Rückenschmerzen sind für viele Menschen ein leidiges Thema. Manchen ist jedoch nicht bewusst, dass sie ihre eigenen Schmerzen sogar mit bestimmtem Verhalten verschlimmern, meint ein Physiotherapeut.
Laut Robert-Koch-Institut leiden rund 15 Prozent der Deutschen an chronischen Rückenschmerzen. Oft sind sich die Leidenden aber gar nicht bewusst, dass bestimmte Verhaltensmuster Rückenschmerzen verschlimmern. Professor Hannu Luomajoki von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften erklärt im Interview mit dem Spiegel, warum und wodurch man Rückenschmerzen oft verschlimmert.
Probleme bei der Diagnose von Rückenschmerzen
Wer Rückenschmerzen hat, der möchte am besten schnell die Ursache für sein Leiden herausfinden. Professor Luomajoki erklärt, dass zwar eine MRT-Aufnahme eine Auffälligkeit im Körper zeigen könne – beispielsweise ein Vorwölbung der Bandscheibe, eine Degeneration der Wirbelsäule oder Arthrose. Der Physiotherapeut weist aber darauf hin, dass diese Abweichungen meistens die Schmerzen nicht erklären, da diese Entwicklungen bei fast allen erwachsenen Menschen auftreten. Jedoch würden manche Patient:innen dann den Zusammenhang herstellen, dass sie etwas Schlimmes haben, da ja auf dem MRT-Bild etwas zu sehen sei. „In 98 Prozent der Fälle ist es nur eine Frage der Zeit, bis Linderung eintritt“, so der Mediziner.
„Fear Avoidance“ – aus Angst vor Verschlimmerung Bewegung vermeiden
Wenn die Patient:innen denken, sie haben etwas Schlimmes, vermuten sie oft, der Schmerz würde durch Bewegung nur verschlimmert werden, erklärt Luomajoki. Dadurch entstehe Angst vor noch mehr Schmerz und diese resultiere im Vermeiden von Bewegung, in der Forschung auch „Fear Avoidance“ genannt, so der Experte im Spiegel-Interview. „Fear Avoidance“ könne zu einer Negativspirale führen, denn die Schmerzen können durch fehlende Bewegung sogar noch verschlimmert werden, so der Experte.
Die Verschlimmerung trete dabei insbesondere aufgrund des Abbaus von Muskulatur und Kondition ein. Daraus könne dann aus ungefährlichen Rückenbeschwerden chronisches Leiden werden, stellt der Physiotherapeut fest.
Trotz Schmerzen weiter trainieren
Aber auch die andere Seite des Extrems, die sogenannten Durchhalter:innen, treten bei Patient:innen mit Rückenschmerzen auf. Diese Patient:innen trainieren trotz Schmerz weiter, da sie sich einreden, den Schmerz aushalten zu müssen, so Luomajoki. Dieses Verhaltensmuster sei für die Genesung aber genauso wenig förderlich, da man bei Beschwerden nicht über seine Schmerzgrenze hinausgehen sollte, meint er.
„Passives Verhalten ist ungünstig“ – Zu viel Liegen bei Schmerzen
Die Vermeidung von Bewegung kann vielen Patient:innen zum Verhängnis werden. „Passives Verhalten ist ungünstig.“ warnt Luomajoki im Interview mit Spiegel. Bei Hexenschuss beispielsweise, meint der Experte, seien nur ein bis zwei Tage Bettruhe nötig. Sich trotz der Schmerzen leicht zu bewegen, sei für die Genesung wichtig, so der Physiotherapeut. Den Rücken zu strecken oder die Beine im Liegen anzuwinkeln bewirke bei vielen Patient:innen Linderung der Schmerzen. Er empfiehlt, selbst herauszufinden, was einem gut tut.
Besser Gele statt Schmerzmittel
Laut dem Physiotherapeuten zeigen Studien, dass es für die Genesungsdauer nicht relevant sei, ob Patient:innen Placebo oder Ibuprofen einnehmen. Schmerzgele hingegen, die direkt auf die Stelle aufgetragen werden, versprechen ihm zufolge eine schnellere Linderung. Denn die Wirkstoffe gelangen so direkt an die schmerzenden Stelle und können somit schneller und gezielt wirken.
Bei Schmerzen ohne auftretende Taubheitsgefühle oder Lähmungserscheinungen können Menschen laut dem Professor ein paar Tage abwarten, bevor sie einen ärztlichen Rat suchen. Der akute Schmerz sei meist nach ein bis zwei Wochen verschwunden. Hier sei auch wichtig zu verstehen, dass Schmerz nicht immer gleich ist, sondern mal stärker oder schwächer, so der Arzt. Falls der Schmerz länger als ein bis zwei Wochen anhalte, empfiehlt der Professor den Gang zum Arzt.
Länderunterschiede bei der Behandlung von Rückenschmerzen
Der Physiotherapeut weist außerdem auf Länderunterschiede bei der Behandlung von Rückenschmerzen hin. In Deutschland müssen Patient:innen ohne ärztliches Rezept selbst für die physiotherapeutische Behandlung aufkommen. Sobald Ärzt:innen ein Rezept ausstellen, übernimmt die Krankenkasse zum größten Teil die Kosten.
In Finnland beispielsweise ist die Behandlung andersherum. Patient:innen gehen zuerst zur Physiotherapie und lassen sich beraten oder Übungen zeigen. Falls während der Beratung ein ernsthaftes Problem festgestellt werde, werden sie zu Ärzt:innen überwiesen. Diese Strategie sei sehr erfolgreich, erklärt Luomajoki gegenüber dem Spiegel, denn „90 Prozent der Patientinnen und Patienten benötigen keine medizinische Hilfe, sondern lernen, mit welchen Übungen sie ihre Rückenschmerzen lindern können.“ Dabei werde auch die Spirale der „Fear Avoidance“ gar nicht in Gang gebracht, so der Experte.
Rückenschmerzen gehören zum Leben dazu
Luomajoki macht seinen Patient:innen durch einer ungewöhnlichen Gegenüberstellung Mut. Denn er vergleicht Rückenschmerzen mit einem Schnupfen, da beide Phänomene kommen und gehen würden. Damit möchte er seinen Patient:innen verdeutlichen, dass Rückenschmerzen genauso zum Leben dazugehören, wie ein Schnupfen.
Verwendete Quellen: Spiegel
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