Biologisches Geschlecht und soziale Geschlechterrollen: Für einen Evolutionsbiologen steht fest, dass es in der Naturwissenschaft nur zwei Geschlechter gibt. Wieso, hat er in einem Interview erklärt.
Ein Vortrag einer weitgehend unbekannten Biologin an der Humboldt-Universität in Berlin hatte eine Diskussion über Cancel Culture ausgelöst. Die Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht konnte zwischenzeitig ihren Vortrag mit dem Titel „Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht, Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt“ nicht halten. Der Grund: Sicherheitsbedenken. Im Vorfeld wurde Kritik an der Biologin laut, ihr wurde unter anderem von studentischen Organisationen „Queerfeindlichkeit“ vorgeworfen.
Der Zoologe und Evolutionsbiologe Axel Meyer lehrt als Professor an der Universität Konstanz. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vertritt Meyer eine ähnliche Position wie Vollbrecht. Laut ihm ist die „relative Größe der Keimzellen das Definitionskriterium“ dafür, „welches Tier wir als Weibchen oder Männchen bezeichnen“. Für ihn sei als Naturwissenschaftler klar: Rein biologisch gesehen gebe es nur zwei Geschlechter – männlich und weiblich. Im Englischen gibt es dafür den Ausdruck „Sex“.
„Ja, es gibt also Organismen, die ihr ‚Sex‘ ändern können, nicht aber ihre ‚Gender‘“
Deshalb könne in der Tier- und Pflanzenwelt nicht von „Gender“ – also den sozialen Geschlechterrollen – die Rede sein. Das gelte beispielsweise auch für Tiere, die das Geschlecht wechseln können, wie etwa bei bestimmten Fischen – zum Beispiel dem Clownfisch. „Ja, es gibt also Organismen, die ihr ‚Sex‘ ändern können, nicht aber ihre ‚Gender‘, und vielleicht zuerst weibliche Gameten (Anm. d. Red. Keimzellen) bilden können, dann männliche“, so Meyer.
Tierstudien würden stets zu dem Ergebnis kommen, dass es „am Ende immer Männchen und Weibchen gibt“ – unabhängig davon, „auf welche Weise das Geschlecht eines Tieres bestimmt wird“.
Gleichzeitig räumt der Evolutionsbiologe bei der Frage, was sich aus der Tier- und Pflanzenwelt für die aktuelle Gender-Debatte ableiten lässt, ein: „Im gesellschaftlichen Diskurs von ‚geschlechtsspezifischem‘ Verhalten hingegen würde ich dafür plädieren, meinetwegen von ‚Gendern‘ zu sprechen, denn dann sind wir auf einer anderen Erklärungsebene.“ Schließlich sei der Mensch Meyer zufolge „die kulturellste aller Arten“. Mit welchen Pronomen eine Person angesprochen werden möchte, sei demnach eine „kulturelle Sache“, sowie eine Frage der „Toleranz“ und des „Respekts“. Diese betreffe jedoch nicht sein Arbeitsgebiet.
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