So langsam wird das ganze Ausmaß der Ostsee-Sturmflut deutlich. Wo in der Nacht zu Samstag das Wasser meterhoch stand, kommen jetzt die Schäden ans Licht. Aus der Politik gibt es Rufe nach Konsequenzen.
Die Spuren der zerstörerischen Wellen sind noch sichtbar. Nach der Sturmflut hat die Ostsee aber mittlerweile wieder zu herbstlicher Ruhe zurückgefunden. Die meisten Straßen sind am Sonntag frei, die Schiffe auf Nord- und Ostsee verkehren wieder nach Plan. Nun läuft an der gesamten Küste von Flensburg bis Usedom das große Aufräumen. Überall helfen Einsatzkräfte und Freiwillige, Ordnung zu schaffen und Schäden aufzunehmen.
Reparaturen und Wiederaufbauarbeiten werden wohl längere Zeit in Anspruch nehmen, wie der Landesfeuerwehrverband Schleswig-Holstein erklärte. Die Höhe der Schäden ließ sich am Wochenende noch nicht beziffern. Der Leiter des Stabes Katastrophenschutz im Innenministerium hatte aber früh von einer dreistelligen Millionenhöhe gesprochen. Große Schäden verursachte der Sturm auch im südlichen Dänemark, wo viele Urlauber ufernahe Ferienhäuser verlassen mussten. In Großbritannien kamen mehrere Menschen ums Leben.
Mecklenburg-Vorpommern ist weniger stark betroffen. Allerdings richtete der Sturm auch dort erhebliche Schäden an. Am Darß, wo am Samstag ein Damm zur Boddenseite an zwei Stellen vom Wasser durchbrochen worden war, wurde weitgehend Entwarnung gegeben. „Wir haben großes Glück gehabt“, sagte der für den Küstenschutz zuständige Minister Till Backhaus (SPD). Anders in Schleswig-Holstein.
Viele Boote sind in Kiel gesunken
Allein im Olympiahafen in Kiel Schilksee dürften die Schäden in die Millionen gehen, wie die Stadt am Sonntag mitteilte. „Es ist ein Desaster“, sagte Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD). Mehr als 35 Boote seien gesunken, viele weitere beschädigt. Am Hafen, an den Stegen und an der Mole hätten Sturm und Wasser erhebliche Schäden verursacht. Mit den Aufräumarbeiten sei unmittelbar begonnen worden. „Uns stehen die Tränen in den Augen, wenn wir die Gewalt des Hochwassers und die angerichteten Schäden sehen“, sagte der Geschäftsführer der Sporthafen GmbH, Philipp Mühlenhardt.
Zahlreiche Menschen in Orten am Wasser hatten wegen Überschwemmungen in der Nacht zum Samstag ihre Häuser verlassen müssen. Die Feuerwehr sprach von rund 2000 Betroffenen in Schleswig-Holstein. Eine Frau auf Fehmarn starb am Freitag im Sturm. Ein Baum hatte ihr Auto getroffen.
Ein Jahrhundert-Hochwasser erlebte Flensburg. Dort erreichte der Pegel in der Nacht zum Samstag nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie den Höchststand bei 2,27 Meter über dem Normalwert. Teile des Hafengebiets waren überflutet. Ein ähnlich hoher Wert war in Flensburg zuletzt 1904 mit 2,23 Meter gemessen worden. Aus Sicherheitsgründen schalteten die Stadtwerke den Strom in Teilen des Hafens ab. In einigen Bereichen bemühten sich die Techniker noch am Sonntag, die Stromversorgung wieder herzustellen.
Deiche in Ostholstein beschädigt
In Ostholstein wurden mehrere Strandwälle von den Fluten durchbrochen und Deiche beschädigt. Bei Maasholm und Arnis an der Schlei sowie südlich des Olpenitzer Hafens brachen Deiche, auch in Damp konnte ein Deich nicht gehalten werden. In Schleswig wurde der Hafen überflutet, der Strom wurde abgestellt. In etlichen Häfen gingen Sportboote unter, die Infrastruktur erlitt erhebliche Schäden. An den Steilküsten gab es Abbrüche.
In Mecklenburg-Vorpommern wurde auch auf den Inseln das Ausmaß der Sturmflut zunehmend sichtbar. So wurde der Promenadenweg in Sassnitz zu großen Teilen von den gewaltigen Wassermassen zerstört. In Stahlbrode zwischen Stralsund und Greifswald richtete die Sturmflut massive Schäden an den Hafenanlagen und den dort liegenden Schiffen an. Dennoch ist das Ausmaß geringer als im Vorfeld befürchtet.
„Zwar gibt es Schäden an unseren Küstenschutzanlagen, sie haben aber voll ihre Funktion erfüllt“, sagte Minister Backhaus. „Wir haben keine Menschenleben zu beklagen, keine Verletzten und keine Kapitalwerte verloren. Das ist das Wichtigste.“
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther dankte den mehr als 2000 Einsatzkräften und kündigte Hilfen des Landes an. „Wir sind wirklich allen extrem dankbar, die in diesen Stunden geholfen haben“, sagte der CDU-Politiker am Samstag. „Schleswig-Holstein hat zusammengestanden angesichts dieser schrecklichen Flutkatastrophe.“ Günther verschaffte sich unter anderem in seiner Heimatstadt Eckernförde einen Überblick über die Schäden.
Rufe nach besserem Küstenschutz werden laut
Schon am Samstag hatte sich die Lage spürbar entspannt. Bahnen fuhren größtenteils wieder, auch Fähren. In der Nacht zum Sonntag blieb es in den von der Sturmflut betroffenen Gebieten nach Auskunft der Rettungsleitstellen ruhig.
Inzwischen wurden die ersten Forderungen in Schleswig-Holstein nach Konsequenzen aus den Erfahrungen der Sturmflut laut. Aus den Reihen der SPD, FDP und des Südschleswigschen Wählerverbands kamen Rufe nach Überprüfung und Verbesserung der Küstenschutzkonzepte, nach einem Hilfsfonds und nach mehr Geld für den Küstenschutz.
Weil vielerorts Strände und Dünen ins Wasser gespült wurden, will sich Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister an den für Küstenschutz zuständigen Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) wenden, wie Backhaus sagte. „Ich werde ihn dringend bitten, aufgrund der aktuellen Lage bei uns in Mecklenburg-Vorpommern und in Schleswig-Holstein zusätzliche Mittel bereitzustellen.“
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