Wie bist du auf die Idee gekommen, Africa GreenTec zu gründen?
Ich war zu dem Zeitpunkt Mitgründer der Crowdfunding-Plattform Bettervest. Daraufhin hat mich mein Schwager, der engen Kontakt zur Regierung hatte, 2014 nach Mali eingeladen, um dort in irgendeiner Form die Energiekrise zu lösen. In Mali habe ich dann zum ersten Mal ein großes Dieselkraftwerk gesehen, was mich fasziniert und erschrocken hat. Diese Generatoren sind ineffizient, klimaschädlich und liefern teuren Strom. Sie stehen in einem Land, in dem die Sonne deutlich stärker scheint als in Deutschland. Das war der Auslöser für die Gründung von Africa GreenTec.
Was passiert bei Africa GreenTec genau?
Wir arbeiten in Dörfern, die keine Elektrizität, keinen Zugang zu Wasser, Gesundheitsleistungen und Kühlversorgung haben. Wir wollen durch den Aufbau von Basisinfrastrukturen Menschen die Möglichkeit geben, statt zu migrieren oder im schlimmsten Fall einer Terrororganisation beizutreten, in ihrem Dorf zu bleiben und ein glücklicheres Leben zu führen. Klingt ein bisschen pathetisch, aber das ist tatsächlich Sinn und Zweck unserer Arbeit. Wir haben dafür die ImpactSite entwickelt, eine Infrastruktur, die sich den Aspekten Strom, Wasser, Kühlketten und Kommunikation widmet: Der Solartainer, der inklusive Speicher circa 150 000 Euro kostet, ist das Herzstück. In ihm sind Photovoltaikanlagen, Lithium-Batterien zum Speichern des Stroms, eine Wasserreinigungsanlage und eine Satellitenantenne, die Zugang zu Internet verschafft, integriert. Es gibt aber auch weitere Produkte, wie zum Beispiel der Cooltainer – ein Gemeinschaftskühlhaus, das komplett mit Solarenergie betrieben wird. Die Menschen können dadurch höhere landwirtschaftliche Erträge erzielen, einen Teil ihrer Erzeugnisse verkaufen und damit Einkommen generieren, welches oft sofort in die Bereiche Bildung und Gesundheit fließt. Diese Aspekte sind wiederum wichtig, um unser langfristiges Ziel zu erreichen: die Bekämpfung von Fluchtursachen.
Wie sieht euer Geschäftsmodell aus?
Africa GreenTec hat zwei Geschäftsmodelle: das Betreibermodell und die Genossenschaft. Im Betreibermodell gründen wir eine Gesellschaft und sind ganz normale Energieversorger. Die Anlagen werden über Darlehen finanziert, zum Beispiel über Crowdinvesting oder Anleihen, die die Betreibergesellschaft aufnimmt. Bei dieser Variante muss man, um profitabel zu arbeiten, ungefähr 20 000 Kunden haben. In der Regel haben Dörfer 300 bis 400 Anschlüsse. Du brauchst 50 bis 60 Dörfer, um mit so einem Modell die Kosten zu decken. Du musst Personal aufbauen, du brauchst Fahrzeuge, Lager, Büros. Und das ist sehr aufwendig. Dieses Modell gibt es momentan in Mali und im Niger. Beim zweiten Modell schließen sich die Kunden zu einer Genossenschaft zusammen, die die Anlage besitzt und betreibt. In diesem Fall sind Stiftungen, gemeinnützige Vereine, Firmen oder Privatpersonen Sponsoren der Technologie.
Habt ihr Angestellte vor Ort oder werden die Projekte von den Dorfbewohnern betreut?
Vor Ort gibt es einen Wächter, der die Anlage reinigt und nachts überwacht sowie mindestens einen Elektriker, der tagsüber für das Aufladen der Stromguthaben, Netzstörungen und kleinere Wartungsarbeiten zuständig ist. Es gibt auch regionale Service-Techniker, die größere Wartungsarbeiten durchführen. Zusätzlich können wir über Fernwartung auf die Anlagen zugreifen und Updates durchführen. In der Hauptstadt des Landes sitzt das kaufmännische Team und das Kundenmanagement, das im gesamten Land die Arbeiten, Importe und Finanzen koordiniert.
Also es ist eine Art private Entwicklungszusammenarbeit?
Den Wunsch, benachteiligten Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen, haben wir natürlich auch, aber auch das Ziel, Strukturen zu schaffen, die sich selbst tragen und nachhaltig funktionieren. Das geht nur, wenn Einkommen generiert wird. In der Entwicklungshilfe ist das nicht immer der Fokus. Dort werden Projekte ausbezahlt, abgeschlossen und anschließend sich selbst überlassen. Aus diesem Grund geht danach auch viel kaputt. Und das ist bei uns anders. Wir denken ohne Ende. Wir wollen auch, dass unsere Kinder und die Kinder unserer Mitarbeiter das Unternehmen weiterführen.
Man braucht jede Menge Mut, um in der Sahelzone aktiv zu werden, oder?
Ja, die einen sagen Mut, die anderen sagen Wahnsinn. Es ist irgendwas dazwischen.
Wie schaffst du es trotz der komplexen Lage produktiv zu sein?
Ich lade mich auch auf, wenn ich die Dörfern sehe, was ich durch mein Tun bewirken kann. Diese Kraft hat nichts mit Geld oder mit Fähigkeiten zu tun, sondern sie passiert auf einer spirituellen Ebene.
Wie gefährlich ist eure Arbeit?
Africa GreenTec ist in Mali gestartet, weil wir dort das beste Netzwerk hatten. Mittlerweile ist Mali eines der gefährlichsten Länder der Welt, aber wir haben es uns damals nicht ausgesucht, weil es gefährlich oder nicht gefährlich ist. Heute sind wir aber der Auffassung, dass man dort, wo es am schwierigsten ist, am meisten helfen sollte. Der Terrorismus in der Sahelzone stellt für unsere Mitarbeiter definitiv eine Gefahr dar. Wir schränken unsere Arbeit vor Ort deswegen so weit wie möglich ein. Die Hauptgefahr sind aber nicht Terrorangriffe, sondern Infektionskrankheiten und Unfälle.
Und was sind eure Pläne mit Africa GreenTec?
Die Vision ist klar: Bis 2030 drei Millionen Menschen in 1000 Dörfern mit unserer ImpactSite versorgen. Dazu brauchen wir ungefähr eine Milliarde Euro Kapital. Und dann würde ich das Unternehmen der nächsten Generation übergeben.
Text: Roxana Adam
War dieser Artikel interessant?