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Was soziale Ungleichheit mit den Genen und der Gesundheit anstellt

Eine neue Studie zeigt: Soziale Ungleichheit wirkt sich auf Gene und Gesundheit aus.
Foto: CC0 / Pixabay / jennyfriedrichs

Eine neue Studie zeigt: Soziale Ungleichheit wirkt sich auf Gene und Gesundheit aus. So seien nachteilige Lebensbedingungen in der Lage, Gene und ihr Programm zu beeinflussen.

Einer kürzlich veröffentlichten Studie zufolge ist die frühe Kindheit ein entscheidender Faktor für die spätere Gesundheit. Sie zeigt auch, dass negative Umwelteinflüsse imstande sind, Gene und ihr Programm zu beeinflussen. Als nachteiligen Einfluss auf Gene macht die Studie unter anderem soziale Ungleichheit aus.

„Das Zusammenspiel von Umwelt und Genen können wir als einen grundlegenden Mechanismus sehen, wodurch soziale Ungleichheit die Entwicklung von Kindern beeinflusst und langfristig zu Unterschieden in Bildung, Gesundheit und Wohlbefinden führt“, zitiert die Tagesschau die Entwicklungspsychologin Laurel Raffington. Sie leitet seit 2022 die Forschungsgruppe „Biosozial – Biologie, soziale Unterschiede und Entwicklung“ am Berliner Max-Planck-Institut.

Bereits frühere Studien haben gezeigt, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien häufig ungünstigen Lebensbedingungen oder Lebensweisen ausgesetzt sind – etwa mehr familiärem Stress oder einer ungesünderen Ernährung. Infolgedessen hätten sie auch ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen, Fettleibigkeit oder schlechtere schulische Leistungen. 

Frühe Lebensumstände haben Einfluss auf spätere Gesundheit

In ihren Studien fand Raffington Hinweise darauf, dass soziale Ungleichheit an Genen „sichtbar“ werde – und zwar anhand sogenannter epigenetischer Profile. Gegenstand der Epigenetik ist der Einfluss äußerer Faktoren wie Ernährung oder Stress auf menschliche Gene. Dabei geht es darum, welche Gene in den Zellen abgelesen werden oder sogar stummgeschaltet werden. 

Bei Kindern aus sozial benachteiligten Familien fallen epigenetische Profile der Studie zufolge eher schlecht aus – deuten also auf negative Folgen für die Gesundheit im Erwachsenenalter hin. So sei auch das Risiko, an Diabetes zu erkranken oder schneller zu altern infolge ungünstiger Lebensbedingungen wie sozialer Ungleichheit erhöht.

„Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die frühen Lebensumstände, wenn Kinder zum Beispiel in Armut geboren werden, besonders wichtig für die epigenetischen Profile sind“, erläutert Raffington laut Tagesschau.

Altersbedingten Krankheiten kann weit im Voraus vorgebeugt werden

Im Rahmen ihrer Studie schaute sich Raffington aber nicht nur einzelne Gene an, sondern das gesamte Genom der untersuchten Kinder. Der Grund: Umwelteinflüsse betreffen oft mehrere Gene zugleich – ihre Auswirkungen konnten so besser sichtbar gemacht werden, erklärt die Entwicklungspsychologin.

Für die Studie sammelte Raffington laut Tagesschau mit weiteren Wissenschaftler:innen Speichelproben von insgesamt über 3.200 Kindern und Jugendlichen im Alter von 8 bis 18 Jahren. Hieraus erstellten die Forschenden ein epigenetisches Profil pro untersuchtem Kind. Zur Auswertung nutzten sie auch Ergebnisse früherer Studien.

In ihnen sind damals bereits DNA-Methylierungsstellen identifiziert worden. Das sind Stellen, die Gene regulieren und grundlegend mit einem schlechteren Gesundheitszustand in Verbindung gebracht werden. Raffington wies nach, dass Veränderungen in ihnen auch schon in den Genen von Kindern sichtbar sind.

„Eine Schlussfolgerung aus dieser Arbeit ist, dass Intervention zur Verbesserung der Gesundheit und Langlebigkeit möglicherweise schon Jahrzehnte vor dem Beginn altersbedingten Krankheiten geplant werden sollte“, schlussfolgert die Entwicklungspsychologin.

Epigenetische Profile lassen sich beeinflussen

Zudem seien epigenetische Profile nicht für immer festgelegt, sie lassen sich verändern. Und das auch trotz eventuell schwierigerer Lebensbedingungen in einem jungen Alter, erklärt Raffington.

Im Feld der Epigenetik bleiben derweil weitere Fragen offen: Zum Beispiel ist unklar, wie viel man in einem höheren Alter noch positiv verändern kann. Etwa, wenn man erst als Erwachsene:r beginnt, sich gesünder zu ernähren oder sich mehr zu bewegen.

In einer Interventionsstudie in den USA wird Raffington nun weiter untersuchen, inwieweit epigenetische Profile beeinflussbar sind. Hierzu bekommen Mütter, die an oder nahe der Armutsgrenze leben, sechs Jahre lang Geldgeschenke, um bestimmte Stressfaktoren zu minimieren – hieran soll untersucht werden, ob und inwiefern sich das auf die epigenetischen Profile der Kinder auswirkt.

Denn das ist Raffingtons grundlegendes Forschungsziel: Dass sich aus ihrer Arbeit zukünftig auch sozialpolitische Maßnahmen ergeben und sie so zu einer besseren Entwicklung von Kindern beitragen kann.

Verwendete Quellen: Tagesschau, Max-Planck-Institut

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