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Obszöne Geräusche statt Genderpause: Nuhr rotzt gegen sprachliche Veränderungen

Dieter Nuhr im Ersten übers Gendern.
Screenshot: Das Erste / Dieter Nuhr Jahresrückblick

Lehrer, Lutscher und Bohrer – Wörter, die Dieter Nuhr niemals gendern würde. Besonders ein Problem hat er mit der Pause beim Sprechen vor dem -innen. Sein Lösungsvorschlag stößt im Publikum auf Jubel, im Netz aber auf Unverständnis.

Bei Dieter Nuhrs Jahresrückblick am Dienstagabend im Ersten ging es sehr viel um die Corona-Pandemie und die Zurückhaltung mancher Deutschen beim Impfen. Gegen Ende der Sendung packt er die Gender-Debatte aus und trifft bei seinem Publikum auf begeisterte Zustimmung.

Nuhr will rotzen statt gendern

Das Gendern hätte sich behauptet und man müsse nun so genau aufpassen, was man sagt. „In diesem Jahr hat es sich wirklich durchgesetzt. Gegen den Willen der Mehrheit“, bemäkelt Nuhr. „Aber wen interessiert das. Kaum noch eine Sendung im Fernsehen, in der nicht …“. Das Publikum jubelt und applaudiert dem Kabarettisten.

„.. in der nicht durch einen Schluckauf der Sprecher (lange Pause und Grimasse) innen demonstriert würde, dass man gesinnungstechnisch auf der Seite des Fortschritts ist. Und nicht auf Seiten des dummen Publikums, dem das mehrheitlich auf den Sack geht.“

Er freue sich immer, wenn sich alle gut und repräsentiert fühlen, er wisse nur nicht, ob er es sinnvoll finde, wenn eine gesellschaftliche Gruppe sprachlich repräsentiert werde durch eine Pause beim Sprechen. „Besser wäre es doch, man würde die Pause durch ein deutliches Geräusch ersetzen, um denen die sich nicht in das binäre Mann-Frau-Schema einordnen können lautstark einen Platz zu geben. Das solllte doch kein Problem sein für unsere Journalist (lautes Hochziehen der Nase) innen“, so Nuhr.

Bei Twitter äußerte sich Thomas H. Kaspar, Chefredakteur der Frankfurter Rundschau: „#Nuhr macht sich über nicht binäre Menschen lustig, indem er statt eines Sternchens in der Sprache seinen Rotz hochzieht. Wie widerlich wird es noch werden.“

Auch Chefredaktuer:in Johannes Görz von inFranken äußert sich bei Twitter zu Nuhr: Ich bringe dieses GEZ-Ding ja selten – aber warum darf #Nuhr bezahlt auch von den Gebühren von nicht-binären Menschen diese Hetze betreiben? Warum bezahle ich die ARD, damit er sich über mich (und alle anderen nicht-binären Menschen) lustig macht?

Nuhr selber könne da aber nicht mitmachen, denn Sprache „ein intuitiver Teil meiner Persönlichkeit ist und ich nicht bereit bin meine seit der Kindheit tief ins Unterbewusstsein eigegangene Art zu spreche nicht der politischen Opportunität anzupassen“ und wirft noch einen frauenfeindlichen Witz hinterher.

Dieter Nuhr erklärt dem Duden die deutsche Sprache

Anschließend möchte Nuhr dem Duden noch erklären, warum mit Lehrer nicht die männliche Person gemeint sei. Denn schließlich würden Nomen aus Verben nun mal mit der Endung -er gebildet und Lehrer komme vom Verb lehren – so wie „bohren – Bohrer, lutschen – Lutscher, lehren – Lehrer“. Er werde auch in Zukunft seine Löcher schließlich nicht mit einer „Bohrer:in“ bohren.

Dieter Nuhr meint, er weiß besser wie sich Wörter bilden als Mitarbeiter:innen beim Duden. (Screenshot: Das Erste / Dieter Nuhr Jahresrückblick)

Dann beschwert er sich noch, dass Lehrer ja schließlich die geschlechtsneutrale Form sei. Und weibliche Lehrpersonen mit der Endung -in ja eine eigene Form hätten, männliche Lehrpersonen aber nicht. Das sei eine Benachteiligung für „uns Männer“.

Natürlich sei er für Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern und allen Menschen, die sich da nicht einordnen können, aber Sprache „ist ein Kulturgut und das ist heute offensichtlich überhaupt kein Argument mehr. Es muss alles angepasst sein“.

Utopia meint: Klar, mit seinen Programmen übertreibt Dieter Nuhr, sonst wäre es eine Nacherzählung von Fakten und keine Satire. Es ist jedoch schade, dass Dieter Nuhr sich hier verschlossen gegenüber Veränderungen zeigt, sondern gerne weiterhin so sprechen möchte wie in seiner Kindheit erlernt. Denn Sprache verändert sich durchgehend. Wer schon mal ein altes Buch gelesen hat, wird das bemerkt haben. Wir sprechen ganz anders als unser Vorfahr:innen vor beispielsweise 150 Jahren.

Für manche Menschen mag das Gendern noch ungewöhnlich klingen oder mit Sternchen oder Doppelpunkt ungewöhnlich aussehen. Das kann daran liegen, dass sich das Gendern noch nicht komplett im Deutschen etabliert hat. Vielleicht spielt da auch eine Rolle, dass sich diese Veränderung nicht unbemerkt einschleicht, sondern von manchen Menschen ganz bewusst kommuniziert wird. Dennoch ist eine Veränderung nichts Schlechtes und bedeutet keine Zerstörung der Sprache, sondern ist ein normaler gesellschaftlicher Prozess. Gendern macht unsere Sprache inklusiver für alle Menschen, egal welchem Geschlecht sie angehören.

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