Ohne Flugzeug nach Mallorca? Klingt umständlich und teuer. Doch die außergewöhnliche Route hat den Urlaub von Utopia-Redakteur Benjamin sehr bereichert.
Mallorca ist rund 1.000 Kilometer Luftlinie von der südlichen Grenze Deutschlands entfernt. Für mich ist das ein echtes Problem. Denn da meine Freundin auf der Insel wohnt, möchte ich hin und wieder nach Mallorca reisen, ohne dabei jedes Mal in das klimaschädlichste der verfügbaren Fortbewegungsmittel zu steigen. Deshalb habe ich im September 2023 ein Experiment gewagt und bin mit Zug und Fähre statt mit dem Flugzeug nach Mallorca gereist. Dabei hat sich herausgestellt, dass es eine perfekte Route zwischen Deutschland und der Urlaubsinsel gibt, durch die sich die unkonventionelle Reise wirklich lohnt.
Ohne Flug nach Mallorca: Das war meine Route
Wie die Route von Deutschland nach Mallorca gestaltet werden muss, hängt natürlich davon ab, wo genau man die Reise startet. Für mich ging es in Nürnberg los und mein Weg führte mich mit dem Zug über Paris nach Barcelona, von wo aus ich mit der Fähre mein Endziel ansteuerte. Mich reizte diese Route sehr. Denn zuvor war ich weder in der französischen Hauptstadt noch in der katalanischen Küstenmetropole gewesen.
Anstatt also mit dem Flug innerhalb kürzester Zeit nach Mallorca zu hetzen, konnte ich so schon auf dem Hinweg zwei Top-Urlaubsziele zusätzlich besuchen. Dementsprechend fuhr ich die Strecke auch nicht am Stück, sondern verbrachte eine Nacht in Paris sowie zwei Nächte in Barcelona.
Mein Reiseplan sah wie folgt aus:
- Samstag, 5:29 – 8:04, Zug von Nürnberg nach Frankfurt (Main)
- Samstag, 8:56 – 12:38, Zug von Frankfurt (Main) nach Paris
- Nacht von Samstag auf Sonntag, Aufenthalt in Paris
- Sonntag, 14:56 – 21:25, Zug von Paris nach Barcelona
- zwei Nächte von Sonntag bis Dienstag, Aufenthalt in Barcelona
- Dienstag 21:30 – Mittwoch 4:40, Fähre von Barcelona nach Mallorca
Auswirkungen auf die CO2-Bilanz
Laut dem Online-Rechner von Greenmobility haben meine Zugfahrten auf dem Hinweg zusammengenommen 122 Kilogramm CO2 ausgestoßen. Fähren werden leider bei den wenigsten CO2-Rechnern berücksichtigt. Das Umweltnetz Schweiz schätzt die Emissionen bei Passagieren ohne Auto aber auf 18 Gramm pro Kilometer, woraus sich knapp 4 Kilogramm für die 207 Kilometer lange Überfahrt von Barcelona nach Mallorca ergeben. Insgesamt hat die Hinreise etwa 126 Kilogramm CO2-Emissionen verursacht, mein Rückflug 407 Kilogramm.
Aus Klimasicht lohnt es sich also, am Boden zu bleiben, wie auch schon meine Kollegin Katharina feststellte, die diesen Sommer ohne Flugzeug nach Schottland reiste:
Die Nachteile der Zug-Fähre-Route
Für die Zugfahrten habe ich 220 Euro bezahlt, für die Fähre kamen weitere 50 Euro hinzu, also insgesamt für die Hinreise 270 Euro. Zum Vergleich: Der Rückflug hat mich 100 Euro gekostet. Bevor ich also auf die vielen Vorteile der fluglosen Route eingehe, muss ich klar sagen: Züge sind leider noch immer viel zu teuer, um für große Teile der Bevölkerung eine attraktive Alternative zum Flugverkehr zu sein. Wer sowieso schon kaum Geld für Urlaub hat, will sein Budget nicht schon bei der Anreise auf den Kopf hauen.
