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Schokoladengenuss? Der bittere Beigeschmack bei Mars und Lindt

Schokolade Lindt
Foto: CC0 / Unsplash - Tetiana Bykovets (Symbolbild) // Chocoladenfabriken Lindt & Sprüngli AG

Mars und Lindt zählen zu den weltweit größten Schokoladenproduzenten. Recherchen werfen beiden Firmen Kinderarbeit vor. Videoaufnahmen zeigen Minderjährige, die Macheten schwingen und schwere Säcke voller Kakao schleppen.

Recherchen von CBS News und des SRF haben unabhängig voneinander über Kinderarbeit in der Schokoladenproduktion berichtet. CBS News untersuchte derartige Fälle bei Mars Incorporated, das hinter vielen bekannten Marken wie Mars, Snickers, Bounty, Milky Way und M&M’s steckt.

Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) sah sich die Produktionsbedingungen der Schweizer Hersteller Lindt & Sprüngli genauer an, bei dessen Kakao-Ernte es ebenfalls zu Kinderarbeit komme, wie es heißt.

SRF stößt auf Kinderarbeit bei Lindt

Im Januar veröffentlichte das SRF einen Beitrag mit dem Titel „In Schweizer Schoggi steckt Kinderarbeit“. Journalist:innen der Sendung „Rundschau“ untersuchten Kakaoplantagen rund um die ghanaische Kleinstadt Tepa und seien dort auf mehrere Fälle von Kinderarbeit in Lindts Lieferkette gestoßen.

Kinder würden als billige Erntehelfer:innen eingesetzt, und versäumten so den Schulunterricht, berichtet ein Lehrer vor Ort. Laut SRF müssen sogar Fünfjährige schwere Säcke schleppen.

Lindt selbst äußerte sich gegenüber dem SRF wie folgt: „Die Bekämpfung von Kinderarbeit erfordert Bemühungen von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, lokalen Institutionen, Schulen und Bauern.“

Lindt hat laut eigenem Nachhaltigkeitsbericht bei über 8000 Besuchen seiner Zulieferer 87 Fälle von Kinderarbeit aufgedeckt. Doch der ghanaische Journalist Kwetey Nartey hält dies dem SRF zufolge für „lächerlich wenig“. Die Überwachung durch Lindt sei unzureichend, so Nartey.

Laut SRF ist der Rohstoffkonzern Ecom verantwortlich für Lindts Programm gegen Kinderarbeit. Doch ein Ecom-Mitarbeiter erhebt in dem Bericht einen schweren Vorwurf: Nicht zertifizerter Kakao werde im Depot mit dem zertifizierten Kakao von Lindt zusammengemischt. „Da gibt es Leute im Depot, die Etiketten anbringen und so aus nicht-zertifiziertem Kakao zertifizierten machen“, behauptet der Mitarbeiter. Verifizieren kann der SRF den Vorwurf nicht. Ecom habe dem Sender untersagt, dort zu filmen, wo der Lindt-Kakao gelagert ist.

CBS News fand Kinderarbeit auch bei Mars

CBS News hatte bereits im November 2023 eine Reportage veröffentlicht, die ähnliche Missstände zeigte. Der Sender begab sich nach Ghana und besuchte dort einige Plantagen, von denen Mars seinen Kakao beziehe. Auf jeder einzelnen davon seien die Journalist:innen auf Kinderarbeit gestoßen.

Außerdem habe CBS News eine Liste von einem Whistleblower erhalten. Das Dokument soll eigentlich Kinder auflisten, die erfolgreich von Kakaoplantagen ferngehalten wurden und zur Schule gehen. Doch dem Whisteblower zufolge würden einige der dort gelisteten Minderjährigen weiterhin auf den Plantagen arbeiten. Andere hingegen sind laut dem US-Sender frei erfunden.

Vor Ort sprach CBS mit einem anonymen Aufseher der Kakaofelder. Er bestätigte den Journalist:innen: „Fast alle Daten sind verfälscht oder nicht korrekt. Niemand kommt her und prüft, ob sie wahr sind oder nicht.“ Er selbst habe sich bereits Listen ausgedacht. Laut CBS News stehen er und andere Personen in vergleichbaren Positionen unter Druck, Namen zu liefern, ohne dass diese kontrolliert würden.

Der Sender suchte zudem eine Schule auf, in der 300 Schüler:innen registriert waren. Doch nur ein Drittel davon komme tatsächlich in den Unterricht, heißt es. Alle Schüler:innen hätten gesagt, sie ernteten vor oder nach der Schule Kakao. Deshalb brächten die Kinder ihre Macheten sogar mit in die Schule, wie die Aufnahmen bestätigen.

CBS News bat Mars laut eigenen Angaben mehrfach um ein Interview, doch der Konzern lehnte ab. In einer Stellungnahme an den Sender verurteilt das Unternehmen Kinderarbeit und schreibt: „Wir nehmen jeden Vorwurf von Fehlverhalten in der Lieferkette sehr ernst und werden ihn gründlich untersuchen, sobald wir die notwendigen Informationen haben, und dann angemessen handeln.“ Bis 2025 wolle das Unternehmen ein System einführen, das Kinderarbeit in der Lieferkette verhindern soll.

Höhere Löhne gefordert

Die Kakaobäuerin Lucy Ajubie erklärt im SRF-Beitrag: „Das Leben ist hart, ich habe kein Geld muss mich verschulden.“ Deshalb könne sie keine erwachsenen Farmarbeiter:innen anstellen und müsse sich „auf die Kinder verlassen“. Sowohl das SRF als auch CBS News kommen zu dem Schluss, dass die niedrigen Löhne beim Kakaoanbau eine der Hauptursachen für das hohe Vorkommen von Kinderarbeit seien.

„Bei einer Sache sind sich viele Brancheninsider einig“, erklärt CBS-Reporterin Debora Patta. Eine der wirkungsvollsten Maßnahmen im Kampf gegen die Kinderarbeit sei es, „den Bäuerinnen und Bauern mehr für ihren Kakao zu bezahlen, damit sie ihre Kinder in die Schule schicken können anstatt zur Arbeit auf die Kakaofarmen“.

Schreiten deutsche Behörden ein?

Mars und Lindt sind auch in Deutschland aktiv. Laut ZDF besitzen beide Firmen deutsche Standorte mit mehr als 1000 Angestellten. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) könnte deshalb aktiv werden und mögliche Verstöße gegen das deutsche Lieferkettengesetz sanktionieren. Auf Nachfrage des ZDF antwortet das BAFA, es gehe grundsätzlich auch „Hinweisen von außen“ nach. Die Behörde mache aber keine Angaben zu einzelnen Unternehmen. Auch Mars und Lindt gaben dem ZDF keine Auskunft, ob sie vom BAFA aufgrund der Vorwürfe bereits konfrontiert wurden.

Verwendete Quellen: CBS, SRF, Lindt & Sprüngli, ZDF

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