„Es geht uns um die digitale Selbstermächtigung“, sagt Christian Eichbauer im Homeoffice und schiebt nachdrücklich hinterher: „Kund*innen wollen Probleme selber lösen.“ Auf dem Bildschirm nicken drei seiner Kolleg*innen zustimmend. Neben dem Marketing-Mann Eichbauer haben auch Projektkoordinator Jonathan Hoven, Projektleiter Martin Wiegers und Michael Orth, Abteilungsleiter Kundenservice und Beratung, in den letzten zwei Jahren an „GLS Online Invest“ mitgearbeitet – oder um es mit Christian Eichbauer zu sagen, am „nachhaltigsten Robo Advisor der Welt“. Wieder überzeugtes, fröhliches Nicken auf dem geteilten Bildschirm. Die Vorfreude auf den Start beim Team ist spürbar. Am 1. Dezember geht der „Robo“, so die mittlerweile bei Anleger*innen weltweit geläufige Kurzform, online.
Doch die Konkurrenz ist groß. Mehr als 30 Anbieter (Stand Anfang 2020) gibt es bereits laut finanztip.de am deutschen Markt. Einige, etwa klimafonds.de, sind bereits gemäß Eigenbeschreibung auch erfolgreich nachhaltig unterwegs. Über Robos werden mittlerweile Milliarden Euro Kund*innengelder hierzulande verwaltet. Der Bundesverband deutscher Banken sagt dazu: „Das verwaltete Anlagevolumen aller Robo Advisors in Deutschland dürfte insgesamt bei einem mittleren einstelligen Milliardenbetrag liegen.“ Und: Man sehe auch in diesem Bereich „einen neuen Trend zur einer höheren Aufmerksamkeit für nachhaltige Geldanlagen.“ Analyst*innen rechnen jedenfalls mit einer deutlichen Zunahme des von Robos verwalteten Kapitals im nächsten Jahr in Deutschland – ein zweistelliger Milliardenbetrag wird prognostiziert. Allein der Marktführer in Deutschland, Scalable Capital, verwaltet derzeit laut dem Handelsblatt ein Vermögen in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro.
Robo Advisor der GLS Bank: nachhaltig und digital
Worum aber kümmert sich ein eigentlich ein Robo Advisor? Es handelt sich um einen automatisierten „Finanzberaterin“. Oder um es mit der zuständigen staatlichen Kontrollbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), zu sagen: „Menschliche Interaktion bzw. menschliche Eingriffe in den Beratungsprozess fehlen entweder vollständig oder sind nur in begrenztem Umfang vorhanden.“ Stattdessen arbeiten hier Algorithmen, die anhand von voreingestellten Parametern agieren und Gelder platzieren. Für die BaFin haben Robos durchaus viele Vorteile, etwa geringere Kosten, aktuellere Infos oder eine bessere Anlage-Transparenz. Risiken wie Datenmissbrauch und eine mögliche Manipulation durch Dritte, also „Hackerangriffe“, gebe es aber dennoch.
Konkreter: In der Regel legt man als Anleger*in/User*in im Rahmen einer Fragestrecke und danach im eigenen Konto in Form eines Sparplans fest, wie viel und wie riskant wo investiert werden darf. Der Robo eröffnet dann automatisch ein Depot und legt los bzw. kauft und verkauft: Aktien unterliegen Schwankungen, bedeuten folglich mehr Risiko, Anleihen gelten als eher stabile Investition. Auch Immobilien und Rohstoffe können als wählbare Anlageklassen vorkommen. Beliebt sind ETFs, „Exchange Traded Funds“, die einfach und günstig Aktienlisten, also die führend am jeweiligen Markt gehandelten Unternehmensanteile wie etwa im Dax, nachbilden. ETFs sind oft somit überwiegend sogenannte „Indexfonds“.
Für das Team in Bochum war das eine Herausforderung, denn die in Robos auftauchenden ETFs richten sich zumeist nach rein ökonomischen Kriterien. Wie ist das mit Nachhaltigkeitsanspruch der GLS Bank vereinbar? Die Antwort lautete nach längerer Prüfung: gar nicht. Projektkoordinator Jonathan Hoven sagt dazu: „Ein Investment in ETFs ist aus unserer Sicht per se nicht nachhaltig, weil sich Unternehmen dauerhaft sozial-ökologisch und ökonomisch verändern.“
Was Hoven meint ist Folgendes: Bei ETFs lässt sich nicht ausschließen, dass Unternehmen und deren Töchter auftauchen, die gegen die hausinternen, zweistufigen Prüfkriterien, wenn auch möglicherweise nur zeitlich begrenzt, verstoßen. Das Team „GLS Research“ überprüft regelmäßig sämtliche Unternehmen, die mit der Bank und deren Produkten in Verbindung stehen. Ein unabhängiger Ausschuss checkt zusätzlich, ob die ausgewählten Unternehmen in Anlageprodukte der Bank passen.
