Blue Zones: Das Geheimnis eines langen Lebens Von Leonie Barghorn Kategorien: Gesundheit Stand: 31. August 2023, 13:58 Uhr Foto: CC0 / Pixabay / PICNIC_Fotografie Die Blue Zones faszinieren Wissenschaftler:innen: Nirgends sonst werden die Menschen so alt und bleiben so lange gesund. Was können wir von den Blue Zones lernen? 2005 erschien in der Zeitschrift „National Geographic“ der Artikel „The Secrets of Long Life“ von Dan Buettner. Dieser reiste zusammen mit einigen Wissenschaftler:innen jahrelang durch die Welt, um Gegenden zu finden, in denen die Menschen am ältesten werden und am längsten gesund bleiben. Er identifizierte fünf solcher „Blue Zones“: Ikaria in Griechenland Okinawa in Japan Ogliastra auf Sardinien Loma Linda in Kalifornien die Halbinsel Nicoya in Costa Rica Buettner befragte die Menschen dort zu ihrer Lebensweise. Auf diese Weise wollte er herausfinden, weshalb viele von ihnen so alt werden. Gibt es womöglich Gemeinsamkeiten, die es ermöglichen, das Geheimnis eines langen Lebens zu lüften? Übrigens: Seit Ende August läuft auf Netflix die Miniserie „Wie wird man 100 Jahre alt? Die Geheimnisse der Blauen Zonen„, in der Dan Buettner in die Blue Zones reist. 1. Blue Zone: Ikaria in Griechenland Olivenöl ist ein zentraler Bestandteil der Mittelmeerdiät. (Foto: CC0 / Pixabay / stevepb) Ikaria ist eine griechische Insel mit etwa 8.000 Einwohnern, die unter anderem dadurch hervorsticht, dass sie weltweit eine der niedrigsten Sterberaten im mittleren Alter hat. Buettner führt dies unter anderem auf die als sehr gesund geltende Mittelmeerdiät mit viel Gemüse, Olivenöl und Fisch zurück. Ein Einwohner dagegen glaubt, neben dem vielen biologisch angebauten Gemüse und dem sauberen Wasser sei es vor allem der stetige Wind vom Meer, der so gesund sei. Andere Bewohner:innen heben die besondere Herzlichkeit und den Sinn für Gemeinschaft auf der Insel hervor. 2. Blue Zone: Okinawa in Japan Okinawa liegt ganz im Süden von Japan. (Foto: CC0 / Pixabay / MacotoSeimori) Okinawa ist ebenfalls eine Insel im Süden von Japan. Auf ihr herrscht ein subtropisches Klima, in dem die Menschen unter anderem Süßkartoffeln, Soja und viele Gemüsesorten anbauen. Zur Blue Zone wurde Okinawa vor allem, weil dort die ältesten Frauen leben, erklärt National Geographic. Das Magazin Spektrum führt das nicht nur auf die großteils pflanzliche Ernährung und maßvolles Essen zurück, sondern auch auf das Prinzip „Ikigai„: Das Wort bedeutet so viel wie „lebenswert“ und ist im Leben der Japaner:innen und insbesondere auf Okinawa fest verankert. Wichtiger als materieller Erfolg ist es, dass man im Leben seine Berufung findet und lebt – bis ins hohe Alter. Buettner berichtet in seinem Artikel beispielsweise von über 80-Jährigen, die noch täglich für den jährlichen Zehnkampf trainieren. 3. Blue Zone: Ogliastra auf Sardinien In Sardinien bleiben die Menschen ihr Leben lang in der Familie. (Foto: CC0 / Pixabay / sabinevanerp) Die Region Ogliastra auf Sardinien ist als Blue Zone dafür bekannt, dass hier die ältesten Männer weltweit leben. Viele von ihnen arbeiten bis ins hohe Alter als Hirten. Sie glauben, dass sie vor allem durch ihre gesunde Ernährung so alt werden: Auf dem Speiseplan stehen hauptsächlich pflanzliche Lebensmittel wie Kartoffeln, Bohnen, Getreide und Gemüse, außerdem Milchprodukte von den Weidetieren, die viele Omega-3-Fettsäuren enthalten. Spektrum zufolge werden