Wie leben andere Menschen auf der ganzen Welt? Ein Fotoprojekt zeigt, dass die eigene Vorstellung zum Leben anderer teils nicht der Wahrheit entspricht. Und unsere Gemeinsamkeiten sind oft größer als man denkt.
„Dollar Street“ klingt nach Börse und viel Geld. Dabei geht es bei der Initiative von Anna Rosling Rönnlund darum, globale öffentliche Daten einfach verständlich aufzubereiten und zugänglich zu machen. Anders als bei bunten Charts, Tabellen und Präsentationen möchte die Initiatorin – gemeinsam mit der Gapminder-Stiftung – zeigen, wie Menschen auf der ganzen Welt wirklich leben und welche Mittel ihnen tagtäglich zur Verfügung stehen.
Ein Team aus Fotograf:innen machte dafür in 66 Ländern von 427 Familien und deren Zuhause Fotos (Stand: 21.01.22). Bei jedem Besuch wurden dabei bis zu 135 Alltagsgegenstände der Familien fotografiert – von der Zahnbürste zum Sessel oder zu den Lieblingsschuhen. Zu jeder Familie gibt es einen Ordner mit deren Bildern.
Wir wollen zeigen, wie Menschen wirklich leben. Es schien ganz natürlich, dafür Fotos als Daten zu verwenden, damit Menschen selbst sehen können, wie das Leben mit unterschiedlichen Einkommensstufen aussieht. Mit Dollar Street kannst du sehr viele Zuhause auf der ganzen Welt besuchen. Ohne zu reisen.
Anna Rosling Rönnlund
Für jede Familie wird angegeben, wie viel Geld sie pro Monat zur Verfügung hat – wie im Instagram-Post unten. Dabei wird bei der Berechnung des verfügbaren Monatsbudgets die Kaufkraft stärker gewertet als das eigentliche Einkommen pro Familie. So sollen die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten der Länder ausgeglichen werden. Außerdem: Baut eine Familie den Reis, den sie jeden Monat isst, selbst an, so wird dessen Wert in der Kaufkraft der Familie berücksichtigt.
Unter dem Instagram-Post heißt es: „Stereotypisch betrachtet hätte ein Zuhause in Indien wenig gemein mit einem Zuhause in der Ukraine. Aber schau dir die Ähnlichkeiten zwischen den Familienhäusern der Singhs und der Loginovs an! Länder-Stereotypen zerfallen, wenn du auf Dollar Street die Ähnlichkeiten zwischen Familien siehst, die in verschiedenen Ländern mit dem gleichen Einkommen leben.“ (Durch den russischen Angriffskrieg hat sich die Lebens- und Wohnsituation vieler Ukrainer:innen drastisch verändert. Die Aufnahmen der Familie Loginov stammen aus dem Jahr 2015.)
Anders als womöglich erwartet lassen sich viele Gemeinsamkeiten von Familien aus verschiedenen Ländern erkennen, vor allem dann, wenn diesen etwa das gleiche Einkommen zur Verfügung steht. Natürlich offenbart „Dollar Street“ auch Unterschiede, vor allem dann, wenn der Einkommensunterschied sehr groß ist. Diese Unterschiede zeigen sich aber auch innerhalb eines Landes – sie sind oft weniger eine Frage der Nationalität als des Geldes.
„Arm“ und „reich“ bedeuten nicht für jede:n das Gleiche
Schönheit liegt im Auge der Betrachter:innen, heißt es oft. Ähnlich verhält es sich mit dem Status „reich“ oder „arm“, das meinen zumindest die Initiator:innen des Fotoprojekts. Was für eine Person wenig ist, ist für eine andere Person sehr viel, wie der Vergleich zweier philippinischer Familien und ihres Besitzes zeigt. Eine wirkliche Bedeutung erlangen die Begriffe „arm“ und „reich“ also nur in ihren gesteigerten Formen, wenn man sie in Vergleich zu jemand anderem setzt.
In der Fotoserie werden auch die für die Familien meistgeliebten Besitztümer abgelichtet. Für manche ist das liebste Gut die Geburtsurkunde des Kindes, für andere ist es die Mikrowelle, ein Schmuckstück oder eine teure Designertasche.
Wir sind uns ähnlicher, als man denkt
Das Fotoprojekt von Gapminder gibt einen direkten – sogar sehr privaten – Einblick in das Leben von Familien auf der ganzen Welt. Die Bilder von Betten, Küchenutensilien, Badezimmern, Spielzeug und vielem mehr machen eines deutlich: Die Unterschiede zwischen den Familien sind in vielen Fällen geringer als man denkt.
Manchmal haben wir ein falsches Verständnis davon, wie Menschen in anderen Regionen der Welt leben. Das zeigt auch das Online-Quiz von Hans Rosling (*1948, †2017) von Gapminder. Rosling ist einigen bereits durch seine amüsanten TED-Talks zu globalen Statistiken bekannt; vor einigen Jahren hat er ein Buch** zum Thema sowie das passende Quiz dazu veröffentlicht.
Ob deine eigene Einschätzung daneben liegt, kannst du hier im Factfulness-Quiz selbst testen.
Utopia meint: Hin und wieder vergessen wir, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Das Fotoprojekt Dollar Street macht dies möglich und öffnet neue Perspektiven, zum Beispiel zu globalen Lebensumständen. Zugleich schafft das Projekt ein Bewusstsein für die Gemeinsamkeiten der Menschen auf der ganzen Welt, die in der heutigen Welt oft aus dem Blickfeld geraten.
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