Zocken nicht möglich – keine ETFs
Der entscheidende Verzicht auf ETFs und die strengen Prüfkriterien wirkten sich auch prägend auf die Wahlmöglichkeiten innerhalb des Robos aus, den die GLS Bank lieber „nachhaltiger Anlage-Assistent“ nennt. „Zocken geht nicht. Das verhindert die Struktur, die wir aufgesetzt haben. Eine kurzfristige, riskante Über- oder Untergewichtung ist nicht möglich,“ sagt Sinan Aydogan. Er kümmert sich um das Portfolio-Management. „Es gibt bei uns klare Governance-Vorgaben. Ich kann überhaupt nur Fonds aufnehmen, die vorher von den Kolleg*innen von GLS Research und dem Anlageausschuss freigegeben worden sind.“
Salopp gesagt, bekommt der Robo somit nach GLS-Standards per se nur nachhaltigen Input. Aydogan erklärt weiter Funktionalität und Wahlmöglichkeiten: Man könne als Anleger*in zwischen drei Musterportfolios, die sich wiederum anteilig aus fünf von der GLS Bank ausgewählten Fonds zusammensetzen, wählen. Über eine entsprechende „Fondsmischung“ ergeben sich drei Anlagetypen: Die sicherheitsorientiere Variante setzt sich zu 70 Prozent aus Anleihen und zu 30 Prozent aus Aktien zusammen, die mittlere gewichtet 50/50 und die risikoorientierte basiert auf 30 Prozent Anleihen und auf 70 Prozent Aktien. Loslegen kann man mit 25 Euro monatlich oder einmalig 500 Euro. Seinen Sparplan kann man jederzeit Tag und Nacht ändern, mehr oder weniger investieren. Die Kosten für Anleger*innen liegen bei einem Prozent der verwalteten Summe – zuzüglich Fondskosten.
Die strikte Kontrolle der Portfolios seitens der Bochumer Bank findet auch der IT-Partner des Projekts bemerkenswert. „Keine ETFs und ein von der GLS selbstgesteuertes Portfolio-Management, machen GLS onlineInvest besonders“, sagt Waldemar Galys von Union Investment. Realisiert hat die „responsive Anwendung, die sowohl auf dem Desktop also auch mobil nutzbar ist“ die FinTech-Tochter Visualvest, für die mittlerweile 100 Mitarbeiter*innen arbeiten. Galys erklärt, dass die Plattform eine Eigenentwicklung sei. „Sechs Banken nutzen diese in angepasster Form bereits.“
Erfahrungswerte hinsichtlich der Software waren auch für die GLS Bank wichtig. Falls sich dennoch mal jemand Sorgen machen könnte, verweist Projektleiter Martin Wiegers auf die solide gemeinsame Entwicklung und die Technik dahinter: „Die Daten liegen bei Visualvest, die die gesamte, sichere IT-Infrastruktur stellt. Dies ist über einen Auslagerungsvertrag dezidiert geregelt.“ Zudem wolle man 2021 die Zusammenarbeit mit dem Launch einer neuen Banking-App fortsetzen.
Robo Advisor der GLS Bank: Frage nach dem Wie entscheidend
Für die in Bochum beheimatete GLS Bank ist der „nachhaltige Anlage-Assistent“ ebenso Digitalisierungs- wie Überzeugungs-Projekt. Denn anfangs gab es Skepsis, als der Gedanke im in einer ruhigen Seitenstraße gelegenen Geldhaus im Stadtteil Ehrenfeld erstmals diskutiert wurde. Passt ein Robo Advisor zum nachhaltigen Konzept? Können Algorithmen das gewährleisten, was sich in den Leitideen der Bank manifestiert? „Wir wollen die Welt besser machen“ ist eine davon.
Aus der generellen Frage, ob ein Robo GLS-kompatibel sei, wurde schnell eine danach, wie denn ein nachhaltiger Robo gemäß GLS-Standards aussehen müsste. Denn das eingangs erwähnte Thema Selbstermächtigung hat für das Bochumer Projektteam mehrere Ebenen. So wächst vor allem die Zahl junger Kund*innen, die das nachhaltige Konzepts der Bank goutieren. „Die jungen Menschen, die sich fragen, was macht mein Geld bei meiner Bank, kommen zu uns, weil wir das nachhaltigste Angebot in Deutschland haben“, sagt Michael Orth, Leiter Kundenservice und Beratung. „Gerade in der Zielgruppe unter 28 Jahren wachsen wir deutlich stärker als alle anderen Banken.“ Die Frage, was das eigene Geld bewirke sei unabhängig von Generationen für Kund*innen wie Mitarbeiter*innen entscheidend. Ein Konsens, den nahezu jede*r Projektbeteiligte in Gesprächen immer wieder betont.
Fonds des GLS Robos
Für die Bochumer*innen heißt Selbstermächtigung somit auch, die Wirksamkeit des Investments transparent und verständlich zu machen. Dafür gibt es mittlerweile ein eigenes Team im Haus. „Das Thema Wirkung ist der rote Faden in der Anlageberatung und er soll jetzt noch stärker sichtbar werden“, sagt Projektkoordinator Jonathan Hoven. Der Robo Advisor der GLS Bank müsse allerdings zum Start noch ohne eine entsprechende Visualisierung des Themas, also, dass User*innen direkt sehen könnten, was sie mit ihrem Investment bewirken, auskommen. Daran würde aber mit Hochdruck gearbeitet.
Bis dahin muss der ausdauernde Blick auf die stringente sozial-ökologische Zusammensetzung der Fonds des Robos reichen. „Ein sinnvolles Investment mit Wirkung ist mindestens auf fünf Jahre angelegt“, sagt Portfolio-Manager Sinan Aydogan.
Text: Jan Scheper
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