„Diese Person ist aber toxisch“ – solche Sätze hört man inzwischen recht oft. Was aber ist dran an „toxischen Menschen“? Psychologe und Psychotherapeut Stefan Junker warnt vor falschen Schlüssen.
Fast schon inflationär werden Menschen, die anderen Menschen nicht guttun, als „toxisch“ bezeichnet. Etwa, wenn sie Verhaltensweisen an den Tag legen, die einem nicht passen – oder tatsächlich schädlich für die zwischenmenschliche Beziehung sind.
Allerdings, darauf weisen Expert:innen immer wieder hin, können einzelne Personen an sich gar nicht toxisch sein. So auch der Psychologe und Psychotherapeut Stefan Junker. Gegenüber Quer vom Bayerischen Rundfunk (BR) erklärt Junker, dass der Begriff eher dazu diene, Mitmenschen abzuwerten, anstatt konstruktiv hinter das Problem zu blicken.
„Toxische Dynamiken“: Das Zusammenspiel sei oft entscheidend
Denn: Wer sagt, eine Person sei toxisch, schiebt laut dem Experten die Verantwortung von sich selbst weg. Wenn etwas ungesund ist, seien das „toxische Dynamiken“, erklärt der Psychotherapeut gegenüber Quer. Diese entwickeln sich in der Regel erst in zwischenmenschlicher Interaktion – also im Zusammenspiel von Personen, weshalb ein Mensch alleine nicht unbedingt toxisch sein muss. Gleichzeitig kann eine Person sich problembehafteter verhalten als die andere, beispielsweise wenn eine Persönlichkeitsstörung vorliegt.
Wie aber sieht der Regelfall aus, bei dem sich eine schwierige Dynamik entwickelt? „In Beziehungen ist das z.B. besonders häufig der Fall, wenn Personen mit einem ‚vermeidenden Bindungsstil‘ und einem ‚ängstlichen Bindungsstil‘ aufeinandertrefeffen“, ordnet Quer ein.
Passiert das, sucht eine Person Bestätigung und Nähe, während die andere sich davon überfordert fühlt. Ein Prozess aus Nachlaufen und Distanzieren setzt sich so in Gang.
Vorsicht bei psychischer oder physischer Gewalt
Junker empfiehlt, genau auf die Signale zu achten und es erst einmal mit Kommunikation zu probieren. Die Probleme könnten zudem mit therapeutischer Hilfe angegangen werden. Aber auch das Beenden der Beziehung kann den Betroffenen helfen. Denn: Demütigung, manipulatives Verhalten oder Gewalt sollten ernst genommen werden. Wer psychische oder physische Gewalt erfährt, ist gut beraten, sich ebenfalls professionelle Hilfe zu holen.
Der Experte appelliert an eine genauere Benennung der Probleme. Im Interview mit Geo sagt Junker: „Wir haben viele hilfreiche Beschreibungen, die zu wenig verwendet werden. Zum Beispiel der Begriff Gewalt: Du hast mir Gewalt angetan, körperlich oder psychisch. Am besten drücke ich das noch genauer aus: Durch das, was du da gerade getan hast, fühle ich mich von dir abgewertet. Das was du gerade tust, verletzt mich. Oder: Ich empfinde es als selbstbezogen, wie du dich verhältst. Oder: Ich wünsche mir, dass du dich mehr einfühlst in mich und in meine Situation.“
Wichtig sei, „alles, was ich mit anderen erlebe, nicht als Zustand und als vermeintliche Eigenschaft beschreiben, sondern als Verhalten“.
Hinweis: Wer sich psychisch belastet fühlt, kann etwa bei der Telefonseelsorge Hilfe finden: Unter der Telefonnummer 0800/1110111 oder 0800/1110222. Alternativ gibt es das Chat-Angebot unter: online.telefonseelsorge.de
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