Nachhaltige Krankenkassen achten nicht nur bei internen Prozessen auf Nachhaltigkeit, sondern auch bei ihrem Leistungsangebot. Hier die besten in der Übersicht.
Wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht, denken die wenigsten an ihre Krankenkasse. Schließlich rücken andere Faktoren eher in den Hintergrund, wenn es um die eigene Gesundheit geht. Dabei schließen sich Gesundheit und Nachhaltigkeit nicht aus, sondern unterstützen sich gegenseitig.
Von einer Krankheit, die erst gar nicht auftritt, profitiert am Ende auch die Umwelt, weil ressourcenintensive Behandlungen wegfallen. Eine gute nachhaltige Krankenkasse bietet deshalb umfangreiche Vorsorgeleistungen, die über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehen.
Außerdem ist eine intakte Umwelt ein wichtiger Gesundheitsfaktor. Dreckige Luft oder durch den Klimawandel verursachte Hitzewellen zählen genauso zu den Risiken für das leibliche Wohl wie Grippeviren oder Arbeitsunfälle. Eine nachhaltige Krankenkasse sollte also sowohl bei internen Prozessen auf Umweltschutz achten als auch bei der Wahl ihrer Dienstleister und Investments, sodass ihr Geld nicht in schmutzige Geschäfte fließt.
Wie finde ich heraus, ob eine Krankenkasse nachhaltig ist?
Noch gibt es keine allgemein anerkannten Siegel, die eine Krankenkasse eindeutig als nachhaltig ausweisen. In den vergangenen Jahren hat das Thema nachhaltige Krankenversicherung aber durchaus an Aufmerksamkeit gewonnen. Die folgenden Rankings und Auszeichnungen bieten eine Entscheidungshilfe:
Euro-Analyse
Die wohl größte Untersuchung von Nachhaltigkeitsaspekten bei Krankenkassen liefert seit 2022 das Euro-Magazin in Kooperation mit dem Deutschen Finanz-Service Institut. Bei der Euro-Untersuchung werden jedes Jahr alle geöffneten gesetzlichen Krankenkassen analysiert.
Dabei steht sowohl die Unternehmenskultur auf dem Prüfstand als auch das Leistungsangebot. Bei der Unternehmenskultur geht es um soziale Aspekte (z. B. Gleichbehandlung unabhängig vom Geschlecht), umweltbezogene Aspekte (z. B. Veröffentlichung einer CO2-Bilanz) und ökonomische Aspekte (z. B. Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei der Lieferantenauswahl). Beim Leistungsangebot gibt es Punkte für Vorsorgeleistungen, die über den gesetzlichen Katalog hinaus gehen. Doch auch Digitalisierung und Transparenz werden positiv bewertet.
In der aktuellen Ausgabe von August 2023 ging die AOK-Baden-Württemberg mit der höchsten Gesamtwertung von 89 Prozent als Testsiegerin hervor. Unter den bundesweit verfügbaren Anbietern landete die Techniker Krankenkasse (TK) mit 85 Prozent auf dem ersten Rang.
Folgende Kassen bekamen Top-Wertungen von über 80 Prozent (in alphabetischer Reihenfolge):
- AOK-Baden-Württemberg (nur in Baden-Württemberg)
- AOK Bayern (nur in Bayern)
- AOK Plus (nur in Sachsen und Thüringen)
- Barmer
- Bergische Krankenkasse (nur in Hamburg, Hessen und NRW)
- BKK VBU
- DAK-Gesundheit
- HEK – Hanseatische Krankenkasse
- Pronova BKK
- Securvita Krankenkasse (nicht in Bremen und im Saarland)
- Techniker Krankenkasse
Die in der Nachhaltigkeitsszene bekannte BKK ProVita kommt in der Auswertung „nur“ auf ein Ergebnis von 77 Prozent. Das entspricht zwar einer Bewertung von „sehr gut“ und einem Platz 14 von 73. Doch da sich die BKK ProVita wie keine andere der Mitbewerberinnen als explizit nachhaltige Krankenkasse positioniert, war mehr zu erwarten.
