Mit dem Start der Fahrradsaison sind auch wieder mehr Menschen mit Pedelecs unterwegs – Räder, die zuletzt wegen steigender Unfallzahlen für Aufsehen sorgten. Was sind die Ursachen dafür?
Auf deutschen Straßen sind sie längst keine Seltenheit mehr, in polizeilichen Unfallmeldungen auch nicht: Fahrräder mit Elektromotoren, die bis zu einem Tempo von 25 Kilometer pro Stunde beim Treten unterstützen. Die korrekte Bezeichnung für diese Räder lautet Pedelecs. In der Umgangssprache hat sich aber der Begriff E-Bike durchgesetzt, der eigentlich Fahrräder bezeichnet, die auf Knopfdruck komplett ohne Pedalunterstützung fahren. Die Zahl der Unfälle mit Pedelecs, bei denen es Verletzte gab, ist zuletzt stark gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt hat sie sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verzehnfacht. Doch woran liegt das? Welche besonderen Risikofaktoren gibt es bei den Rädern? Und warum enden sie häufiger tödlich als mit normalen Fahrrädern?
Wie viel Pedelecs genutzt werden
Als einen Grund für den Unfall-Anstieg nennt das Statistische Bundesamt die gestiegene Beliebtheit der Pedelecs. Während es 2014 demnach in nur 3,4 Prozent der privaten Haushalte in Deutschland mindestens ein solches Rad gab, traf das 2022 auf 15,5 Prozent der Haushalte zu.
Aber nicht nur der Pedelec-Verkehr, auch der Radverkehr insgesamt habe zugenommen, sagt die Leiterin der Unfallforschung der Versicherer (UDV), Kirstin Zeidler: „Auf den Radverkehrsanlagen, wie man so schön sagt, ist es voller geworden.“ Sie seien in den vergangenen Jahren viel stärker genutzt worden, „aber nicht in gleichem Maße mitgewachsen“. Unfälle ließen sich dementsprechend vermeiden, wenn die Radinfrastruktur verbessert würde, insbesondere an Kreuzungen und Ein- und Ausfahrten. Diese Unfallschwerpunkte würden sich bei Pedelecs und klassischen Fahrrädern nicht groß unterscheiden.
Die Bundesgeschäftsführerin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Caroline Lodemann, nennt darüber hinaus auch einen Faktor, der auf Unterschiede in der Nutzung von Fahrrädern mit und ohne elektrische Unterstützung beim Treten verweist: „Pedelecs werden über längere Wegstrecken und auch häufiger genutzt als normale Fahrräder. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls.“
Hohes Alter erhöht Risiko für schwere Unfälle
Was für eine Rolle spielt das Alter für das Unfallrisiko bei Pedelecs? Fest steht: Der Anteil der jüngeren Menschen, die mit den Rädern verunglücken, steigt. 2023 war fast jeder dritte mit dem Pedelec Verunglückte laut Statistischem Bundesamt jünger als 45 Jahre, 2014 war es jeder neunte.
Zeidler sieht die Ursache für steigende Unfallzahlen bei den Jüngeren in der stärkeren Verbreitung von Pedelecs unter ihnen. Eine Untersuchung der UDV, die bei der Berechnung des Unfallrisikos auch die Anzahl der gefahrenen Kilometer berücksichtigt, ermöglicht außerdem einen Vergleich zum klassischen Rad. 18- bis 34-jährige Pedelec-Fahrer:innen haben demnach ein deutlich höheres Risiko, an einem Unfall beteiligt zu sein, als Gleichaltrige auf Rädern ohne elektrische Unterstützung. „Junge Erwachsene können die Maximalleistung des Pedelec ausnutzen, um möglichst schnell zu fahren“, erläutert Zeidler. „Zudem könnten sie ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen.“
Auch bei Personen ab 80 Jahren ist das Risiko, an einem Unfall beteiligt zu sein, laut der Untersuchung mit Pedelec höher als mit klassischem Rad. Pedelec-Fahrer:innen sind nach Angaben des Rechtsreferenten des ADFC, Roland Huhn, im Schnitt älter als alle Radfahrer:innen insgesamt betrachtet. Das erkläre, warum Pedelec-Unfälle mit Verletzten häufiger tödlich endeten als solche mit Rädern ohne elektrische Unterstützung. Denn bei älteren Menschen sei das Risiko von schweren oder tödlichen Unfällen größer.
Geschwindigkeit, Beschleunigung und Gewicht
In das Unfallgeschehen spielen Zeidler zufolge immer mehrere Faktoren rein: Der Mensch – etwa wie geübt er ist und wie sicher er fährt –, die Verkehrsinfrastruktur und das Fahrzeug. „Das Pedelec bringt potenziell eine höhere Geschwindigkeit und eine höhere Beschleunigung sowie ein größeres Gewicht mit“, sagt sie. Damit steige auch die Wahrscheinlichkeit für einen Unfall oder einen potenziell schweren Unfall. „Das Risiko wird leicht unterschätzt.“
Mit einem schweren Bike sei zum Beispiel plötzliches Ausweichen schwieriger und die Gefahr, ins Strudeln zu kommen oder zu stürzen, höher als bei einem leichteren Fahrrad, das man schneller wieder in den Griff bekomme. „Insofern spielen das Gewicht des Rades und die Frage, ob Fahrende es beherrschen oder nicht, eine Rolle“, erklärt die UDV-Leiterin.
Tatsächlich kommt es auf dem Pedelec ihren Angaben nach verglichen mit dem klassischen Rad häufiger zu Alleinunfällen, bei denen die Fahrer:innen die Kontrolle verlieren und stürzen, „ohne dass Dritte beteiligt sind“. Durch Untersuchungen wüssten sie zudem, dass Pedelec-Fahrende schneller unterwegs seien. Was für Geschwindigkeiten zum Zeitpunkt eines Unfalls vorliegen – dazu gibt es laut Zeidler allerdings keine konkreten Daten.
Empfehlungen für einen sichereren Pedelec-Verkehr
Um Unfallanalysen besser durchführen zu können, spricht sie sich für eine bessere Datenbasis rund um Pedelecs aus. Für mehr Sicherheit beim Fahren der Räder hält Zeidler außerdem eine stärkere Verknüpfung von Muskelkraft und Motorunterstützung für sinnvoll: „Das heißt: Bei starker Muskelkraft kann auch die Motorunterstützung stärker werden.“ Bei weniger kräftigen Fahrer:innen würde der Motor dagegen weniger unterstützen, sodass nur Geschwindigkeiten wie auf dem klassischen Fahrrad erreicht würden. „Das würde Unfallrisiken und schwere Verletzungen reduzieren, gerade bei Älteren“, sagt sie.
Wer überlegt, sich ein Pedelec zu kaufen, dem rät die UDV-Leiterin, sich im Handel beraten zu lassen. Denn es gebe ganz unterschiedliche Pedelecs. Anschließend lautet Zeidlers Tipp: unbedingt Helm tragen und sich mit dem Gerät vertraut machen. Eine Möglichkeit dazu sind Fahrsicherheitstrainings, die auch Lodemann empfiehlt. „Aber das Wichtigste ist und bleibt gute Radinfrastruktur“, betont die Bundesgeschäftsführerin des ADFC. Im ganzen Land bräuchte es durchgängige, breite und sichere Radwege sowie eine konsequente Verkehrsberuhigung.
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