die Menschen hier besonders alt, weil sie ihr Leben lang in der Familie bleiben und ihr Ansehen mit dem Alter immer größer wird. 4. Blue Zone: Loma Linda in Kalifornien Alt werden mit Gottes Hilfe: Die Siebenten-Tags-Adventisten (Foto: CC0 / Pixabay / congerdesign) In der Kleinstadt Loma Linda in Kalifornien leben besonders viele Siebenten-Tags-Adventist:innen. Diese christliche Religionsgemeinschaft ist schon länger Gegenstand der Forschung: In den „Adventist Health Studies“ wurde über 40 Jahre hinweg untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen den Ernährungsgewohnheiten der Adventisten und ihrer hohen Lebenserwartung gibt. Buettners Reportage zufolge leben sie vier bis zehn Jahre mehr als durchschnittliche Kalifornier:innen. Die Wissenschaftler glauben, dass die Bewohner seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs erkranken, weil die Adventisten sich pflanzlich und natürlich ernähren. Adventisten aus der Blue Zone Loma Linda sagen aber auch, ihr Glaube halte sie gesund. Das ist nicht auszuschließen: Einige Wissenschaftler:innen haben nachgewiesen, dass Menschen, die einen starken Glauben haben und regelmäßig in die Kirche gehen, im Schnitt etwas älter werden und länger gesund bleiben als der Durchschnitt. 5. Blue Zone: Nicoya-Halbinsel in Costa Rica Regelmäßige Bewegung ist gesund. (Foto: CC0 / Pixabay / MabelAmber) Auf dem amerikanischen Kontinent machten Buettner und sein Team noch eine weitere Blue Zone aus: Die Nicoya-Halbinsel in Costa Rica. Laut National Geographic ist die Sterblichkeitsrate im mittleren Alter am niedrigsten und es gibt nach der Blue Zone auf Sardinien die meisten über 100-jährigen Männer. Buettners Reportage zufolge soll das vor allem an der starken sozialen und spirituellen Gemeinschaft der Menschen und regelmäßiger Bewegung liegen. Was lernen wir von den Blue Zones? Trotz des eher einfachen Lebensstils verfügen die Blue Zones über eine moderne Gesundheitsversorgung. (Foto: CC0 / Pixabay / sasint) Zunächst einmal kann man feststellen, dass das Leben in den Blue Zones einige Gemeinsamkeiten aufweist. Die Wissenschaftler:innen, welche Buettner bei seiner Suche begleiteten, zählen folgende Punkte auf: Alle Blue Zones sind in gewisser Weise isoliert: Es handelt sich um Inseln, Halbinseln, gebirgige Regionen oder Kleinstädte. Die Menschen leben noch vergleichsweise traditionell. Sie leben hauptsächlich von der Landwirtschaft, als Hirt:innen oder von der Fischerei und sind demnach regelmäßig in Bewegung und an der frischen Luft. Dazu passt auch, dass die Menschen hauptsächlich das essen, was bei ihnen in der direkten Umgebung wächst oder gefangen werden kann. Verarbeitete Lebensmittel werden kaum gegessen. Interessanterweise ist die Ernährung in den verschiedenen Blue Zones davon abgesehen durchaus unterschiedlich. Beispielsweise essen die Menschen in Nicoya im Durchschnitt mehr Fleisch als in den anderen Blue Zones. Die sozialen Netze in den Blue Zones sind sehr stark: Die Menschen bleiben bis ins hohe Alter in den Familien- und Freundeskreis eingebunden und gestalten aktiv das Leben mit. Dabei sollte trotz des vergleichsweise ursprünglichen Lebensstil nicht vernachlässigt werden, dass die Blue Zones inzwischen auch über eine moderne Gesundheitsversorgung verfügen. Auf Ikaria gibt es zum Beispiel ein gemessen an der Einwohner:innenzahl großes Krankenhaus. Dies trägt vermutlich dazu bei, das