Ein Sprecher der BKK ProVita führt die Platzierung gegenüber Utopia unter anderem auf den sehr weit gefassten Nachhaltigkeitsbegriff der Analyse zurück. Es sei zum Beispiel nicht ersichtlich, warum etwa Beitragssatzstabilität als Kriterium bei einem Nachhaltigkeitsvergleich herangezogen wurde.
Utopia meint: Die Kritik am Euro-Ranking ist zum Teil berechtigt. Denn explizite Umweltaspekte – also Nachhaltigkeit im engeren Sinne – machen nur ein Achtel der Gesamtwertung aus. Die Auswahl der Kriterien ist für ein Nachhaltigkeitsranking somit nicht ganz stimmig. Dennoch haben die Ergebnisse durchaus einen Wert: Weit oben landet nur, wer sowohl ein breites Spektrum an Leistungen bietet als auch hohe ESG-Standards einhält, also auf Umweltschutz, soziale Aspekte und saubere Unternehmensführung achtet.
Außerdem hat das Euro-Magazin auch Rankings in den Einzelkategorien veröffentlicht. So können Interessent:innen sich ein genaueres Urteil bilden und selbst entscheiden, wie sie die Kategorien gewichten. Betrachtet man zum Beispiel die Umweltaspekte isoliert, landet die BKK ProVita hinter der Techniker Krankenkasse und der BKK firmus auf Platz 3.
Deutscher Nachhaltigkeitspreis
2023 erhielten erstmals auch Krankenkassen eine eigene Kategorie beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Nominiert wurden sowohl gesetzliche als auch private Kassen. Diese wurden von einer 140-köpfigen Fachjury als Vorreiter der nachhaltigen Transformation ihrer Branche ausgewählt. Hier die Liste der Nominierten:
- Allianz (privat)
- AOK Baden-Württemberg (nur in Baden-Württemberg)
- Barmer
- BKK ProVita
- BKK VBU
- Debeka (privat)
- Hanse Merkur (privat)
- HUK Coburg (privat)
- Pronova BKK
- Techniker Krankenkasse
Unter diesen Kassen setzten sich die AOK Baden-Württemberg, Barmer und BKK Provita als Finalisten durch. Die AOK Baden-Württemberg wurde zum Preisträger gekürt.
Bewertet wurden unter anderem der nachhaltige Betrieb von Büros und Gebäuden, die Mitarbeitendenmobilität und die Digitalisierung von Prozessen. Außerdem sollen die Krankenkassen ihre Versicherten dabei unterstützen, gesünder zu leben – zum Beispiel mit Bonusprogrammen und Präventionsangeboten.
Native-Rating
Das Native-Rating ist ein Projekt der Greensurance-Stiftung und eigentlich als Nachhaltigkeitsranking von Sachversicherungen gedacht. Da viele der untersuchten Versicherungsgesellschaften aber auch private Krankenversicherungen anbieten und sich einige der zugrundeliegenden Daten auf die Konzern-Ebene beziehen, sind die Ergebnisse zumindest teilweise übertragbar. Allerdings wurden nur 19 Sachversicherer von Native untersucht, weshalb das Rating nicht die gesamte Versicherungslandschaft in Deutschland abbildet.
Keine Versicherung bekam die höchste Auszeichnung in Gold. Ein solches Rating gibt es erst ab einer Wertung von 65 Prozent. Die Allianz knackte als einzige die 50 Prozent-Marke. Insgesamt erhielten fünf Anbieter das ab 45 Prozent verliehene Native-Rating in Silber, nur drei davon bieten auch private Krankenversicherungen an:
- Allianz (52%)
- R+V (50%)
- Generali (46%)
Bronze gibt es ab 30 Prozent. Acht Versicherer, sechs davon mit Krankenversicherung im Sortiment, bekamen das Native-Siegel in Bronze:
- Die Bayerische (44%)
- ERGO (36%)
- Barmenia (35%)
- AXA (34%)
- Württembergische (31%)
- HUK (31%)
Dass die Hürden für eine Auszeichnung so niedrig liegen, liegt laut Native daran, dass das Versicherungsgeschäft derzeit noch viel Potenzial zur Entwicklung hat. Bei zukünftigen Ratings würden die Schwellenwerte voraussichtlich erhöht werden, heißt es auf deren Website.
