Süßwasserquallen werden immer häufiger in deutschen Badeseen gesichtet. Die Tiere benötigen warme Wassertemperaturen zur Vermehrung und sind evolutionär gesehen sehr beständig.
Ob am Mittelmeer oder gar an der Ostsee: Den meisten Menschen sind Quallen wohl am ehesten während des Schwimmens in den salzreichen Wassern der Meere begegnet. Doch auch in Badeseen in Deutschland sind in letzter Zeit immer wieder Quallen beobachtet worden, wie der Spiegel berichtet.
Bei den gesichteten Tieren handelt es sich um Exemplare der Süßwasserqualle Craspedacusta sowerbii. Erkennen lassen sie sich an ihrer durchsichtigen Haut sowie ihren weißen Mundlappen. Inklusive Tentakeln messen die Tiere insgesamt bis zu zweieinhalb Zentimeter.
Nachgewiesen wurde die Qualle hierzulande bisher in insgesamt etwa 170 Seen. So auch im Rotachssee, dem größten Badesee des Oberallgäus, etwa 10 Kilometer südlich von Kempten. Im Juli hatte ein Schwimmer dort eine Qualle gesichtet und Kontakt zu einer Lokalzeitung aufgenommen, die sich daraufhin an das örtliche Wasserwirtschaftsamt Kempten wandte. Dort bestätigte man, dass es sich bei dem aufgefundenen Tier um ein Exemplar der Gattung Craspedacusta sowerbii handelt.
Jens Arle, Gewässerbiologe im Umweltbundesamt, bestätigt gegenüber dem Spiegel, dass die Bestände tendenziell zugenommen hätten. Die vermehrten Sichtungen könnten aber auch damit zu tun haben, dass Medien mehr über die Tiere berichten. Bei der Ausbreitung spielt die Wassertemperatur eine wichtige Rolle.
Seit wann gibt es Süßwasserquallen in Deutschland?
Süßwasserquallen existieren nicht erst seit Kurzem in Deutschland. Ursprünglich stammen die Tiere der Gattung Craspedacusta sowerbii aus China – hierzulande wurden sie erstmals 1908 im Botanischen Garten in München nachgewiesen.
„Natürlich kann es sein, dass die Quallen auch schon vorher mal gesehen wurden“, sagt David Kempter, stellvertretender Leiter des Wasserwirtschaftsamts Kempten, gegenüber dem Spiegel. „Allzu lange können sie aber noch nicht da sein, sonst hätten wir das schon mitbekommen – entweder durch die Bevölkerung, die Medien oder den Fischereiverein“.
Wie viele Süßwasserquallen es in Deutschlands Seen tatsächlich gibt, ist allerdings unklar. Die Gewässer werden zwar genau untersucht, die Quallen dabei aber nicht systematisch erfasst. „Bei kleineren Seen, die etwa hundert Meter breit sind, schnorcheln wir durch und versuchen die Populationsdichte abzuschätzen“, erklärt Herwig Stibor, Professor für Aquatische Ökologie der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Stibor vermutet, dass selbst in kleineren Seen bis zu Hunderttausend Quallen leben. Für große Gewässer wie den Bodensee oder die Müritz etwa lasse sich zur Anzahl der darin lebenden Quallen aber keine sichere Zahl nennen.
So entstehen Süßwasserquallen
Quallen, wie sie allgemein bekannt sind, sind allerdings nur ein Teil des Lebenszyklus einer Meduse. Diese durchläuft in ihrem Leben gleich mehrere Entwicklungsstadien: Im Larvenstadium setzt sie sich zunächst am Grund des Gewässers fest, in dem sie lebt. Hier entwickelt sie sich zu einem sogenannten Polypen – einem flaschenförmigen und etwa 2 Zentimeter langen Nesseltier.
Im weiteren Verlauf seiner Entwicklung schnürt der Polyp dann einen Teil seines Körpers ab. So entsteht eine weitere Larve, die Tentakeln und einen Schirm ausbildet und auf diese Weise zu einer Qualle wird. Für diesen Entwicklungsschritt bevorzugen Süßwasserquallen warme Wassertemperaturen – etwa 25 Grad muss die Temperatur des Wassers betragen, damit sich aus Polypen Quallen bilden können.
In deutschen Seen können die Quallen deshalb nur in den zwei bis drei warmen Sommermonaten gesichtet werden. Durch die vergleichsweise warmen Sommer der letzten Jahre haben sich auch die Meldungen von Süßwasserquallen hierzulande vervielfacht.
Eine evolutionär sehr beständige Tierart
Mehr als hundert Seen haben Stipor und seine Kolleg:innen in Deutschland bereits untersucht – und in fast jedem von ihnen Polypen gefunden. Süßwasserquallen kommen hierzulande also fast flächendeckend vor.
Charakteristisch für den Polyp ist, dass er sich in eine Art Dauerstadium versetzen kann, in dem er dann enorm widerstandsfähig ist: „Man könnte die Polypen sogar einfrieren oder kochen und sie würden überleben“, so Stibor. Hat sich der Polyp in seinen dauerhaften Schutzzustand versetzt, kann er auch von anderen Tieren wie etwa Seevögeln über Land getragen werden und so ohne eigenes Zutun neue Gewässer besiedeln.
Ihre Widerstandsfähigkeit mache die Tiere zu einer evolutionär sehr beständigen Tierart: „Quallen haben die letzten paar hundert Millionen Jahre fast unverändert überstanden“, erklärt Stibor. Evolutionär seien sie so erfolgreich, dass sie wohl auch noch ein paar hundert Millionen weitere Jahre überleben werden.
Für Menschen sind Süßwasserquallen übrigens nicht gefährlich – anders als ihre im Salzwasser lebenden Artgenossen werden sie nicht besonders groß. Zudem sind ihre Nesselkapseln nicht stark genug, um die menschliche Haut zu durchdringen.
Verwendete Quelle: Spiegel
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