Auch die längere Reisedauer ist insofern ein Problem, dass man dafür zusätzliche Urlaubstage benötigt. Allerdings hat mir mein Experiment gezeigt, dass sich die Zwischenstopps auf der Reise eher wie eine Bereicherung denn als Verschwendung anfühlten. Insgesamt war ich fast vier Tage unterwegs, bis ich mein Reiseziel erreicht hatte. Die reine Fahrtzeit betrug aber nur etwa 21 Stunden. Die verbleibende Zeit konnte ich mit aufregenden Aktivitäten in zwei der bekanntesten Großstädte Europas nutzen – und genau das war es auch, was die Reise für mich zu etwas ganz Besonderem machte.
Los geht’s: Abfahrt Nürnberg
Die Reise nach Paris verlief unspektakulär. Ich stand frühmorgens auf, nahm den ersten Zug aus Nürnberg und erreichte planmäßig Frankfurt, sodass ich keine Probleme hatte, den 50 Minuten später abfahrenden Anschluss nach Paris zu erwischen. Die lange Umstiegszeit hatte ich bewusst in Kauf genommen, da ich nicht riskieren wollte, wegen einer Verspätung meine Reisepläne über den Haufen zu werfen.
Allzu groß war das Risiko aber ohnehin nicht, da ich innerhalb Deutschlands bei einer Verspätung das Recht gehabt hätte, einen anderen ICE nach Paris zu nutzen. Wer jedoch im Ausland umsteigen muss, läuft Gefahr, einen Zug zu verpassen und dann keinen Ersatz zu bekommen, weil das ausländische Bahnunternehmen nicht für die Verspätungen der Deutschen Bahn haftet.
Mich beruhigte es, dass ich aufgrund meiner geplanten Übernachtungen nie in die Situation kommen konnte, einen wichtigen Umstieg zu verpassen. Für mich ein wichtiges Argument, die lange Reise nicht am Stück durchzuziehen, auch wenn das theoretisch ohne Verspätungen innerhalb von etwa 26 Stunden möglich wäre.
Erster Stop: Paris
In Paris sah ich mich zunächst mit einem kleines Ärgernis konfrontiert, an das ich anfangs nicht gedacht hatte: Ich musste mich nach den Ein- und Auscheck-Zeiten bei den Hostels richten und mir für die Zeiten dazwischen mehrmals Schließfächer für meinen Koffer suchen. An sich keine große Sache, aber hin und wieder etwas ärgerlich, weil es zusätzliches Kleingeld und Zeit kostet.
Anschließend ging ich in ein Hostel, das als besonders nachhaltig beworben wurde. Liebend gerne würde ich es weiterempfehlen, weil es wirklich preiswert, sauber und schick eingerichtet war und zudem ausreichend vegane Optionen zum Frühstück bot. Die Lage nördlich des Ostbahnhofs war allerdings sehr dreckig und ich fühlte mich unsicher.
Im Grunde war das aber zu verkraften. Von den 26 Stunden, die ich insgesamt in Paris verbrachte, war ich sowieso kaum in der Nähe meines Hostels. Ich hatte mir nur ein Ziel fest vorgenommen: den Eiffelturm, wo ich meinen gesamten Abend verbrachte.
Am nächsten Vormittag ging es dann noch ab in den Louvre und so konnte ich innerhalb eines Tages die beiden bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt erleben. Mein Wunsch, einmal Paris gesehen zu haben, wurde innerhalb kürzester Zeit erfüllt, ohne extra einen eigenen Urlaub nur für diese Stadt planen zu müssen.
Schwitzen bei 320 km/h
Bei meinen Planungen dachte ich, die Fahrt von Paris nach Barcelona würde die entspannteste Etappe meiner Reise werden. Schließlich handelt es sich dabei um eine Direktverbindung im Schnellzug TGV. So konnte ich ohne Umstiege in nur sechseinhalb Stunden etwa 1.000 Kilometer zurücklegen.
