Mit elektrischen Antrieben sollen Autos umweltverträglicher werden. Neue Recherchen legen jedoch nahe, dass die Gewinnung von Lithium für die Autobatterien Probleme birgt. Es geht um ein Unternehmen, das für BMW arbeitet.
Für die Mobilitätswende ist Lithium derzeit enorm wichtig. Der Rohstoff ist wesentlicher Bestandteil der Batterien für E-Fahrzeuge; die Nachfrage lässt den Alkalimarkt regelrecht explodieren. Gleichzeitig steht die Lithium-Gewinnung stark in der Kritik. Der Vorwurf: Sie schade der Umwelt und sei deshalb alles andere als nachhaltig.
NDR-Recherchen schlagen nun in diese Kerbe. Der Autohersteller BMW etwa gibt an, Lithium für Autobatterien von einem nachhaltigen Hersteller zu beziehen. Doch es gibt Zweifel daran, schreibt die Tagesschau.
BMW und Livent schlossen Vertrag in Höhe von 285 Millionen Euro
Dem Bericht zufolge handelt es sich bei dem angeblich nachhaltigen Hersteller um das Unternehmen Livent. Im März 2021 schloss BMW einen Vertrag in Höhe von 285 Millionen Euro mit dem US-Konzern, heißt es in einer Pressemitteilung des Autokonzerns. Livent fördert demnach am Salar del Hombre Muerto, einem Salzsee in Argentinien, Lithium. Von einem „verantwortungsvollen Abbau“ spricht BMW. Und weiter: Livent verwende „ein innovatives Verfahren, das eine nachhaltige Wassernutzung gewährleistet und die Auswirkungen auf die lokalen Ökosysteme und Gemeinden minimiert“.
Tatsächlich klingt das Vorgehen von Livent zunächst vorbildlich. Anstatt Lithium in großen Verdunstungsbecken mit Hilfe von Chemikalien aus salzhaltigem Wasser zu gewinnen, verwendet Livent das „Direct Lithium Extraction“-Verfahren. Dabei wird das Salzwasser direkt in eine Aufbereitungsanlage gepumpt – wodurch der Flächenverbrauch deutlich geringer ist als bei der herkömmlichen Methode.
Was ist dran am vorbildlichen Verfahren des US-Konzerns?
Allerdings, so die Recherchen, an denen das ARD-Format Panorama und STRG-F beteiligt waren, soll der Wasserverbrauch beim Direktverfahren höher sein. Für die Produktion von einem Kilogramm Lithium verbraucht Livent laut Geschäfts- und Umweltverträglichkeitsberichten des Unternehmens knapp 900 Liter Süßwasser.
Das ist mehr als fünfmal so viel Süßwasser wie bei der Verdunstungsmethode am Atacama-Salzsee in Chile, schreibt die Tagesschau. Dort würden 173 Liter Süßwasser je Kilogramm verbraucht. Für die Batterie eines Elektro-SUVs werden mehrere Kilogramm Lithium benötigt. Für den BMW iX M60 laut Bericht sogar rund zehn Kilogramm.
BMW erklärt demnach, dass man die Projekte nicht vergleichen könnte. Die Begründung: Am Salzsee Hombre Muerto, wo Livent Lithium gewinnt, gebe es mehr Niederschlag und verfügbare Wasserressourcen als am Atacama-Salzsee. Laut dem Aqueduct Water Risk Atlas des World Resources Institute liegt die Livent-Mine durchaus in einer Region mit “Low Water Risk”. Allerdings setzt der Risk Atlas die Wasserressourcen ins Verhältnis zu Wassernutzer:innen. Dabei wird von der Bevölkerungsdichte ausgegangen. Folglich haben auch Teile der libyschen Wüste die niedrigste Kategorie. Ostfriesland gilt dagegen als risikoreicher, schreibt die Tagesschau.
Kritiker: Lithium-Gewinnung bereits seit 1990er Jahren problematisch
Román Guitian, Sprecher der indigenen Gemeinschaft „Atacameños del Altiplano“, kritisiert Livents Süßwasserverbrauch in der Region. Demnach soll das Unternehmen für Lithium-Gewinnung bereits in den 1990er Jahren einen Staudamm an einem Fluss errichtet haben, der danach unterhalb des Staudamms ausgetrocknet sei. Guitian äußert die Sorge, dass mit steigender Lithiumnachfrage auch der größte Fluss der Region austrocknen könnte.
Der Umgang mit dem Salzwasser unter Salzseen ist in trockenen Regionen bedeutsam. Bei der herkömmlichen Verdunstungsmethode wird das Salzwasser, auch bekannt als Sole, aus dem Untergrund der Salzseen gepumpt. Danach gelangt es in Verdunstungsbecken. Problematisch ist das Verfahren, da sowohl der Pegel des unterirdischen Salzsees als auch das Grundwasser am Rand der Salzseen fallen kann.
BMW betont seine Verantwortung
Bei Livents Verfahren kann die verarbeitete Sole zurück in den unterirdischen Salzsee gepresst werden – theoretisch. Denn die Recherchen lassen an besagter Umsetzung zweifeln. Demnach ist in den eigenen Umweltberichten von Livent an keiner Stelle die Rede davon, dass die übrig gebliebene Sole in den Untergrund zurückgeleitet wird. Stattdessen soll die Restsole nach einer Neutralisierung des pH-Wertes in einen künstlich angelegten See auf den Salar del Hombre Muerto gepumpt werden.
Wie die Tagesschau schreibt, betont BMW seine Verantwortung im Rahmen der Umwelt- und Sozialstandards bei der Lithiumbeschaffung. Detaillierte Fragen zum Abbau von Lithium durch Livent ließ BMW unbeantwortet.
„Wir verpflichten alle unsere Lieferanten zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards, Menschenrechten sowie zur Anwendung von Managementsystemen zum Arbeitsschutz und Schutz der Umwelt. Dies ist auch bei unserem Lieferanten Livent der Fall“, teilt der Autobauer mit. Auch Livent beantwortete Fragen zum angeblich nachhaltigen Produktionsverfahren laut Bericht nicht.
E-Autos wollen gut überlegt sein
Utopia meint: Um von den nachweislich klimaschädlichen Verbrennungsmotoren wegzukommen, benötigt es neue Antriebstechnologien. Elektroautos gelten aktuell als die Alternative schlechthin zum herkömmlichen Auto, wenn es um Individualverkehr geht. Allerdings sind E-Autos ebenfalls ressourcenintensiv, weshalb sie nur eine Option unter vielen darstellen, die gut überlegt sein will. Das unterstreicht diese Recherche. Ziel sollte es sein, den motorisierten Individualverkehr insgesamt zu reduzieren – etwa durch den Ausbau des ÖPNV samt Preissenkungen; mehr und sichere Radwege, oder durch attraktive Car-Sharing-Modelle.
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