E-Auto-Batterien, deren Herstellung die Meere bedroht, Windräder, die geschützte Vögel gefährden – viele Klimaschutzmaßnahmen scheinen auf den ersten Blick auf Kosten der Artenvielfalt zu gehen. Doch können Artenschutz und Klimaschutz auch Hand in Hand funktionieren?
Zwei Drittel der weltweit formulierten Ziele zum Erhalt der Biodiversität helfen auch bei der Bekämpfung des Klimawandels. Diese Erkenntnis gewann ein internationales Team von Wissenschaftler:innen bereits vor zwei Jahren. Andersherum funktioniert das Prinzip jedoch nicht: Nicht alle Maßnahmen, die sich gegen den Klimawandel richten, nützen auch dem Artenschutz. Sie können sogar schaden, argumentieren manche Menschen. Zum Tag der Artenvielfalt schaut sich Utopia einige dieser Maßnahmen genauer an. Können Umweltschutz und Artenschutz gemeinsam funktionieren oder stehen sie sich im Weg?
Erneuerbare Energien verdrängen oft wild lebende Arten
Für den Bericht „Biodiversität und Klimawandel“ trugen Expert:innen des Weltklimarats IPCC und des Weltbiodiversitätsrats IPBES Schnittpunkte zwischen Artenschutz und Klimaschutz zusammen. Besonders beim Thema Erneuerbare Energien komme demnach der Artenschutz oft zu kurz.
Windkraft: Der Schutz bestimmter Arten wird von Bürgerbewegungen gerne als Argument gegen Windkraftanlagen genutzt. Tatsächlich können Windräder Zug- oder Flugvögel sowie Fledermäuse massiv beeinträchtigen, heißt es im Bericht. Die Sterblichkeitsrate an einigen Standorten sei dadurch sogar ähnlich hoch wie bei Autobahnen oder Industrieanlagen. Es wurde außerdem festgestellt, dass Offshore-Turbinen beispielsweise die Fischverteilung verändern können. Auch künstliche Riffe können dadurch entstehen, was sich sowohl positiv als auch leicht negativ auf die biologische Vielfalt auswirkt. Der Nabu sieht das Problem jedoch nicht bei Windenergie per se – oftmals läge es an der Planung. So würden bestimmte Tierarten gefährdet, weil Gesetze und Vorschriften nicht berücksichtigt würden, heißt es auf der Website.
Solarenergie: Solarkraftwerke benötigen ab einer bestimmten Größe auch große Landflächen. Zu diesem Zwecke würden oft Rodungen durchgeführt, bei denen natürliche Lebensräume zerstört werden können und die Bewegungsfreiheit wild lebender Tierarten eingeschränkt wird, hielten Expert:innen des IPCC und IPBES fest.
Artenschutz und Klimaschutz vereinen: Ideen dafür gibt es
Dafür gibt es eine Lösung: Integrierte Solaranbau- oder Weidesysteme können zu einer Doppelnutzung von Land führen. So müssen weniger neue Flächen für Solarenergie umgestaltet werden. Im Bericht heißt es außerdem, es seien bereits positive Effekte auf benachbarte Felder beobachtet worden, wenn unter den Solarpanelen Lebensraum für Bestäuber geschaffen wurde. Eine Möglichkeit wäre außerdem, Agrarflächen zu Solarfeldern umzugestalten. Gelingen kann das allerdings nur, wenn der Fleischkonsum reduziert wird und so zahlreiche Flächen, die aktuell dem Futteranbau dienen, frei würden. Davon würde das Klima gleich in doppelter Hinsicht profitieren – und auch der Artenschutz käme nicht zu kurz.
Wichtig festzuhalten ist beim Thema Energiewende auch: Der Bedarf von Ressourcen und Flächen, die für Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen benötigt werden, ist laut den Expert:innen des IPCC und IPBES deutlich höher als der von Solaranlagen. Zudem sind fossile Energien aufgrund ihrer Rolle für den Klimawandel und die Luftverschmutzung eine Gefahr für viele Lebewesen.
Eingriff in die Natur für die Verkehrswende
Verkehr: Der Bau von Bahngleisen geht oft mit einem Eingriff in die Natur einher: Bäume werden gefällt, das Verhalten von Flora und Fauna massiv beeinträchtigt. Ähnliches gilt beispielsweise auch für den Bau von Fahrradwegen. Noch größer wird der Eingriff, wenn Unternehmen wie Tesla aktuell ganze Waldflächen für den Bau von Fabriken roden wollen. Dennoch steht das in keinem Vergleich zu den Flächen, die für Straßen versiegelt wurden und immer noch werden.
Den Ausbau der Gleise unterstützen deshalb auch immer mehr Naturschutzverbände und bringen im Dialog ihre Forderungen zum Schutz der Natur ein, um so der Umwelt mit der Verkehrswende langfristig etwas Gutes zu tun. Die Deutsche Bahn untersucht außerdem Flora und Fauna an Bahngleisen, um zu verstehen, inwiefern die Gleise die natürlichen Verhaltensweisen verändern. Das solle auch die künftigen Baumaßnahmen beeinflussen, teilt das Unternehmen auf der Website mit.
Umweltschädliche Gewinnung kritischer Rohstoffe
Abbau kritischer Rohstoffe: Für den Akku von E-Autos, aber auch für Windräder und Solarenergie werden in der Herstellung kritische Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt benötigt. Der Abbau der Rohstoffe erfolgt in Minen, für deren Schächte hektarweise Wald abgeholzt wird. Flora und Fauna verlieren so ihren Lebensraum. Gleiches gilt für das Leben in den Flüssen, denn beim Auswaschen der Mineralien gelangen auch Schwermetalle in die Gewässer. Der Tiefseebergbau gefährdet außerdem ganze Ökosysteme, weil die Auswirkungen auf das Leben im Meer oft noch wenig bekannt sind.
Utopia meint
Klimaschutz und Artenschutz müssen keine Konkurrenten sein – es braucht kein Entweder-oder. Denn beides ist eng miteinander verwoben. Flora und Fauna tragen maßgeblich zur Gesundheit unseres Planeten bei. Und wenn wir die Erderwärmung nicht bremsen, werden zahlreiche Tier- und Pflanzenarten für immer aussterben. Es wäre also dringend nötig, dass Gesetzgeber und Unternehmen sich um Lösungen bemühen, die beides vereinen – Ideen dazu gibt es. Und manchmal lohnt es sich auch völlig umzudenken und statt auf Tiefseebergbau eher auf Recycling und weniger Konsum zu setzen. Sicherlich gibt es auch Probleme, bei denen sich das Dilemma nicht auflösen lässt – ein bisschen genauer hinzuschauen, würde sich jedoch trotzdem lohnen.
Verwendete Quellen: Helmoltz Zentrum für Umweltforschung, IPBES, Die Debatte, Nabu, Redaktions Netzwerk Deutschland, Süddeutsche Zeitung, Zeit, Deutsche Bahn
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