Tatsächlich entpuppte sich die Fahrt jedoch als die anstrengendste, zumindest zu Beginn. Denn durch die knallende Mittagssonne – am Tag meiner Abreise hatte es in Paris bis zu 29 Grad – hatte sich der 15-Uhr-Zug enorm aufgeheizt. Die Klimaanlage wirkte dem nur sehr langsam entgegen, sodass ich die ersten zwei Stunden der Fahrt ordentlich ins Schwitzen kam. Als es dann endlich kühler wurde, war die restliche Fahrt aber sehr angenehm. Gerade weil ich in Paris ständig auf den Beinen war, genoss ich die Möglichkeit, mich zu erholen und etwas zu schlafen.
Das Hitze im TGV war das einzige größere Problem auf meiner Hinfahrt nach Mallorca. Insgesamt war es sehr angenehm, dass die Reise in drei jeweils etwa siebenstündige Abschnitte unterteilt war. So gab es keinen einzigen Abschnitt, der sich zu lang anfühlte und da ich dabei mit Ausnahme von Frankfurt nie umsteigen musste, eignete sich jede Fahrt zum Erholen und Schlafen. Für mich eine geniale Art zu reisen, weil die Abwechslung zwischen hochaktivem Städtetrip im Schnelldurchlauf und passivem Reisen mit Zug und Fähre bei dieser Route perfekt getaktet ist.
Zweiter Stop: Barcelona
In Barcelona kam ich erst am späten Abend an. Anders als in Paris hatte ich aus diesem Grund auch zwei Nächte in der katalanischen Hauptstadt gebucht. So hatte ich am ersten Tag keinerlei Zeitdruck. Ich ging viel zu Fuß durch die Stadt und an den Strand, sah mir architektonische Kunstwerke wie die Casa Battló, die Sagrada Familia und den Park Güell an und traf ein befreundetes Pärchen, das sich zufälligerweise ebenfalls gerade in Barcelona aufhielt, abends zum Essen. Ein schöner und überraschender Moment, den ich verpasst hätte, wenn ich einfach über das Festland hinweggeflogen wäre.
Bereits an meinem ersten Tag in Barcelona hatte ich alles gesehen, was ich geplant hatte. Erneut merkte ich, dass mir persönlich 24 Stunden ausreichen können, um eine Stadt ausreichend zu erleben. Auch wenn Barcelona wirklich sehr schön ist: Hätte ich dort eine Woche Urlaub gemacht, hätte ich wahrscheinlich gar nicht so viel mehr erlebt, weil ich mir viel mehr Zeit gelassen hätte. Die zusätzlich benötigten Urlaubstage waren also gewiss keine Verschwendung. Im Gegenteil: Effizienter hätte ich sie kaum nutzen können!
So effizient, dass ich mich am zweiten Tag in Barcelona vor allem viel ausruhte; ich genoss das gute Wetter, war auf dem Mercat de la Boquerìa, einem großen lokalen Markt unterwegs, und ließ mir viel Zeit in einem guten veganen Restaurant. So konnte ich ohne große Eile abends entspannt Richtung Fährhafen spazieren.
Spanisch-Lektion in einem Geisterschiff
Die Fahrt mit der Fähre war für mich ein ganz besonderes Erlebnis, aus zwei Gründen. Erstens fuhr sie mitten in der Nacht und es waren kaum Passagiere an Bord. Von den etwa 200 Plätzen waren gerade mal rund zehn besetzt. Ich hatte mir extra eine Sitzplatzreservierung hinzugebucht (kostete nur einen Euro) und staunte dann nicht schlecht, als ich in einem leeren Saal voller freier Sitze stand. Durch die wenigen Passagiere war es sehr ruhig und es entstand eine fast schon surreale Atmosphäre.
Ich erinnerte mich an das Konzept der „liminal spaces“. Es handelt sich dabei um von Menschen erschaffene, alltägliche, aber wie leergefegte Orte, die durch die Abwesenheit jeglicher Personen eine stille, unheimliche Aura bekommen. Es war, als dürfte ich gar nicht dort sein. Zum Glück war ich dann doch nicht der einzige Passagier an Bord, ansonsten wäre es wirklich gruselig geworden.
Der zweite Grund, warum die Überfahrt so besonders war: Eine der wenigen Mitreisenden war eine Spanierin, die kein Englisch konnte. Vor der Reise hatte ich extra etwas Spanisch gelernt, konnte das aber in der Metropole Barcelona kaum anwenden, weil bei den Sehenswürdigkeiten, Restaurants und Hostels ohnehin jede:r Englisch sprechen konnte. Auf der Fähre musste ich erstmals mein rudimentäres Spanisch bemühen.
