Recycling alleine sei nicht die Lösung der Plastikkrise schreibt Greenpeace in einem Bericht. Stattdessen könnte das Recyceln von Kunststoff der Umwelt sogar mehr schaden. Deswegen fordert die Umwelt-NGO ein rechtsverbindliches Abkommen.
In einem neuen Bericht warnt die Umweltschutzorganisation Greenpeace davor, der Plastikkrise nur mit Recycling zu begegnen. Stattdessen müsse die Kunststoffproduktion drastisch reduziert werden. „Forever toxic: The Science on Health Threats from Plastic Recycling“ heißt der Titel des Berichts, der 22 Seiten umfasst. Die Hauptbotschaft: Gerade einmal neun Prozent des Kunststoffs weltweit werden überhaupt recycelt. Zu diesen Ergebnissen kommt Greenpeace durch die Auswertung von Studien und anderen wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Außerdem: Die Stoffe könnten nach dem Recycling-Prozess sogar giftiger sein als vorher.
Menschen leiden unter giftigen Dämpfen
Dass das Recycling negative Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt haben kann, belegen viele im Bericht angeführte Studien. Eine Studie von 2015 befasste sich mit Arbeiter:innen, die in Werkstätten zum Recyceln von Kunststoffen arbeiten. Das Ergebnis: Die freigesetzten Stoffe im Recyclingprozess stellen ein erhebliches Gesundheitsrisiko für sie dar.
Menschen, die nahe von Verbrennungsanlagen leben, entwickelten Atembeschwerden durch die giftigen Dämpfe, wie Human Rights Watch in einem Bericht von 2017 dokumentierte.
Darum befinden sich giftige Stoffe in Recycling-Plastik
Wie Greenpeace in dem Bericht darlegt, befinden sich teilweise bereits giftige Chemikalien in neu produziertem Kunststoff, die eben nach dem Recycling in den recycelten Kunststoff übergehen kann. Ebenfalls geraten giftige Stoffe in recyceltes Plastik, wenn es in direkten Kontakt mit Schadstoffen kommt. Zum Beispiel wenn Plastikbehälter mit Pestiziden, Reinigungsmitteln und anderen giftigen Chemikalien in Verbindung kommen.
Neue giftige Stoffe können entstehen, wenn Kunststoffe erhitzt werden. Demnach können sich bromierte Dioxine – ein Nebenprodukt bei Verbrennungsprozessen – bilden, wenn Kunststoffe recycelt werden, die bromierte Flammschutzmittel enthalten. Diese Mittel dienen laut dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nuklearer Sicherheit und Verbraucherschutz dazu, die Verbrennung von Stoffen, wie eben Plastik, aber auch Holz, aufzuhalten.
Auch werden laut Greenpeace bei der Verbrennung von Kunststoff Stabilisatoren verwendet, die sich zu einer hochgiftigen Substanz abbauen kann. Diese finden sich dann ebenfalls in recyceltem Kunststoff wieder.
Durch Recycling entsteht Mikroplastik, das in die Meere gelangt
Auch der Umwelt schade das Recycling von Plastik, resümiert der Greenpeace-Bericht. Beim Recyceln wird der Kunststoff zerkleinert, wodurch Partikel von Mikroplastik ihren Weg in die Umwelt finden können – insbesondere in die Meere. Die darin lebenden Tiere leiden darunter. Immer mehr Mikroplastik finden Forscher:innen in den Verdauungssystemen von Meerestieren und Seevögeln.
Eine Studie der University of Strathclyde in Glasgow hat Abwasserproben einer hochmodernen Recyclinganlage an einem unbekannten Standort im Vereinten Königreich untersucht. Pro Kubikmeter Abwasser könnte die Anlage bis zu 75 Milliarden Kunststoffpartikel freisetzen, schätzen die Wissenschaftler:innen. Obwohl die Anlage laut Studie einen Filter installiert hat, um Mikroplastik auszuhalten. 13 Prozent des verarbeiteten Kunststoffes machten demnach das im Wasser freigesetzte Mikroplastik aus.
Brände in Recyclinganlagen setzen giftige Chemikalien frei
Auch Brände können in den Recycling-Anlagen entstehen. Zu 390 Bränden in Kunststoffrecycling- und Abfallanlagen kam es laut Bericht allein 2022 in den USA und Kanada. Durch die Brände können luftverschmutzende Chemikalien in die Umwelt gelangen.
Ein Artikel des Onlinemagazins Time News kommt zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Brände in der Türkei zwischen 2019 und 2021 drastisch anstieg: von 33 auf 121, in zwei Jahren. Statistisch brannte dort also 2021 jeden dritten Tag eine Anlage zum Recyceln von Kunststoff.
Kunststoffverbrauch weltweit kann sich bis 2060 verdreifachen
Dennoch setzen zu viele Unternehmen auf Verpackungen mit recyceltem Plastik und verkaufen dies als Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit, kritisiert Greenpeace in seinem Bericht. Zu diesen Firmen zählen demnach Nestlé, Unilever und Coca-Cola.
Den Kunststoffverbrauch zu reduzieren schaffen sie nicht, schreibt die NGO. Stattdessen verbrauchen manche sogar mehr Plastik. Deswegen rechnet Greenpeace nicht mit einem geringeren Verbrauch von Plastik in den kommenden Jahrzehnten.
Stattdessen könnte sich, so die Prognose der NGO, der Verbrauch von Kunststoff bis 2060 sogar verdreifachen. Der recycelte Anteil mache nur einen kleinen Teil aus, heißt es im Bericht. Deswegen sei es unmöglich die Verschmutzung der Umwelt zu beenden ohne weniger Kunststoff zu produzieren, resümiert Greenpeace.
UN verhandeln um Plastik-Abkommen
Deswegen fordert die NGO ein rechtsverbindliches und effektives Plastikabkommen von den Vereinten Nationen (United Nations, kurz UN). Zudem fordert Greenpeace höhere Standards in Recyclinganalagen und für den Schutz der Arbeiter:innen dort.
Seit 2022 verhandeln die UN bereits über ein globales Plastikabkommen. Es soll ein Ende zur globalen Plastikverschmutzung setzen. Eine Absichtserklärgung haben die Mitgliedsstaaten bereits unterschrieben.
Vom 29. Mai bis zum 2. Juni verhandeln sie erneut. Gelänge ihnen ein solches Abkommen, wäre dies das erste große Umweltabkommen der UN seit dem Pariser Klimavertrag, so die Zeit.
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