Pflanzliche Milchalternativen verzeichnen seit einigen Jahren ein rasantes Marktwachstum. Milch auf pflanzlicher Basis von Soja, Hafer, Mandel und Co. konnte dem Marktforschungsunternehmen Nielsen zufolge zwischen August 2019 und August 2020 um ganze 47 % zulegen. Sie liegt damit weit über den 2019 weltweit prognostizierten Zuwachsraten für alternative Milchgetränke von jährlich knapp 10 %.
Besonders stark stieg in Deutschland in diesem Zeitraum der Anteil an Hafermilch. Mit 115 % gehört sie laut Nielsen nicht nur zu den Wachstumsgewinnern, sondern auch zu den beliebtesten pflanzlichen Milchgetränken der Deutschen. Bereits mehr als die Hälfte (53 %) des Gesamtumsatzes in der Kategorie Milchalternativen werden in Deutschland mit Hafermilch eingefahren.
Auch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bestätigt das „äußerst dynamische“ Wachstum der Milchalternativen. In ihrem monatlichen Bericht zu den GfK-Haushaltsbefragungen bezeichnen die Marktforscher aus Nürnberg diesen Markt sogar als „krisenresistent“.
Wachstumstreiber sind vielfältig und nachhaltig
Die Gründe für das starke und krisenunabhängige Wachstum sind vielfältig – so wie die Konsumenten selbst: „Da kommen mit Sorgen um den fortschreitenden Klimawandel, dem Wissen um den Einfluss der eigenen Ernährung, dem Wunsch, sich gesünder zu ernähren, und dem Entsetzen über die Zustände in der Massentierhaltung gleich mehrere starke Gründe zusammen. Abgesehen davon schmecken die Milchalternativen aber auch sehr lecker“, so Anna-Lena Klapp, Expertin für pflanzliche Milchalternativen und Chefredakteurin des Pflanzenmilch-Reports der internationalen Ernährungsorganisation ProVeg.
Die Umwelt- und Klimabilanz von Alternativprodukten ist erfreulich. Pflanzliche Milchalternativen schneiden sowohl beim Ausstoß von Treibhausgasen als auch beim Land- und Wasserverbrauch um bis zu 95 % besser ab als Kuhmilch. Hafermilch steht dabei besonders gut da. Ihr kommen auch die kurzen Transportwege des Hafers zugute, denn das Getreide lässt sich in unseren Breiten gut anbauen.
Staat straft klimafreundlichere Milchalternativen ab
Trotz der guten Bilanz in puncto Gesundheit, Klima, Tierwohl und Umwelt werden pflanzliche Milchalternativen von der Politik immer noch benachteiligt. Für sie gilt der erhöhte Mehrwertsteuersatz von 19 %. Kuhmilch dagegen wird nur mit 7 % besteuert: eine indirekte Subventionierung eines klima- und umweltschädlichen Lebensmittels, das kürzlich erst vom WBAE, dem wissenschaftlichen Expertengremium des Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung, aus umwelt- und klimapolitischen Gründen als nicht sachgemäß kritisiert wurde. Das Gremium fordert eine niedrigere Besteuerung für umwelt- und klimafreundliche, konkret pflanzliche, Lebensmittel. Tierische Lebensmittel dagegen sollten nicht mehr gefördert, sondern mit 19 % besteuert werden.
Rasantes Wachstum ohne die Milchindustrie?
Trotz dieser Hürden rechnen Hersteller alternativer Milchprodukte mit rosigen Zeiten: „Aktuell haben Pflanzendrinks noch einen Anteil von gut 10 Prozent am gesamten Milchmarkt in Deutschland. Wir gehen aber davon aus, dass es in den nächsten 10 Jahren einen drastischen Wandel im Konsum geben wird und dadurch deutlich mehr Pflanzendrinks als Kuhmilch konsumiert werden“, so Helge Weitz, DACH-Manager bei Oatly, dem Marktführer für Hafermilch.
Die klassische Milchwirtschaft hält sich mit eigenen Milchalternativen trotz der guten Marktaussichten noch zurück. Den deutschen Markt dominieren bisher Alpro, gefolgt vom Lebensmittelhandel mit einer Vielzahl von Eigenmarken auf Platz 2 und dem schwedischen Hafermilchhersteller Oatly auf Platz 3 des Umsatzrankings. Obwohl der Marktführer Alpro, der 2017 vom Global Player Danone übernommen wurde, ein enormes Wachstum verzeichnet, ziehen dessen Konkurrenten aus der milchverarbeitenden Lebensmittelindustrie nicht mit Milchalternativen nach.
Mögliche Gründe für die Zurückhaltung: Molkereiunternehmen fürchten den Druck ihrer Zulieferer, der Milchbauern, die seit Jahrzehnten über fallende Milchpreise klagen und sich vor allem mit EU-Landwirtschafts-Subventionen über Wasser halten. Milchverarbeitende Unternehmen selbst profitieren zudem von den niedrigen Milchpreisen, da sie die Margen ihrer Molkereiprodukte erhöhen.
Konsum von Kuhmilch geht zurück
Der Verkauf von sowohl Frischmilch als auch H-Milch ist in Deutschland rückläufig. Allein im vergangenen Jahr ist der Umsatz von Frischmilch um 3,5 % und von H-Milch um 6 % gefallen. Anstatt jedoch die Entwicklung hin zu den zukunftsträchtigen klima- und tierfreundlichen Milchalternativen aufzugreifen und vegane Milchalternativen auf den Markt zu bringen, greift die Milchwirtschaft zu bekannten Abwehrmechanismen.
Mithilfe eines Onlineportals plant die Milchindustrie, die Informationshoheit über Kuhmilch- und milchähnliche Produkte wiederzuerlangen. Laut Lebensmittelzeitung sollen dafür zurzeit mehrere Millionen Euro bei den Akteuren der Milchwirtschaft eingesammelt werden. Gleichzeitig haben Lobbyisten der Agrar- und Milchwirtschaft im EU-Parlament erreicht, dass pflanzliche Molkereiprodukte nicht mehr als pflanzliche „Milch“ oder veganer „Käse“ bezeichnet werden dürfen. Neu ist, dass auch Bezeichnungen wie „Typ Joghurt“ oder „Butter“-Alternative nicht mehr erlaubt werden. Das Argument der Agrar- und Milchwirtschaft-Lobby, die mit der Aktion unliebsamen Wettbewerb abwenden möchte: Die Verbraucher könnten andernfalls pflanzliche Milchalternativen nicht von Kuhmilchprodukten unterscheiden.
Kein Kunde verwechselt Scheuer- oder Kokosmilch mit Kuhmilch
Befürworter einer nachhaltigen Ernährung sehen dieses Argument als vorgeschoben. Sie argumentieren: Niemand würde bei Scheuermilch oder Kokosmilch an Kuhmilch denken. Jasmijn de Boo, Vizepräsidentin von ProVeg, kann das Vorgehen des EU-Parlaments nicht nachvollziehen: „Es steht in direktem Widerspruch zu den erklärten Zielen der Europäischen Union in der internationalen Green-Deal- sowie Farm-to-Fork-Strategie, die eine Wende zu einem nachhaltigeren und gesünderen Ernährungssystem bewirken sollen.“ Die Nutztierhaltung verursacht etwa 16 % aller weltweit erzeugten Treibhausgasemissionen. Alternativen zu tierischen Produkten sollten daher nicht blockiert, sondern gefördert werden.
Weitere Informationen auf www.proveg.com/de.
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