Seit Anfang Juli greift eine neue Verordnung: Die Deckel von Einwegflaschen und Milchkartons müssen fest mit der Verpackung verbunden sein. Was steckt hinter den „Tethered Caps“ – und wie werden sie entsorgt? Und: Handelt es sich bei den Deckeln um reinen Aktionismus?
Um den Plastikmüll in der Umwelt zu verringern, sind in Deutschland seit dem 3. Juli lose Verschlusskappen bei bestimmten Getränken verboten. Das betrifft Einwegverpackungen, deren Deckel aus Kunststoff bestehen – etwa Saftkartons oder Einweg-PET-Flaschen – mit einem Volumen bis zu drei Litern. Glas oder Metall sowie Mehrweggetränkebehälter sind nach Angabe des Bundesumweltministeriums von der Pflicht ausgenommen.
Die neuen Verschlüsse – genannt „Tethered Caps“ – sind seit dem 3. Juli 2024 gemäß einer neuen EU-Richtlinie (Einwegkunststoff-Richtlinie 2019/904) Pflicht. Der Hintergrund: Die losen Deckel sollen nicht in der Umwelt landen und dort für noch mehr Verschmutzung sorgen.
Experte: Fest angebundene Flaschendeckel nicht logisch
Ein Verpackungsexperte hat die verbindliche Vorgabe fest angebundener Flaschendeckel als nicht zwingend und nicht logisch kritisiert. „Bringt das wirklich etwas für den Planeten oder selbst für Europa? Und da ist meine klare Antwort: Nein“, so Markus Prem von der Hochschule Kempten gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Es handele sich um reinen Aktionismus, um ein schlechtes Gewissen zu beruhigen.
Prem gibt zu bedenken, dass die Menge an weggeworfenen Deckeln, die schließlich im Meer oder in Flüssen und Seen landen, äußerst gering sei. „Man hat damit der Industrie Milliardeninvestitionen unter anderem in neue Maschinen auferlegt für einen Effekt, der quasi nicht messbar ist.“ Der Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels teilte der dpa auf Anfrage mit, Anlagen hätten um- oder neu gebaut werden müssen. „Wir gehen von Beträgen im Millionenbereich aus“, hieß es.
„Wichtiger ist, Kunststoffe zu recyceln“
Der Anteil von Europa und Amerika an den Kunststoffen, die ins Meer gespült werden, sei gering, sagte Prem. Die überwältigende Mehrheit stamme aus Asien. „Wir müssten ganz woanders ansetzen, wenn wir wirklich was bewegen wollten.“ So sei es viel wichtiger, Kunststoffe zu recyceln und einen Kreislauf zu bilden. „Kunststoffe sind bisher in vielen Bereichen Verbundmaterialien, die nicht oder nur sehr schwer recycelbar sind.“
Wie funktioniert das Recycling bei Tethered Caps?
Bislang galt der Tipp von Entsorgungs-Expert:innen, die Deckel von Getränkepackungen einzeln über den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne zu entsorgen. Hannan Farooq von der Wittmann Entsorgungswirtschaft GmbH meint im Gespräch mit Utopia: „Generell empfehlen wir, Verpackungsmaterialien vor der Entsorgung durch den Konsumenten sorgfältig zu sortieren. Eine gründliche Vorsortierung erhöht die Effizienz der Sortieranlagen erheblich.“
Das ist bei den „angebundenen Deckeln“ nicht mehr möglich, bzw. nicht Sinn der Sache. Hier gilt: Die verbundenen Deckel sollen nicht gewaltsam entfernt werden. Sie verbleiben an den Getränkeverpackungen und werden über den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne entsorgt.
Das Recycling wird durch die Tethered Caps etwas erschwert, sollte aber weiterhin funktionieren, wie uns Entsorgungs-Expert:innen erklären. „Da beide Teile aus unterschiedlich dichten Kunststoffen bestehen, lassen sich die Materialien dann durch das Schwimm-Sink-Verfahren trennen: Die Flaschen sinken zu Boden, während der Deckel schwimmt“, erläutert Lena Langenkämper vom Recyling-Unternehmen Remondis. So können die Kunststoffteile separat weiterverarbeitet werden. Bei Materialien mit deutlich unterschiedlicher Dichte ist die Trennung weniger problematisch als bei Materialien mit fast identischer Dichte.
Langenkämper erklärt weiter: „Die Herausforderung beim Recycling von Getränkekartons liegt aber weniger bei den Verschlüssen, die so ja weitestgehend separiert werden könnten. Schwieriger ist es, den Verbund aus verschiedenen Materialien (Kunststoff, Aluminium, Papierfasern) voneinander zu trennen.“
In welchen Müll gehören Getränkekartons?