Das klappte zwar nur sehr holprig und an eine fließende Unterhaltung war nicht zu denken. Doch immerhin konnte ich mich verständigen, was ebenfalls eine wertvolle Erfahrung für mich war.
Der Trip von Barcelona nach Mallorca wurde also aus zwei Gründen zu einem unerwarteten Highlight. Da die Fähre aber nachts fuhr und ich mich komfortabel quer über eine Sitzreihe legen konnte, verbrachte ich den Großteil der Überfahrt im Schlaf.
Ankunft auf Mallorca
Da es bei meiner Ankunft auf Mallorca noch dunkel war, fuhren meine Freundin, die mich abholte, und ich schnurstracks zur Aussichtsplattform Sant Salvador, um von dort aus den Sonnenaufgang zu beobachten. Der perfekte Beginn meines Mallorca-Urlaubs und ein magischer Moment, den ich mit einer anderen Reiseroute verpasst hätte.
Fazit: Teuer und zeitaufwändig, aber es lohnt sich
Die Reise mit Zug und Fähre nach Mallorca war für mich eine einzigartige Erfahrung, die sich auf jeden Fall gelohnt hat. Zwar musste ich etwa 170 Euro mehr zahlen als mit einem Flug, aber das war es mir wert. Auch die zusätzlichen Urlaubstage, die ich für die Reise einsetzen musste, haben sich gelohnt. Die Aufenthalte in Paris und Barcelona waren erlebnisreicher als es drei weitere Tage auf der Insel gewesen wären und für Mallorca hatte ich trotzdem noch zwei Wochen Zeit.
Auch wenn diese Reisevariante sicher nicht für jede:n Menschen und für jede Strecke geeignet ist: Mich hat das Experiment dazu motiviert, in Zukunft noch mehr Fernreisen ohne Flugzeug zu unternehmen. Wenn ich das nächste Mal meinen Urlaub plane, werde ich mich von vornherein informieren, welche anderen Orte ich auf dem Weg zu meinem Ziel besuchen kann.
Und der Rückflug?
Dass mein Experiment so gut laufen würde, hätte ich vorher nicht geahnt, weshalb ich mir für den Rückweg vorsichtshalber einen Flug buchte. Ich sparte damit Geld und zu wissen, dass ich bereits mittags zu Hause sein kann, wenn ich frühmorgens aufstehe, war eine Erleichterung. Trotzdem fühlte sich das Fliegen nicht gut an – und das nicht nur wegen der Auswirkungen auf meine CO2-Bilanz.
Mit dem Flugzeug reisen (zumindest in der Economy-Class einer Billig-Airline) ist anstrengend. Im Flieger auf engsten Raum in meinen zugewiesen Platz gepresst, mit keiner Chance auf bisschen Beinfreiheit oder Nackenunterstützung sowie den intensiven Schweiß- und Parfümgerüchen meiner Mitreisenden, fühlte ich mich sehr unwohl.
Auf der Fähre konnte ich mich frei bewegen, der Zug bot mir immerhin theoretisch die Möglichkeit beim nächsten Halt auszusteigen. Doch im Flugzeug war ich zwischen Start und Landung für zwei Stunden gefangen. Ich war zu müde, um wach zu bleiben, doch zu eingeengt, um schlafen zu können. Kurzum: Die anstrengendsten Stunden meiner Reise verbrachte ich über den Wolken.
Auch die Ankunft selbst war unbefriedigend. Es fühlte sich falsch an, als hätte ich einen Cheatcode eingegeben und mich auf magische Weise ans Ziel teleportiert. Auf der Hinreise wusste ich noch jeden zurückgelegten Kilometer zu schätzen, bekam ein Gefühl für die enorme Distanz zwischen Start und Ziel und konnte das Erlebte zwischen den Etappen verarbeiten. Doch beim Fliegen ging das Gefühl, eine Reise zu unternehmen, für mich verloren. Als ich ankam, war ich mit dem Kopf noch auf Mallorca.
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