Einer Studie zufolge besitzt der Mensch einen eigenen Rezeptor für den Geschmack von Ammoniumchlorid – besser bekannt als Salmiak. Spricht das für einen sechsten Grundgeschmack?
Als die bekannten fünf Geschmacksqualitäten gelten süß, sauer, salzig, bitter und umami. Letztere hatte der japanische Wissenschaftler Kikunae Ikeda im Jahr 1907 als neue Geschmacksdimension ausgemacht.
Nun fand ein Team aus Forschenden um Emily Lima von der University of Southern California heraus, dass Menschen auch auf eine sechste Geschmackskategorie besonders reagieren: Ammoniumchlorid. Den meisten ist das Salz wohl besser bekannt als Salmiak. Es besteht aus den Elementen Stickstoff, Wasserstoff und Chlor.
Laut der kürzlich im Fachmagazin Nature Communications veröffentlichten Studie reagieren Sinneszellen der Zunge, die am Empfinden eines sauren Geschmacks beteiligt sind, auch auf Ammoniumchlorid.
Salmiak wirkt in eigener Weise auf Geschmacksrezeptoren
Grund hierfür ist laut den Forschenden ein Rezeptor auf der menschlichen Zunge, der speziell von Ammoniumchlorid-Molekülen aktiviert wird: OTOP1. Die Wissenschaftler:innen untersuchten daraufhin die Reaktionen des Rezeptors OTOP1 genauer.
Das Ergebnis: Salmiak mache das Zellinnere alkalisch, was die Zelle dazu bringt, einen elektrischen Reiz auszulösen. Zu diesem Schluss gelangten die Wissenschaftler:innen laut dem Forschungsbericht unter anderem durch Versuche am sogenannten TRC III Rezeptor.
Der Typ III TRC enthält in seiner Zellmembran den erst 2018 entdeckten Protonenkanal OTOP1, mit dessen Hilfe er Säuren detektieren kann. Um diesen Zusammenhang nachzuweisen, veranlassten die Forschenden insgesamt drei aufeinanderfolgende Experimente.
Zuerst veränderten sie menschliche Zellen im Labor genetisch so, dass sie verstärkt OTOP1-Protonenkanäle bildeten. Anschließend setzten sie die Zellen entweder Säure oder Ammoniumchlorid aus. Hieran zeigte sich, dass Ammoniumchlorid ein ebenso guter oder gar besserer Aktivator des OTOP1-Kanals ist als Säuren.
Versuche an Labormäusen fundieren vorherige Vermutungen
Der Durchbruch gelang den Forschenden um Liman dann durch Versuche an Labormäusen. Diese veränderten sie genetisch so, dass sie keine OTOP1-Kanäle mehr bildeten und ihnen somit der Ammoniumchlorid-Rezeptor fehlte.
Anschließend verglichen sie Mäuse mit und ohne Ammoniumchlorid-Rezeptor miteinander. Das Ergebnis: Zellen mit OTOP1-Kanälen produzierten auch bei den Tieren ein starkes elektrisches Signal. Zellen ohne OTOP1-Kanäle blieben stumm.
Im dritten Schritt testeten die Forschenden, wie die Labormäuse auf Wasser mit Ammoniumchlorid und normales Wasser reagieren: Mäuse mit intakten OTOP-1-Kanälen vermieden daraufhin das verunreinigte Wasser. Gentechnisch veränderte Mäuse ohne OTOP-1-Kanäle hingegen tranken das Wasser mit hoher Ammoniumchlorid-Konzentration.
Weitere Forschungen zum Grundgeschmack geplant
Damit wiesen die Wissenschaftler:innen nach, dass sich die vorher gemessenen Reaktionen auch im Verhalten von Tieren zeigen. Denn die genmanipulierten Mäuse empfanden keinen Widerwillen gegen das Ammoniumchlorid. Es wird angenommen, dass die Tiere es gar nicht erst schmeckten.
Ob der Geschmack von Ammoniumchlorid als neuer sechster Geschmackssinn in Wissenschaftskreisen anerkannt wird, bleibt allerdings abzuwarten. Denn auch die von Ikeda etablierte Geschmackskategorie umami ist nach ihrer Entdeckung zu Beginn des 20. Jahrhunderts erst im Jahr 1985 wissenschaftlich akzeptiert worden.
Als nächstes wollen sich die Forschenden mittels Studien verwandte OTOP-Protonenkanäle vornehmen, die in anderen Körpergeweben vorkommen – beispielsweise im Darm. Denn auch sie produzieren Ammonium.
Verwendete Quelle: Nature Communications
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