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„Immer positiv denken funktioniert nicht“: Wie man mit schlechten Gefühlen umgeht

Psychologin "Immer positiv denken funktioniert nicht": Wie man mit negativen Gefühlen umgeht
Foto: CC0 Public Domain - Unsplash/ Yogendra Singh, Charlotte Knight (bearbeitet)

Wie geht man mit negativen Emotionen am besten um? Eine Psychologin rät dazu, psychische Flexibilität zu trainieren. Sie erklärt, wie das funktioniert – und wieso man nicht immer positiv denken kann. Eine zweite Expertin gibt konkrete Tipps für mehr Kontrolle über Emotionen.

Tanja Michael leitet den Lehrstuhl für klinische Psychologie und Psychotherapie und die Lehr- und Forschungsambulanz für Psychologische Psychotherapie der Universität des Saarlands. Beim dtv-Verlag ist außerdem ein Buch zum Thema Psyche und seelisches Gleichgewicht erschienen, das sie mit einer Kollegin verfasst hat. Im Gespräch mit dem Süddeutsche Zeitung Magazin erläutert sie, wie man mit negativen Emotionen umgeht – und wieso diese normal sind. Mareike Zimmer, Beraterin für Persönlichkeitsentwicklung, erklärt gegenüber der Krankenkasse AOK, wie man Emotionen direkt beeinflusst.

Menschliche Grundemotionen überwiegend negativ

Ob wegen eines bösen Kommentars, eines Missgeschicks oder aus einem anderen Grund – jede:r hat mal einen schlechten Tag. „Immer positiv zu denken funktioniert sowieso nicht“, betont Psychologin Michael. Denn Menschen seien dafür nicht gemacht. Unsere Grundemotionen wie Wut, Ekel und Furcht sind der Expertin zufolge überwiegend negativ, weil sie fürs Überleben wichtig sind – aus ihnen ergeben sich Handlungsanweisungen. Dennoch können sie belastend sein. Michael rät deshalb zu psychischer Flexibilität.

Psychologin: Wieso es wichtig ist, kognitiv und emotional flexibel zu sein

Psychische Flexibilität umfasst sowohl kognitive als auch emotionale Flexibilität – beide sind wichtig.  

Kognitiv flexibel zu sein bedeutet, dass man bereit ist, ein Problem zu betrachten und – platt gesagt – nicht gleich den Kopf in den Sand steckt“, erklärt Michael. „Stattdessen suche ich aktiv nach einer Lösung und vertraue darauf, dass ich das schaffe.“

Wer emotional flexibel ist, ist sich laut der Psychologin bewusst, dass negative Gefühle in bestimmten Situationen normal sind – passt die eigene Reaktion aber flexibel an. Das heißt: Man reagiert auf einen negativen Kommentar nicht immer mit Grübeln oder damit, für sich einzustehen – sondern passt sich an die Situation an, je nachdem, ob der Kommentar berechtigt war.

„Flexibel zu sein bedeutet auch, die Strategie zu wechseln, wenn man merkt, man kommt mit der einen nicht weiter“, ergänzt die Expertin. „Und dass man seine Gefühle zwar durcharbeiten muss – aber nicht immer sofort.“ Sie empfiehlt, stattdessen zu überlegen, was einem aktuell gut tut. Wenn ein großer Lebenstraum plötzlich unerreichbar wird, wollen manche etwa direkt darüber reden, andere sich erst einmal ablenken. Beide Strategien findet die Psychiologin „völlig in Ordnung“, solange man sich bewusst werde, dass man sich der Trauer irgendwann stellen muss.

Psychische Flexibilität trainieren: So geht’s

Psychologin Michael zufolge sind manche Menschen von Natur aus flexibler als andere. Ihnen fallen Veränderungen wie etwa Umzüge leichter. Wer nicht dazu gehört, dem empfiehlt die Expertin zunächst, sich in einer Situation bewusst für Flexibilität zu entscheiden. Anschließend solle man die negativen Gefühle zulassen, die die Situation in einem auslöst – sich aber klar machen, dass die Emotionen „einem nichts Böses wollen, auch wenn sie sich nicht gut anfühlen“.

Um sich mit den negativen Gefühlen auseinanderzusetzen, rät die Expertin, nachzufühlen, was man genau spürt – etwa einen Kloß im Hals, Magenschmerzen oder Verspannungen. Wenn man es dann akzeptiere, sei das Gefühl meist gar nicht mehr so schlimm.  „Wenn man die Angst beobachtet und sie nicht durch Gedanken verstärkt, geht sie oft sogar von alleine weg“, so Michael. Teilweise helfe es, mit Menschen zu reden, die einen bestärken oder sich trösten zu lassen.

Im besten Fall könne man sich jedoch selbst trösten. Die Psychologin erwähnt dazu verschiedene Strategien, etwa sich selbst in den Arm zu nehmen oder an die frische Luft zu gehen.  In ihrem Buch schreibt Michael auch, dass sich Selbstmitgefühl trainieren lässt. Dabei geht es der Expertin zufolge darum, sich selbst gegenüber eine bestimmte Haltung einzunehmen – etwa die, die liebende Eltern einem traurigen Kind entgegenbringen: „Du bist toll, wie du bist, ich lieb dich trotzdem“. Die Psychologin betont, dass dies ihrer Ansicht nach die moralisch richtige Haltung sei – und außerdem  „eine viel bessere Strategie, um durchs Leben zu kommen.“

„Bewusstsein macht uns zum Regisseur unserer Gefühlswelt“

Beraterin Mareike Zimmer verfolgt einen etwas anderen Ansatz. Gegenüber der AOK erklärt sie, dass negative Emotionen innere Blockaden auslösen und unsere Wahrnehmen verzerren können. Sie rät dazu, die Situation zu analysieren und so negative Emotionen abzuschwächen. Zum Beispiel durch Neutralität in den eigenen Gedanken.

Statt zu denken „Heute wird bestimmt ein ganz schwieriger Tag“ könne man geistlich einordnen: „Ich habe den Gedanken, dass heute ein ganz schwieriger Tag wird„. Auch helfe es, negative Gefühle zu benennen, etwa „Ich nehme gerade Angst bei mir wahr.“ Dies soll ihnen die manipulative Kraft nehmen.

Auf diese Weise könne man es schaffen, in belastenden Situationen ruhiger zu reagieren. „Wir können entscheiden, ob wir verärgert sind, sprachlos oder verängstigt. Das sollten wir uns klarmachen“, so die Expertin, „Denn allein dieses Bewusstsein macht uns zum Regisseur unserer Gefühlswelt, nicht länger zum Statisten, der seinen Gefühlen hilflos ausgeliefert ist.“

Negative Gefühle können mitunter stark belasten. Wenn du glaubst, an einer Depression oder an einem Burnout zu leiden, nutze entsprechende Hilfsangebote oder wende dich an eine:n Therapeut:in. Wenn du dich akut depressiv fühlst oder Suizid-Gedanken hast, wende dich an die Telefonseelsorge online oder unter Tel. 0800 / 111 0 111 oder 0800 / 111 0 222 oder 116123. Auch die Deutsche Depressionshilfe unter Tel. 0800 / 33 44 533 hilft. In Notfällen kontaktiere bitte die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter Tel. 112. 

Verwendete Quellen: Süddeutsche Zeitung Magazin, AOK

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