Die Krankenkassen haben mit ihrem letzten Einwand gegen die Impfpflicht für reichlich Spott gesorgt. Ziel des Scherzes sind wieder mal die antiquierten Mittel der deutschen Bürokratie – doch das Problem, auf das die Kassen hinweisen, ist leider kein Witz.
Über kaum eine Ankündigung wurde in den letzten Tagen so viel gescherzt wie über diese. „Seid ihr bereit für die deutscheste Nachricht des Tages?“, fragt zum Beispiel der öffentlich-rechtliche Instagramaccount funk seine Follower:innen. Um daraufhin auf ein Statement der Krankenkassen hinzuweisen: Diese halten die Corona-Impfplicht nicht für umsetzbar – weil nicht genug Papier für die Briefe da sei, die man an die Bürger:innen schicken müsste. „Wo ist das Problem“, legt funk nach, „wir können das doch einfach faxen.“
Tatsächlich hatte der Krankenkassenverband GKV schriftlich darauf hingewiesen, dass es an Material für die mit einer Impfpflicht verbundenen Schreiben an die Bürger:innen fehle. „Das wären ungefähr 120 Millionen Briefe, und da gibt es gewisse logistische Probleme“, erklärte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. „Und in der Tat auch das Thema – die Menge des verfügbaren Papiers in Deutschland. Es klingt ein bisschen kurios vielleicht, aber ist tatsächlich in dem Zusammenhang auch ein Thema.“
So sehr man sich auch über die veralteten Kommunikationsmethoden der deutschen Bürokratie amüsieren mag: Das Problem an sich ist kein Scherz, sondern eigentlich ziemlich ernst.
Warum gibt es zu wenig Papier?
In bestimmen Branchen gibt es derzeit einen Papiermangel. Das Problem hat verschiedene Ursachen – und ersthafte Konsequenzen. Laut ZDF können Bücher zum Beispiel nicht erscheinen, weil es den Verlagen an Papier für Druckerzeugnisse mangelt. Nachdrucke von nachgefragten Werken seien nahezu unmöglich. Buchdrucker klagen zudem über stark erhöhte Preise. Doch woran liegt das?
Grafisches Papier, welches unter anderem im Buchdruck verwendet wird, besteht aus zwei Komponenten: 20 Prozent frischem Zellstoff (aus Bäumen) und 80 Prozent Altpapier. Die Preise für frischen Zellstoff sind massiv gestiegen, weil dieser meist aus Südamerika und Asien importiert wird – auch wegen Folgen der Coronakrise: Es gäbe Schwierigkeiten in der Logistik, Mangel an LKWs und den dazugehörigen Fahrer:innen, berichtet das ZDF. Außerdem gehen Kapazitäten verloren, weil immer mehr Papierhersteller ihre Fabriken auf Verpackungspapier umstellen.
Das Altpapier wird ebenfalls knapp, weil über gewohnte Quellen kein Papier nachkommt: Zeitungen und Flyer sind zum Beispiel wichtige Komponenten für die Altpapierherstellung. Während den Lockdowns haben aber viele Firmen auf Flyer verzichtet, und die Anzeigenseiten der Zeitungen wurden dünner, wodurch weniger Altpapier anfiel. Der Versandhandel nahm zugleich zu, aber aus Versandkartons kann man kein Druckpapier herstellen. Das Ergebnis: Der Preis für gemischtes Altpapier hat sich laut Statistischem Bundesamt zwischen September 2020 und September 2021 mehr als verdreifacht.
Verband widerspricht: Wären Briefe doch möglich?
In bestimmten Bereichen gibt es also Papiermangel – zum Beispiel bei Druckpapieren. Dies bestätigte auch ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums. Doch über einen akuten Papiermangel lägen ihm keine Erkenntnisse vor.
Auch ein Sprecher des Papierindustrieverbandes erklärte gegenüber Deutschlandfunk, sie könnten das Argument der GKV nicht nachvollziehen. „Wir haben von einem unserer Mitgliedsunternehmen die Auskunft bekommen, dass die in der Lage wären, die benötigte Menge an Briefpapier mit einem Vorlauf von acht Wochen zur Verfügung zu stellen. Und wie gesagt – es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die Administrations-Papiere herstellen und liefern könnten“.
Papierkrise: Was du tun kannst
Papier ist ein wertvoller Rohstoff, für den Bäume gefällt werden müssen. Deshalb ist es wichtig, umsichtig mit ihm umzugehen – und zum Beispiel auf recyceltes Papier aus Altpapier zu setzen, wann immer möglich. Besonders vermeiden sollten wir Papier aus frischem Zellstoff, wenn es danach nicht recycelt werden kann (zum Beispiel aufgrund einer Beschichtung oder weil es verschmutzt wird). Doch es gibt noch weitere Möglichkeiten, einen Beitrag zu leisten. Hier ein paar Vorschläge:
- Kaufe nachhaltiges Papier, am besten zertifiziert mit dem blauen Engel. Das gilt auch für Toilettenpapier.
- Klebe ein „Werbung-Verboten“-Schild an den Briefkasten und trage dich in die Robinsonliste ein, um dich vor unangeforderten Werbesendungen zu schützen.
- Verzichte auf To-Go-Becher aus Pappe und nimm stattdessen einen BPA-freien Kaffeebecher mit.
- Unterstütze den stationären Handel, anstatt im Internet zu bestellen. Wenn es doch online sein muss, dann nutze Händler, die umweltfreundliche Versandoptionen anbieten. Beim Online-Händler memo kannst du dir Ware zum Beispiel in einer wiederverwendbaren Box zusenden lassen.
- Entsorge Papier richtig: Viele Kassenzettel, Taschentücher und mit Kunststoff beschichtete Kartons gehören nicht ins Altpapier!
Mehr Infos und Tipps findest du hier:
- Altpapier: Warum es Bäume rettet, wenn du deinen Müll richtig entsorgst
- Papier sparen: 13 Tipps und Ideen
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