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Gender-Vortrag an der Humboldt-Uni fand doch statt – „Geschlechter gibt es nur zwei“

Gender-Vortag an der Humboldt Universität hat doch stattgefunden
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Nach der Absage eines umstrittenen Geschlechter-Vortrags wurde der Humboldt-Universität „Cancel Culture“ vorgeworfen. Nun holte die Doktorandin ihren Vortrag nach, sogar ein Polizeiwagen stand zur Sicherheit vor der Uni.

Selten hat ein Vortrag einer weitgehend unbekannten Biologin so viel Ärger ausgelöst. Am Donnerstag holte die 32-jährige Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin ihren Vortrag über biologische Geschlechter nach. Den hatte die Uni kürzlich nach einem Aufruf zu Protesten wegen Sicherheitsbedenken zunächst gestrichen und dafür heftige Kritik eingesteckt. Geplant war Vollbrechts Vortrag ursprünglich für die Lange Nacht der Wissenschaften. Vielmehr wurde die Biologin im gut besetzten Fritz-Reuter-Saal der Uni beklatscht.

Ein Grundkurs in Biologie

Vollbrechts Vortrag „Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht, Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt“ erinnerte laut Spiegel an einen Grundkurs in Biologie. Sie sprach über Chromosomen und Gameten, primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale, intra- und intersexuelle Selektion. Der Biologin gehe es um die sprachliche Genauigkeit. Im Englischen gibt es zwei verschiedene Wörter: „sex“ für das biologische Geschlecht und „gender“ für soziale Geschlechterrollen. Im Deutschen jedoch werden die beiden Begriffe oft miteinander verwechselt, so die Doktorandin.

Ihre zentrale These: „Das biologische Geschlecht des Menschen ist binär, es gibt männliche und es gibt weibliche Menschen. Wir werden männlich oder weiblich geboren und behalten unsere geschlechtliche Zugehörigkeit bis zum Ende des Lebens.“ Oder wie sie sagte: „Geschlechter gibt es nur zwei.“

Vor dem Unigebäude an der Dorotheenstraße stand ein Polizeiwagen Wache. Vollbrechts Vortrag dennoch friedlich. Ab und zu gab es laut Spiegel Applaus und bejahende Zwischenrufe. Eine 40-jährige Frau namens Linda sagte dem Spiegel, sie störe vor allem die angebliche Aggressivität der Transgender-Aktivist:innen. „Früher gab es auch schon Transsexuelle, die haben das aber nicht jedem auf die Nase gebunden“, wird sie zitiert. „Ich will nicht als Terf beschimpft oder gebärendes Wesen genannt werden. Ich bin eine Frau, Punkt.“ Die Abkürzung Terf steht für „Trans Exclusive Radical Feminist“, damit sind Feminist:innen gemeint, die Transmenschen ausschließen.

Die Kritik an der Vortragenden

Vollbrecht wurde Anfang Juni als Co-Autorin eines Beitrags in der Welt unter dem Titel „Wie ARD und ZDF unsere Kinder indoktrinieren“ bekannt. Der Artikel sorgte damals ebenfalls für Aufruhr, auch Utopia hatte darüber berichtet. Die Autor:innen schreiben, die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ziele „darauf ab, den Forderungen von Trans-Lobbygruppen Gehör zu verschaffen, denen zufolge man das biologische Geschlecht wechseln könne“. Das sei den Autor:innen zufolge eine bedrohliche Entwicklung.

Empörung über den Welt-Beitrag schwang in der Debatte über Vollbrechts Vortrag mit. Das legt eine Stellungnahme der HU-Studierendenvertretung nah, des sogenannten Referent:innen-Rats. Dieser beklagt die Diskriminierung von „trans*, inter* und *nichtbinären Personen (kurz TIN*)“ und nennt Vollbrecht eine „offen TIN*-feindliche Person“.

Vollbrecht solidarisiere sich mit „einer Bewegung, welche die Existenz von TIN*-Personen leugnet“. Sie stehe den Terfs nahe, die sich unter anderem gegen den Zugang von Transpersonen zu Räumen für Frauen wenden, heißt es. Vollbrecht sagte dazu T-Online: „Wenn ich als Frau sage, dass ich nicht in der Situation sein will, dass mir in der Sammelumkleide oder unter der Dusche ein Individuum mit Penis begegnet, dann ist das mein gutes Recht.“

Meinungsfrei oder mundtot?

Nach der Absage des Vortrags wurde vor allem die Humboldt-Universität scharf angegriffen. Diese habe der Wissenschaftsfreiheit einen Bärendienst erwiesen, sagte der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen. Hochschulen müssten kritischen Debatten Raum geben, sagt auch Wissenschaftsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP): „Das müssen wir alle aushalten.“ Ein Kommentar der Welt sprach von einem „krassen Fall von Cancel Culture“.

Vollbrecht selbst schrieb in der Zeit: „Biologen, die versuchen, über Zweigeschlechtlichkeit aufzuklären, (werden) inzwischen offen und regelmäßig angefeindet. Die Frage nach Geschlecht und die biologische Zweigeschlechtlichkeit ist längst zu einem Kriegsschauplatz des Kulturkampfs geworden.“ Die Biologin beruft sich auf rein wissenschaftliche Erkenntnisse.

Das tun aber auch ihre Kritiker:innen. Einige Biolog:innen und Sexualwissenschaftler:innen nennen die Thesen von Vollbrecht vereinfachend. Und die Studierendenvertretung schrieb: „Die Wissenschaftsfreiheit ist kein Mantel für die Verbreitung von menschenverachtenden Ideologien und gegen Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse gerichteter Propaganda – die Erde ist keine Scheibe, die Evolution ist kein Verschwörungsmythos und die Unterschiedlichkeit von Menschen hat mehr als zwei Seiten.“

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