiert.
Schieffer schätzt aus seiner Erfahrung und mit Blick auf die im Post-Marketing-Report des Impfstoffherstellers Biontech, dass etwa 0,02 Prozent der Geimpften Post-Vac-Beschwerden entwickeln könnte. Das berichtet die SZ. Anteilig an den bislang in Deutschland Geimpften wären demnach 6.000 bis 12.000 Personen betroffen. Long Covid nach einer Infektion trifft ungleich mehr Menschen: Laut Robert-Koch-Institut liegt der Anteil der Long-Covid-Betroffenen infolge einer Viruserkrankung je nach Datenbasis, Falldefinition und Studienmethodik zwischen 7,5 und 41 Prozent.
Wie Quarks berichtet, wurden bis zum 20. Juli nach Auskunft des PEI in Deutschland bei fast 65 Millionen Geimpften etwa 192 Fälle des chronischen Fatigue-Syndroms nach einer Impfung gemeldet – und sieben Fälle eines Post-Vac-Syndroms.
Verschiedene Erklärungsansätze für Post-Vac-Syndrom
Der Virologe Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (Stiko), betont laut SZ: „Dass es nach Impfungen in Einzelfällen zum Post-Vac-Syndrom kommen kann, kennt man auch von anderen Impfungen wie der Influenza.“ Allerdings sei sehr wenig über die genauen Ursachen bekannt – und weshalb manche Menschen davon betroffen sind, aber die allermeisten nicht.
Generell ist es wissenschaftlich schwierig, Beschwerden als direkte Folge einer Impfung nachzuweisen. Laut RKI gilt es zwischen Impfreaktionen, -komplikationen und -schäden zu unterscheiden. Das PEI unterhält eine Datenbank, die Verdachtsfälle im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen umfasst. Bei Fragen zu möglichen Symptomen nach der Gabe von Impfstoffen ist daher das PEI der richtige Ansprechpartner.
Ein möglicher Erklärungsansatz für Long Covid nach der Impfung ist Schieffer zufolge das Spike-Protein des Coronavirus. Es ist dafür verantwortlich, dass das Virus an der Zelle andocken kann – um diese dann zu befallen. Schieffer vermutet, so berichtet Quarks, dass in seltenen Fällen das Spike-Protein aus der Impfung mit einer Vorbelastung zusammenwirkt, zum Beispiel durch eine unerkannte Autoimmunerkrankung. Dadurch könnte eine Fehlreaktion im Körper der Betroffenen ausgelöst werden. Dem Experten zufolge komme das allerdings deutlich seltener vor als Long Covid nach einer Infektion – etwa 100-fach seltener.
Impfung schützt grundsätzlich vor schweren Verläufen
Eine andere These zur Entstehung der Symptome ist, dass die Impfung bei manchen Menschen eine schlummernde Virusinfektion aufweckt. Grundsätzlich empfehlen Wissenschaftler:innen und Expert:innen weiterhin die Impfung, da sie vor schweren Krankheitsverläufen und dem Tod bewahren kann.
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