Auch wenn Getränkekartons von Tetra Pak, Elopak oder SIG überwiegend aus Karton bestehen: Sie gehören nicht in die Papiertonne. Die Verpackungen, die hauptsächlich für Getränke verwendet werden, bestehen aus bis zu sieben Schichten und enthalten neben Papier auch Kunststoffe und zum Teil eine dünne Schicht Aluminium. Auch die Entsorgung im Restmüll ist nicht korrekt.
Richtig aufgehoben sind Tetra Paks & Co. nur im Gelben Sack, beziehungsweise der Gelben Tonne. Nur so können in der Recyclinganlage die verschiedenen Materialien separiert und dann recycelt werden.
Hinweis: Der Begriff Tetra Pak wird umgangssprachlich für alle Getränkekartons genutzt, es gibt allerdings verschiedene Firmen, die Getränkekartons herstellen. Hierzu gehören neben Tetra Pak auch Elopak oder SIG. Für all diese Produkte gelten dieselben Regeln bei der Entsorgung.
Deckel von Senftuben, Joghurtbechern & Co.: Materialien nach Möglichkeit trennen
„Keine Sortieranlage kann so gut sortieren wie der Mensch“, erklärt Lena Langenkämper vom Recyling-Unternehmen Remondis. „Der Sortiererfolg der Anlagen hängt ganz wesentlich von der korrekten Abfalltrennung in den Haushalten ab.“ Deshalb gilt für die Deckel von Joghurtbechern, die Deckel von Senftuben und die Folien von Käsepackungen: Nach Möglichkeit voneinander trennen – und dann in den Gelben Sack werfen.
Remondis erklärt: „Wenn wir einmal das Beispiel mit dem Joghurtbecher nehmen: Da es sich bei dem Becher (Kunststoff) und dem Deckel (Aluminium) um verschiedene Materialien handelt, sollte der Deckel abgetrennt und beides separat in die Gelbe Tonne oder den Sack geworfen werden. So ermöglichen wir für beide Materialien eine Verwertung. Separieren wir nicht, muss sich die Sortieranlage quasi ‚entscheiden‘, welchem Material sie Vorrang gibt. Der andere Wertstoff geht so für das Recycling verloren.“
Bei Konservendosen aus Weißblech hingegen müssen die Deckel nicht entfernt werden – Dose und Deckel sind aus dem gleichen Material gefertigt.
3 wichtige Tipps fürs korrekte Recycling
- Die Gefäße sollten immer „löffelrein“ sein. D. h. man sollte größere Reste des Inhaltes auskratzen, das Gefäß jedoch nicht spülen. Denn das verbraucht unnötig Wasser, Energie und Spülmittel.
- Joghurt- und Sahnebecher immer einzeln entsorgen und nicht ineinander stapeln. Denn das bereitet den Entsorgern beim Recycling Probleme, da die gestapelten Behälter nicht störungsfrei die Sortieranlage durchlaufen können.
- Alles, was sich händisch voneinander trennen lässt, sollten wir auch separieren und einzeln wegwerfen. So trägt jede:r einzelne von uns bestmöglich zum Recyclingerfolg bei.
Mehrweg ist die beste Verpackung
Utopia meint: Generell besser als Getränkekartons sind Mehrwegbehältnisse, vor allem wenn sie regional befüllt werden. Daher raten wir Verbraucher:innen, beim Einkauf generell Mehrweglösungen gegenüber Einwegbehältnissen zu bevorzugen und diese zeitnah wieder in Umlauf zu bringen.
Auch die Verbraucherzentrale äußert Kritik an den neuen Schraubverschlüssen, das Gesetz gehe am Kernproblem vorbei. „Wir verbrauchen viel zu viele Einwegprodukte“, sagt Heldt. „Deckel zu ändern, nützt der Umwelt erst mal nichts“, meint Philip Heldt, Referent für Ressourcenschutz bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Laut dem Experten verbrauchen die neuen Verschlüsse in vielen Fällen gar etwas mehr Material als die früheren Deckel. Heldt zufolge seien klar einzuhaltende Vorgaben nötig – etwa eine Regelung, um verpflichtend die Hohlräume bei Produkten zu reduzieren und dadurch den Verpackungsmüll zu verringern. Auch Verbote von unnötigen Umverpackungen wie Kartons bei Zahnpasta würden demnach zu einer Materialersparnis und Umweltentlastung führen.
Mit Material der dpa.
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