Leben der Menschen zu verlängern. Möglicherweise ist es auch kein Zufall, dass alle Blue Zones in subtropischen bis tropischen Regionen liegen: Wissenschaftler vermuten, dass ein Mangel an Vitamin D die Lebenszeit verkürzen kann. In den Blue Zones bekommen die Menschen relativ viel Sonne ab, sodass Vitamin-D-Mängel unwahrscheinlich sind. Blue Zones: Ist es so einfach? Ist damit das Geheimnis eines langen Lebens entschlüsselt? So einfach ist das leider nicht. Denn eine systematische Untersuchung und ein Vergleich mit anderen Bevölkerungsgruppen fehlt. Beispielsweise wäre es interessant zu wissen, ob es andere Gegenden gibt, auf die die oben genannten Punkte ebenfalls zutreffen und wo die Menschen dennoch nicht so alt werden. Ein Artikel formuliert das Problem so: „Die Welt ist so groß, man wird immer Orte finden, an denen die Menschen besonders dick, dünn, groß oder klein sind – oder eben besonders alt werden.“ Ebenso wäre es interessant, zu untersuchen, wie alt Menschen in den Blue Zones werden, wenn sie nicht nach den oben genannten Punkten leben. Solch ein Versuchsbau wäre aber aus ethischen Gründen nicht möglich. Insgesamt ist es deshalb schwer zu sagen, wie stark die vier Aspekte jeweils wirklich dazu beitragen, dass die Menschen überdurchschnittlich alt werden und lange gesund bleiben. Blue Zones: Sind es nur die Gene? Liegt das Geheimnis der Blue Zones in den Genen? (Foto: CC0 / Pixabay / qimono) Eine weitere Frage drängt sich auf: Sind es womöglich die Gene, die dafür sorgen, dass die Menschen in den Blue Zones so alt werden? Haben sie einfach besonders gute Gene? Studien an Zwillingen wie die dänische Zwillingsstudie von 1996 widerlegen diese Behauptung: Die Gene scheinen den Todeszeitpunkt nur zu einem geringen Teil zu beeinflussen. Eine Untersuchung der Menschen von Nicoya kommt zu einem ähnlichen Schluss. Dort stellte man fest, dass Bewohner Nicoyas, die aus der Blue Zone fortziehen, nicht mehr überdurchschnittlich alt werden. Die Bewohner der Blue Zones könnten sich aber auf eine andere Weise gegenseitig beeinflussen: Langzeitstudien wie die Framingham Heart Study haben gezeigt, dass Menschen eher übergewichtig werden, wenn sie von übergewichtigen Menschen umgeben sind. Möglicherweise funktionieren Blue Zones ähnlich – Studien dazu gibt es jedoch nicht. Beobachtungen aus den Blue Zones sind keine Beweise, aber nachvollziehbar Menschen, die ein sehr hohes Alter erreichen, sind meistens zufrieden mit ihrem Leben. (Foto: CC0 / Pixabay / Free-Photos) Insgesamt ist bisher also nicht eindeutig nachgewiesen, warum die Menschen in den Blue Zones so alt werden – ob es einfach nur Zufall ist, die Menschen sich gegenseitig beeinflussen oder tatsächlich der Lebensstil die wichtigste Rolle spielt. Klar ist jedoch, dass sich der Lebensstil in den Blue Zones weitestgehend mit dem deckt, was wir im Allgemeinen für gesund halten. Die Menschen essen frische, unverarbeitete Lebensmittel und bewegen sich regelmäßig an der frischen Luft. Studien an über 100-Jährigen in Deutschland zeigen außerdem, dass diese überwiegend zufrieden mit ihrem Leben sind, sich nach wie vor in die Gesellschaft einbringen und einen Sinn in ihrem Dasein sehen. Das deckt sich mit den Beobachtungen aus den Blue Zones. Näheres zum Geheimnis eines langen Lebens wird die Altersforschung in den kommenden Jahren aufdecken müssen. 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