Hohe Inflationsraten, teurere Energiepreise und gestiegene Lebenskosten: Finanzen sind aktuell für viele Menschen ein sorgenvolles Thema. Mit Cash-Stuffing reagieren viele TikTok-User:innen darauf – um besser Geld zu sparen.
Auf TikTok gibt es zahlreiche Accounts, die ihren Follower:innen eine neue Art des Sparens näher bringen wollen. Beim sogenannten „Cash-Stuffing“ legen Personen genau fest, wie viel Geld sie in einem Monat ausgeben wollen. Dieses Geld heben sie ab, sodass sie es bar vorliegen haben. Auf ihren Kanälen zeigen die TikToker:innen, wie sie das Geld in durchsichtige Umschläge oder Folien einsortieren.
Cash-Stuffing, was übersetzt so viel wie „Bargeld stopfen“ bedeutet, ist eigentlich nur ein neuer Name für etwas ganz Klassisches, das schon die Großeltern gemacht haben: ein Haushaltsbuch führen und sich das Geld einteilen. Jeder Umschlag ist für einen bestimmten Bereich vorgesehen und entsprechend beispielsweise mit „Lebensmittel“, „Kleidung“, „KfZ-Steuer“ oder „Sparen“ beschriftet. In ein Ringbuch eingelegt, lässt sich so das Monatsbudget genau planen und ist leicht zugänglich.
Der Sinn: Mit Cash-Stuffing kann man sich ein genaues Bild von den monatlichen Ausgaben machen. Finanzexpertin Josephine Holzhäuser sieht den Trend skeptisch. „Es ist prima, wenn sich junge Menschen über ihre Finanzen einen Überblick verschaffen und darüber nachdenken, wie sie sich das Geld einteilen“, sagt sie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) „Ob diese Methode dafür so geeignet ist, bezweifele ich allerdings.“
Was bringt Cash-Stuffing?
Cash-Stuffing ist vor allem bei jüngeren Generationen, den Millennials und der Gen Z, populär. Wichtig sei dabei, dass TikToker:innen in der Regel keinen genauen Betrag für bestimmte Kategorien vorgeben. Wie viel User:innen also pro Monat oder für einen genauen Bereich ausgeben möchten, legen sie individuell fest.
Dabei gilt immer: Ist der Umschlag für eine Kategorie leer, dürfen für den restlichen Monat dafür keine weiteren Ausgaben getätigt werden. Ist das Geld im Bereich „Kleidung“ zum Beispiel weg, muss der neue Pullover bis zum nächsten Monat warten.
Genau das kann laut Expert:innen schwerfallen: „Wenn ich ein Produkt sehe, das ich kaufen möchte, wird im Gehirn das Belohnungssystem aktiviert. Das Kaufverlangen will befriedigt werden“, sagt Mira Fauth-Bühler, Professorin für Wirtschaftspsychologie und Neuroökonomie an der FOM Hochschule. „Sparen bedeutet hingegen vorerst Verzicht und bringt deutlich weniger Freude. Deshalb fällt es vielen Menschen so schwer, ihre Finanzen im Griff zu behalten.“
Cash-Stuffing: Warum gerade jetzt?
TikTok-Experte Adil Sbai hat sich genauer angesehen, warum der Trend bei der Generation Z gerade jetzt so beliebt ist. Seiner Umfrage zufolge sehen etwa 40 Prozent „finanzielle Sicherheit“ als besonders wichtigen Aspekt im Leben an, erklärt Sbai gegenüber der Zeit. Jede vierte Person gab in der Umfrage an, sich TikTok-Videos anzusehen, um mehr über den Umgang mit Finanzen zu lernen. Das zeige, wie sich die Ansprüche gegenüber TikTok gewandelt haben. Mittlerweile gehe es nicht mehr nur darum, unterhalten zu werden, sondern auch darum, etwas dazuzulernen.
Die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ zeigt, dass jeder fünfte junge Mensch zwischen 14 und 29 Jahren Schulden hat. Manche geben in den sozialen Medien mit ihren Schulden an, teilen Screenshots der negativen Kontostände online. Andere wollen genau das vermeiden. Holzhäuser erklärt sich den Trend zum Cash Stuffing deshalb so: „Viele haben angesichts der aktuellen Lage Zukunftsängste. Auch die hohe Inflation bereitet vielen Sorgen und nun wollen sie ihre Finanzen im Griff behalten.“
Nachteile des TikTok-Trends
Cash-Stuffing erfreut sich zwar großer Beliebtheit, hat jedoch nicht nur Vorteile. So ist es zum Beispiel wichtig, ausreichend Zeit für die Sparmethode einzuplanen. Die TikTokerin Anna vom Kanal budgetit erklärt gegenüber der Zeit, sie brauche pro Monat etwa eine halbe Stunde, um ihr Budget zu planen. Das zieht sie auch im Urlaub durch. Zusätzlich müssen die meisten Menschen das Geld jedoch vorher noch abheben. Dadurch entstehen eventuell zusätzliche Wege und Mühen.
Zudem ist es schwieriger, zum Beispiel Online-Käufe zu tätigen. Auch ist es vor allem im Ausland nicht immer möglich, bar zu zahlen. Schließlich ist es riskanter, mit viel Bargeld unterwegs zu sein. Wird die Karte geklaut oder vergessen, ist es immerhin möglich, sie sperren zu lassen und den Zugriff auf das Konto zu erneuern. Bargeld wäre in diesen Fällen einfach weg.
„Die Planung über die Umschläge ist sehr aufwendig und schwer händelbar“, sagt auch Holzhäuser von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. „Ich habe die Sorge, dass manche den Überblick verlieren.“
Expertinnen: Cash-Stuffing gerne für den Einstieg, langfristig aber Alternativen nutzen
Mit Bargeld seine Ausgaben zu planen, kann jungen Menschen der Wirtschaftspsychologin Fauth-Bühler zufolge jedoch helfen, ihr Kontrollsystem zu entlasten. Denn Bargeld auszugeben tut der Expertin zufolge mehr „weh“, sodass Impulskäufe mit Bargeld weniger wahrscheinlich seien als mit einer Bankkarte – mit der man für den Kauf physisch ja kein Geld aus der Hand geben muss. „Wer Probleme mit dem Sparen hat, kann deshalb Cash Stuffing nutzen, um die Kontrolle zu erlernen“, so die Professorin. Langfristig müsse man aber auch den Umgang mit elektronischen Zahlmitteln beherrschen.
Auch Holzhäuser empfiehlt die Methode, wenn überhaupt, nur zum Einstieg in die Budgetplanung. Man solle so nur die variablen Kosten planen, wie Einkäufe von Kleidung, Kino- oder Restaurantbesuche. Fixkosten wie beispielsweise die Miete sollten ihr zufolge auf dem Konto bleiben, da sie auch von dort abgebucht werden. Wer sie nicht wieder rechtzeitig einzahlen kann, käme sonst in Verzug. Wer so plant, muss nicht nur organisiert sein, sondern auch beachten, dass bei vielen Banken Bargeldeinzahlungen nicht kostenlos sind.
Langfristig empfiehlt sie, auf sicherere Wege umzustellen. Das heißt: Das Geld bleibt auf dem Konto, den Überblick kann man mit einem digitalen Haushaltsbuch per App oder einer einfachen Excel-Liste behalten. Manche Banken bieten auch an, Ausgaben zu kategorisieren.
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Mit Material der dpa
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