Werbung für Nahrungsmittel soll im Hinblick auf Kinder stärker reguliert werden. Weil es beim Gesetzentwurf noch keine Einigung gibt, hat Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) nun einen Kompromiss vorgeschlagen. Dieser wird von verschiedenen Seiten kritisiert.
Die zum Schutz von Kindern geplanten Beschränkungen für Nahrungsmittelwerbung sollen enger gefasst werden. Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) sagte der Rheinischen Post am Samstag mit Blick auf regierungsinterne Gespräche: „Wir haben Anregungen und Kritik einfließen lassen und unseren Entwurf entsprechend präzisiert.“ Unter anderem sollten Werbeverbote für Produkte mit zu viel Zucker, Fett und Salz auf Zeiten konzentriert werden, in denen besonders viele Kinder fernsehen. Der Vorschlag sei nun, dass die Einschränkungen werktags von 17.00 bis 22.00 Uhr gelten, samstags zusätzlich von 8.00 bis 11.00 Uhr und sonntags von 8.00 bis 22.00 Uhr. Bisher war ein Werbeverbot täglich von 6.00 bis 23.00 Uhr vorgesehen.
Verbot von Plakatwerbung
Zu Verboten von Plakatwerbung für ungesunde Produkte an bestimmten Orten sagte Özdemir: „Wir konzentrieren uns hier auf die direkte Ernährungsumgebung der Kinder: Kitas und Schulen.“ Bisher waren solche „Bannmeilen“ auch für Freizeiteinrichtungen und Spielplätze geplant. Zudem werde klargestellt, „dass es kein Verbot von Werbung für Lebensmittel in Schaufenstern gibt“. Vorhandene Ausnahmen von Werbeverboten für Milch und Fruchtsäfte sollten nun auch auf Joghurt ausgeweitet werden, der nicht extra gesüßt ist. Für Werbung im Radio solle auf eine „Sendezeit-Regelung“ verzichtet werden. Im Internet seien „alle gängigen Kanäle betroffen und auch Influencer“.
Kritik an dem Kompromiss
Mit seinem Kompromissvorschlag stieß der Minister auf Kritik. Oliver Huizinga, politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft bemängelte am Montag gegenüber der taz: „Das sind offenkundig Zugeständnisse an die FDP, die das ganze Vorhaben blockieren.“ Dieses Entgegenkommen würde „die Effektivität dieser Regelung verringern.“
Die vorgeschlagenen Regelungen seien weniger weitgehend als in der ursprünglichen Version und der Gesundheit von Kindern weniger zuträglich. „Je weniger Werbung für ungesunde zuckerige, fettige, salzige Produkte die Kinder erreicht, desto besser ist der Schutz“, betont Huizinga.
Gesetzesplan im Februar vorgestellt
Özdemir hatte Ende Februar Gesetzespläne vorgestellt, die zu gesünderer Ernährung und weniger Übergewicht beitragen sollen. In der Regierungskoalition hatte die FDP aber umgehend Einwände angemeldet.
Der Minister sagte zu den vorgelegten Änderungen: „Wir präsentieren einen guten Vorschlag, der gerne noch ergänzt werden darf. Dann werden wir schnell ins Kabinett kommen.“ Im Blick stehen Kinder unter 14 Jahren. Zur Orientierung, was als zu hoher Zucker-, Fett- oder Salzgehalt gilt, sollen die Nährwertberechnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dienen. Gesundheits- und Verbraucherexpert:innen unterstützen die Pläne, Ernährungs- und Werbebranche machen Druck dagegen.
„Falsch verstandenen Freiheitsbegriff“
Der FDP warf Huizinga von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft einen „falsch verstandenen Freiheitsbegriff“ vor. Das Gesetz dürfe nicht noch weiter entschärft werden, so Huizinga. Sollte die Partei doch auf weitere Aufweichungen beharren, stelle sich „die liberale Partei“ ihm zufolge „gegen die Chancengerechtigkeit und die Kindergesundheit“.
Auch die Stiftung Kindergesundheit kritisierte die Änderungen am Gesetzentwurf. „Es ist nicht zielführend, Plakatwerbung in der Nähe von Spielplätzen und Freizeiteinrichtungen weiterhin zu erlauben“, sagte der Vorsitzende der Stiftung Kindergesundheit, Berthold Koletzko, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch mit den gekürzten Verbotszeiten für Fernsehwerbung zeigte er sich unzufrieden: „Wenn man Kinder und ihre Gesundheit wirkungsvoll schützen will, sollten die Zeiten von 6 bis 23 Uhr wochentags und am Wochenende eingeschlossen werden.“
Wolfgang Kubicki argumentiert mit Verantwortung der Eltern
Wolfgang Kubicki, Vize-Vorsitzender der FDP, hält laut der Rheinischen Post auch den nun vorgelegten Kompromiss für „falsch“. Er argumentiert damit, dass ein Werbeverbot nicht das eigentliche Gesundheitsproblem löse – den Bewegungsmangel vieler Kinder. Zudem ziele das Werbeverbot ihm zufolge darauf ab, das Kinder selbst verantwortlich für ihre eigene Ernährung seien. Dabei werden die meisten Kinder vor allem durch die Eltern geprägt, so Kubicki. Ein Werbeverbot für Kinder laufe ihm zufolge „völlig ins Leere“ und sei „nichts anderes als politischer Aktionismus.“
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