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„Ohne Zwang wird sich nichts ändern“: Das Problem mit der Mehrweg-Pflicht

Schluss mit Einweg: Die Mehrwegpflicht gilt ab Januar 2023.
Foto: lr / Utopia (links), Pressefoto Recup (rechts)

Per Gesetz sollten Plastik-Einwegverpackungen bei Essen zum Mitnehmen eingedämmt werden. Doch die Mehrweg-Angebotspflicht ist praktisch wirkungslos geblieben, bemängeln Umwelt- und Verbraucherschützer:innen. Warum ist das so?

Auch knapp ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Mehrweg-Angebotspflicht für Speisen zum Mitnehmen beklagen Umwelt- und Verbraucherschützer:innen eine mangelnde Umsetzung und fehlende Kontrollen.

Von einem „Rohrkrepierer“ spricht beispielsweise Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe, und mahnt Nachbesserungen an. „Was schlecht angefangen hatte zum Jahresbeginn, hat sich leider wie ein roter Faden bis zum Ende dieses Jahres durchgezogen“, sagte Fischer der Deutschen Presse-Agentur. Bei mehreren Durchgängen von Testbesuchen hätten Gastronomieunternehmen von Mehrweg-Quoten im niedrigen einstelligen Prozent-Bereich berichtet. Gemessen an den ursprünglichen Zielen seien das „desolate Ergebnisse“.

Restaurants, Bistros und Cafés, die Essen für unterwegs verkaufen, müssen seit Jahresbeginn neben Einweg- auch Mehrwegverpackungen dafür anbieten – sofern sie Einweg-Verpackungen aus Kunststoff nutzen. Bei Getränken aller Art muss es eine Mehrweg-Alternative geben. Ausnahmen gelten für kleinere Geschäfte, die nicht größer als 80 Quadratmeter sind und höchstens fünf Beschäftigte haben. Dort müssen Kunden aber die Möglichkeit bekommen, eigene Behälter befüllen zu lassen. Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 10.000 Euro.

Mangelnden Kontrollen und keine Sanktionen?

Nach den Worten Fischers krankt das Gesetz vor allem an mangelnden Kontrollen und einer fehlenden Sanktionierung von Verstößen. „Ohne Druck, ohne Zwang wird sich nichts daran ändern, dass viele Gastronomen die Mehrwegangebotspflicht nicht ernst nehmen.“ Hinzu komme die nach wie vor schlechte Information der Verbraucher:innen, die Hinweise auf Mehrweg-Behälter häufig gar nicht wahrnähmen. Die Anbieter versuchten offenbar, „sich Mehrweg gezielt vom Hals zu halten, indem die Information schlecht gemacht wird, leicht zu übersehen ist“.

Der eigentlich einfachste Hebel für bessere Kundeninformationen – nämlich mündliche Hinweise des Verkaufspersonals – habe man im gesamten Jahr bei fast 100 Testbesuchen nicht in einem einzigen Fall feststellen können, sagte Fischer. „Diese aktive Kundeninformation, die gibt es nicht.“ Der Gesetzgeber müsse die Informationspflichten daher viel enger fassen.

Auch die vielen unterschiedlichen Mehrweg-Behälter problematisch

Problematisch seien auch die vielen unterschiedlichen Mehrweg-Behälter. „Viele Händler arbeiten nicht zusammen, sondern im Grunde genommen nebeneinander mit eigenen Systemen“, was nicht verbraucherfreundlich sei. Es gelte, wegzukommen von diesem Wirrwarr – und hin zu einer einheitlichen Branchenlösung mit einem flächendeckenden Netz von Rückgabemöglichkeiten, sagte Fischer.

Für wichtig hält er zudem finanzielle Anreize wie im Fall von Tübingen. Die dort geltende Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck war im Mai vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig für zulässig befunden worden. Eine Franchisenehmerin der Fastfood-Kette McDonald’s hatte dagegen Verfassungsbeschwerde erhoben, eine Entscheidung steht noch aus.

Verbraucherschutz untersuchte 400 Betriebe

Auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sieht derweil schwere Mängel bei dem Gesetz – allen voran den, dass es nur auf Einwegverpackungen für Speisen aus Kunststoff abstelle, obwohl andere Verpackungsarten ökologisch genauso schlecht oder sogar noch schlimmer seien, wie Philip Heldt sagt, Referent für Ressourcenschutz bei der Verbraucherzentrale NRW. Das führe zu einem Ausweichen auf Pappverpackungen. „Also das ist schon mal ein riesengroßes Schlupfloch, was der Gesetzgeber da den Gastro-Betrieben geschenkt hat“, sagte Heldt.

Die Verbraucherschützer:innen hatten rund 400 Betriebe unter die Lupe genommen. Etwa die Hälfte davon hätte von der Größe und den Gegebenheiten Mehrweg-Angebote für Speisen zum Mitnehmen führen müssen, doch wiederum davon nur etwa die Hälfte habe dies tatsächlich getan. „Das ist natürlich schon krass. Also wenn man überlegt, bei anderen Gesetzen würde sich 50 Prozent der Betroffenen nicht an das Gesetz halten„, sagte Heldt und pochte auf Nachbesserungen am Gesetz.

Dass kaum Kontrollen stattfinden, liege nicht nur an der personellen Unterbesetzung der Überwachungsbehörden, sondern auch an den komplexen Regelungen des Gesetzes, das auch Fragen aufwerfe. Es fehlten „klare Vollzugsanweisungen, wie dann genau zu verfahren ist“, das schränke die Behörden in ihrer Handlungsfähigkeit ein.

Mehrweg-Nachfrage hält sich in Grenzen

Auch der Gastronomieverband Dehoga hält die Bestimmungen für unklar. Erst im Mai 2023 – Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes – sei ein behördlicher Leitfaden veröffentlicht worden. „Aber auch dieser hat leider nicht alle Fragen beantwortet, die sich in der Praxis bei der Umsetzung stellen, so dass nach wie vor Rechtsunsicherheiten bestehen“, erklärte Uta Stenzel, Referentin für Lebensmittel- und Verbraucherschutzrecht beim Branchenverband Dehoga.

Generell bedeute das Gesetz einen erheblichen Aufwand und Kosten – „und das alles in Zeiten weiterer großer Herausforderungen, die die Betriebe aktuell zu bewältigen haben“. Die Mehrweg-Nachfrage halte sich in den meisten klassischen Restaurants und Cafés nach wie vor in Grenzen. Um die Mehrwegquote und Akzeptanz zu steigern, müssten die Strukturen und Abläufe verbessert werden – von leicht handhabbaren Behältern bis zur Rücknahme. Erstrebenswert sei ein System ähnlich dem für Pfandflaschen. Als Beispiel verwies Stenzel auf die Initiative Reusable To-Go, die in Pilotmärkten in Hessen und Rheinland-Pfalz die unkomplizierte Rückgabe von Mehrweg-Systemen für Essen testet.

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