Es sei betont, dass die Allianz noch lange nicht als nachhaltig bezeichnet werden kann, nur weil sie im Native-Rating auf dem ersten Platz liegt. Sie ist einfach nur besser als die sehr schwache Konkurrenz. Bereits 2020 hat der Fair Finance Guide sechs Anbieter von Lebensversicherungen auf nachhaltige und soziale Kriterien untersucht. Auch hier schnitt die Allianz am besten ab – mit gerade einmal 39 Prozent.
Bemerkenswert ist allerdings, wie die Allianz innerhalb von eineinhalb Jahren ihr Native-Rating massiv verbesserte. Bei der ersten Ausgabe im Februar 2022 lag das Münchener Versicherungsunternehmen noch bei 33 Prozent. Auch wenn hier also wirklich eine ernsthafte Transformation stattzufinden scheint, muss die Allianz noch mehr tun, um sich das Prädikat nachhaltig zu verdienen. Denn noch immer schließt sie nur wenige kontroverse Geschäftsfelder, nämlich geächtete Waffen, Kohleförderung -und Stromerzeugung aus Kohle, ganz oder teilweise von Investitionen aus.
Weitere Auszeichnungen und Kriterien
Es gibt auch noch weitere Auszeichnungen und Kriterien, die für die Nachhaltigkeit einer Krankenkasse sprechen. So lässt sich die Pronova BKK etwa ihre Nachhaltigkeit vom TÜV zertifizieren, die BKK VBU hat einen Nachhaltigkeitsbericht nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex und die BKK ProVita veröffentlicht eine Gemeinwohlbilanz.
Deutschland Test zeichnet ebenfalls jedes Jahr gesetzliche Krankenkassen mit einem hohen nachhaltigen Engagement aus. Die Testsieger 2023 sind die AOK Bayern (regional) und Barmer (überregional). Allerdings basieren die Ergebnisse nur auf der Befragung von Kund:innen. Es gewinnt also die Krankenkasse, die den nachhaltigsten Eindruck macht und nicht die, die wirklich am nachhaltigsten ist, was die Aussagekraft dieser Auszeichnung sehr einschränkt.
Fazit: Welche Krankenkassen sind nachhaltig?
Bei den gesetzlichen Krankenkassen schneidet die AOK Baden-Württemberg sehr gut ab, ist aber nur regional verfügbar. Überregional bieten die Techniker Krankenkasse, BKK VBU, Pronova BKK und Barmer einen hohen Nachhaltigkeitsstandard. Utopia ist auch von der BKK ProVita überzeugt, da sie als nachhaltige Vorreiterin unter den Krankenkassen das wichtige Thema in Deutschland vorangebracht hat.
Bei den privaten Krankenversicherungen hat aktuell die Allianz die Nase vorn. Sie ist nicht nur für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert, sondern hat auch das beste Native-Rating. Letzteres ist mit 52 Prozent allerdings trotzdem recht schwach und bezieht sich auf die Sachversicherungssparte der Allianz. Es gibt leider noch keine umfassenden Nachhaltigkeitsanalysen privater Krankenversicherungen. Aus diesem Grund und weil die Allianz nur wenige problematische Branchen aus ihren Geschäften ausschließt, können wir noch keine Empfehlung im Bereich der privaten Krankenversicherungen aussprechen.
Die obigen Ratings liefern zwar einen groben Überblick darüber, welche Krankenkassen zu den nachhaltigeren in Deutschland zählen. Dennoch empfiehlt Utopia bei Interesse auch die Webseiten der jeweiligen Anbieter anzusehen. Dort kann man sich genauer darüber informieren, inwiefern sich die Kassen für Nachhaltigkeit einsetzen und welche speziellen Leistungen diese anbieten.
Bitte lies unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen.
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