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Lucky Strike Change: Endlich eine grüne Zigarette?

Lucky Strike wirbt mit Zigaretten ohne Folie und mit Papierfilter.
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Weniger Plastik, Papierfilter und sogar ein Unverpackt-Mobil: Lucky Strike rührt gerade kräftig die grüne Werbetrommel. Aber lassen sich Rauchen und Nachhaltigkeit wirklich miteinander vereinen? Eher nicht. Ein Kommentar.

Ab 2022 soll es keine Plakatwerbung für Zigaretten mehr geben. Doch noch ist 2021, und das nutzt die Zigarettenmarke Lucky Strike mächtig aus.

Spaziergänger:innen, die durch München (und bestimmt auch andere Städte) schlendern, begegnen an jeder Ecke Abbildungen von Kippenpäckchen in zig-facher Lebensgröße. Die Firma Lucky Strike präsentiert darauf stolz die neueste Sortimentsergänzung im ebenfalls neuen Design. 50 Prozent der Schachtel nehmen die gewohnten Abschreckbilder ein, die übrige Hälfte ein großer grüner Erdball mit Pfeil und Aufschrift „Lucky Strike Change“. Eine irgendwie skurrile Kombination, vielleicht gerade weil die typischen „Öko“-Symbole inzwischen so stark mit einem gesunden und bewussten Lebensstil assoziiert werden. Aber vielleicht hängt das auch von der / dem Betrachter:in ab.

Woraus besteht der „Change“ bei Lucky Strike? Die zwei neuen Sorten „Change Dark Green“ (mild) und „Change Green“ gibt es ohne Folie, und dafür mit Papierfilter zu kaufen.

Ist Rauchen jetzt grün? Oder bloß grüngewaschen?

„Aha“, dachte ich mir im Vorbeigehen. „Rauchen ist jetzt also grün“. War ja nur eine Frage der Zeit. Und gleich zwei Sorten gibt es jetzt ohne Plastikfolie: Glückwunsch! Doch ein zweiter Blick auf das Plakat ließ mich innehalten. Papierfilter – das klingt eigentlich nach einer guten Idee. Denn normale Zigarettenfilter bestehen aus einem Bio-Kunststoff (Celluloseacetat), der aber mehrere Jahre brauchen kann, um sich zu zersetzen. Aus den achtlos weggeschnippten Kippen entsteht also erst Müll, dann Mikroplastik – und in der Menge ein riesiges Umweltproblem. Frankreich hat wegen des Zigarettenmülls auf den Straßen übrigens unlängst Hersteller zur Kasse gebeten. Auch in Deutschland verursachen weggeworfene Kippen laut dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) Entsorgungskosten von jährlich rund 225 Millionen Euro.

Zigaretten mit gutem Gewissen wegschnippen gibt es nicht

Landen Zigaretten nicht im Aschenbecher, werden sie zum Umweltproblem.
Landen Zigaretten nicht im Aschenbecher, werden sie zum Umweltproblem. (Foto: CC0 Public Domain – Pixabay/ analogicus)

Zigarettenmüll auf den Straßen vermeiden, das hat trotz Warnschildern und Mülleimern bisher nicht so richtig funktioniert. Hat Lucky Strike die Lösung für unser Umweltproblem?

Papier ist ja bekanntlich biologisch abbaubar und lässt sich sogar recyceln. Vielleicht hat sich Lucky Strike deshalb im Design auch für die Kugel mit Pfeil entschieden, die entfernt an ein Recyclingsymbol erinnert. Doch gerade recyceln lassen sich die Filter von Lucky Strike nicht – zumindest nicht nach unserer Definition – sondern nur die Verpackung. Das Kleingedruckte auf dem Plakat (zugegebenermaßen im Verhältnis zur Plakatgröße gar nicht so klein gedruckt) verrät, dass man auch Luckies Change im Restmüll entsorgen muss. Dort werden sie wahrscheinlich verbrannt. Was in Deutschland als „thermische Verwertung“ anerkannt wird, aber eben nicht bedeutet, dass neue Papierprodukte daraus entstehen. Das wäre ohnehin problematisch, den auch wenn die Filter auf Papier basieren und kein Celluloseacetat enthalten (das haben wir uns durch Nachfrage bestätigen lassen), dienen sie ja dazu, Schadstoffe in sich zu binden.

Und diese Schadstoffe können nicht nur der Umwelt schaden, sondern auch Tieren zum Verhängnis werden – zum Beispiel, wenn sie die Stummel mit Nahrung für ihre Jungen verwechseln. Außerdem baut sich Papier nicht automatisch schnell in der Natur ab. Zeitungen brauchen zum Beispiel ein bis drei Jahre, um sich völlig zu zersetzen. Bei den Papierfiltern der neuen Luckies kann es Monate bis Jahre dauern, wenn diese nicht fachgerecht entsorgt werden – das hat uns der Hersteller auf Anfrage verraten. Sorgenlos Kippen in der Umwelt abladen ist also nicht, auch nicht mit Papierfiltern.

Besonders skurril: „Grüne“ Marketingcampagne für Zigaretten

Zum Launch von Lucky Strike Change hat der Hersteller übrigens eine Werbeaktion veranstaltet und dabei einen Grünstreifen in Hamburg aufgeräumt. Dazu gab es neben Zigarettensamples auch unverpackte Zahnpasta sowie ähnliche Produkte. Und wer wollte, durfte noch ein paar Blümchen sähen, für die Insekten.

Zu der Aktion schreibt Lucky Strike auf der Website: „Auch wenn unser Unverpackt-Mobil abgefahren ist, die verschönten Grünflächen bleiben und symbolisieren den Spirit der Luckies CHANGE“. Und trifft damit ungewollt den Nagel auf den Kopf: Die Frage ist, wie lange die Grünflächen so bleiben. Und wie schnell, anstelle von Blumensamen, Zigarettenstummel darauf niederrieseln – wie das bei Grünflächen in Städten leider oft der Fall ist.

Utopia meint: Den Satz „Rauchen ist ungesund“ können Raucher:innen wahrscheinlich nicht mehr hören. Ist ja auch einfach für Nicht-Betroffene, mit dem erhobenen Zeigefinger vor ihnen rumzuwedeln. Wie viel dazu gehört, mit dem Rauchen aufzuhören, das wissen nur Menschen, die es schon einmal versucht haben.

Und es ist verständlich, dass Menschen damit kämpfen, ihre Sucht aufzugeben. Für diese Personen, die eigentlich nicht mehr rauchen wollen, produzieren Zigarettenhersteller seit Jahren vermeintlich gesündere (oder eben grünere) Alternativen zu klassischen Tabakprodukten. Aber ob Papierfilter die Lösung sind? Oder Produkte mit „reduziertem Krebsrisiko“? Jemand, der wirklich mit der Sucht kämpft, wird zumindest daran glauben wollen – selbst wenn ihr / ihm auf riesigen Plakaten eine Alternative vorgegaukelt wird, die eigentlich keine ist.

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