Vor 50 Jahren stand Nestlé wegen der Werbung für Babymilchpulver in Entwicklungsländern am Pranger. Die Werbepraxis ist längst Vergangenheit, aber nun gibt es Kritik am Zuckergehalt.
Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé steht wegen Babynahrung in der Kritik. Nach einer Analyse der Schweizer Organisation Public Eye, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte durch Unternehmen mit Sitz in der Schweiz einsetzt, setzt das Unternehmen Babynahrung in manchen Ländern Zucker zu. Betroffen seien Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen – westliche Länder wie Deutschland dagegen nicht.
„Nestlé macht Babys und Kleinkinder in einkommensärmeren Ländern zuckersüchtig„, heißt es in dem Bericht, der einen Tag vor der Generalversammlung der Nestlé-Aktionäre am Donnerstag veröffentlicht wurde. Public Eye forderte Nestlé am Mittwoch auf, „die Doppelmoral“ zu beenden. Nestlé stritt die Ergebnisse der Laboranalysen auf Nachfrage nicht ab.
Zuckerzusatz in Nestlé-Babynahrung: Diese Länder sind betroffen
Public Eye und das Internationale Aktionsnetzwerk zur Säuglingsnahrung (IBFAN) haben die Nestlé-Getreidebrei- und Milchpulvermarken Cerlac und Nido in einem belgischen Labor untersuchen lassen. Insgesamt wurden fast 150 Produkte analysiert. Die Marken werden in Asien, Afrika und Lateinamerika als „gesund für Kinder“ beworben, in Europa sind sie nur in einigen Ländern zu haben, teils unter anderen Namen.
Den NGOs zufolge enthielten Proben aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien keinen Zuckerzusatz. In Proben aus Ländern wie Bangladesch, Indien, Pakistan, Südafrika, Äthiopien und Thailand seien aber zwischen 1,6 und 6,0 Gramm Zucker pro Portion zugesetzt gewesen. Im schlimmsten Fall entspricht das mehr als einem Stück Würfelzucker, das 4 Gramm wiegt.
Auch in Getreideprodukten für Babys fand das Labor viel Zucker. Teilweise werden diese auch in Europa verkauft. Dazu sagt Nestlé: „Wir entwickeln und reformulieren unsere Getreideprodukte für Säuglinge weiter, um den Gehalt an zugesetzten Zuckern weiter zu reduzieren, ohne Kompromisse bei Qualität, Sicherheit und Geschmack einzugehen. In manchen Ländern in Europa gibt es Produkte ohne Zuckerzusatz, zusätzlich zu den herkömmlichen Produkten mit Zuckerzusatz.“
Außerdem erklärte der Konzern gegenüber der Nachrichtenagentur AWP, Baby- und Säuglingsnahrung sei eine „stark regulierte Produktgruppe“, man halte sich weltweit an „lokale Vorschriften“ oder „internationale Standards“. In den vergangenen Jahren habe Nestlé die Menge an zugesetztem Zucker insgesamt weltweit um elf Prozent reduziert und aus den Nido-Produkten solle Zucker „nach und nach“ gestrichen werden.
Nestlé schon in 1970ern in Kritik wegen Babymilchpulver
Ernährungsexpert:innen sagen, wenn Kinder früh an den Zuckergeschmack gewöhnt werden, greifen sie meist auch später vermehrt zu zuckerhaltigen Produkten. Das könne zu Fettleibigkeit führen oder Krankheiten wie Diabetes begünstigen. Nestlé war in den 1970er-Jahren schon in der Kritik, weil es in Entwicklungsländern für Babymilchpulver warb. Viele Mütter dachten, dies sei gesünder als ihre eigene Muttermilch. Weil vielerorts kein sauberes Wasser zur Verfügung stand, brachte es Babys aber in Gefahr.
Seit Langem betont das Unternehmen aber: „Wir unterstützen die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), für die ersten sechs Lebensmonate eines Babys ausschließlich zu stillen.“
Weitere Quellen: AWP
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