Balkonkraftwerke haben eine VDE-Norm bekommen. Doch was bedeutet das überhaupt? Musst du deine Anlage jetzt umbauen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
- Warum braucht man überhaupt eine Balkonkraftwerk-Norm?
- Was ändert sich durch die neue Norm?
- Was verlangt die Norm nicht?
- Was sieht die Norm für Stromspeicher vor?
- Ist die Norm ein Gesetz?
- Was ist gesetzlich erlaubt?
- Musst du ein bestehendes Balkonkraftwerk jetzt umbauen?
- Was du jetzt beachten musst
- Kritik an der neuen Balkonkraftwerk-Norm
- Fazit: Neue Balkonkraftwerk-Regeln schaffen Klarheit – aber wenig Fortschritt
In Deutschland und auf der Welt werden viele Dinge genormt. Von Papiergrößen über Palettenmaße bis zu Dateiformaten gibt es Standards, an die sich die Industrie hält. Das soll Sicherheit gewährleisten und Produkte untereinander kompatibel machen. Auch in der Elektrotechnik gibt es solche Vorgaben, doch bei einem Produkt fehlte bisher noch eine Norm: bei Balkonkraftwerken.
Nach neun Jahren Verhandlung hat der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e. V. (kurz VDE) nun die weltweit erste Produktnorm für Balkonkraftwerke herausgebracht: die DIN VDE V 0126-95. Sie erklärt, wie Balkonkraftwerke gestaltet sein müssen, damit sie sicher betrieben werden können. Sie tritt am 1. Dezember 2025 in Kraft.
Allerdings wirft das viele Fragen auf: Was gilt jetzt für existierende Anlagen? Verstoße ich gegen ein Gesetz, wenn die Produktnorm nicht eingehalten wird? Gilt sie auch für Speicher? Wie viel Leistung darf ich denn nun nutzen? In diesem Artikel wollen wir die wichtigsten Fragen beantworten.
Warum braucht man überhaupt eine Balkonkraftwerk-Norm?
Eine Norm dient dazu, minderwertige Produkte aus dem Markt zu halten und so Verbraucher:innen zu schützen. Sie richtet sich an die Hersteller und Händler, die die Produkte entwickeln und vertreiben.
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Auch wenn es Balkonkraftwerke bereits seit Jahrzehnten gibt, ging ein Großteil erst ab 2022 ans Netz. Noch fehlt daher manchen das Vertrauen in die Technik und vor allem Vermieter:innen befürchten Gefahren durch den Betrieb.
Eine Norm kann diese Ängste nehmen und im Extremfall für Mieter:innen auch vor Gericht hilfreich sein. Auch Versicherer könnten bei einem Schadensfall bereitwilliger zahlen, da man ja ein genormtes Produkt verwendet hat.
Was ändert sich durch die neue Norm?
Die VDE-Norm definiert, wie ein Balkonraftwerk gestaltet sein muss, damit es sicher betrieben werden kann. Dabei macht sie an vielen Stellen einen Rückschritt zur bisherigen Praxis. Das sind die wichtigsten Punkte:
- Modulleistung mit Wieland-Stecker: Balkonkraftwerke dürfen bis zu 2.000 Wattpeak Modulleistung nutzen, wenn sie über eine Wieland-Steckdose angeschlossen werden. Bisher reichte eine Schuko-Steckdose. Man muss sich also eine passende Steckdose auf dem Balkon oder Terrasse legen lassen.
- Modulleistung mit Schuko-Stecker: Balkonkraftwerke dürfen nur noch eine Modulleistung von bis zu 960 Wattpeak haben, wenn sie mit einem Schuko-Stecker angeschlossen werden. Diese Leistung erreichen bereits zwei moderne Paneele, teilweise liegen sie schon darüber.
- Besonderer Schuko-Stecker: Bisher nutzten die meisten Balkonkraftwerke handelsübliche Schuko-Stecker, wie man sie auch von anderen Haushaltsgeräten kennt. Sie waren bisher von der VDE aber nur geduldet und nicht offiziell erlaubt. Laut der neuen Norm dürfen diese nun offiziell verwendet werden – allerdings benötigen sie einen zusätzlichen Berührungsschutz. So müssen sie entweder eine Hülle an den Stiften oder einen internen Trennschalter besitzen.
- Wechselrichter: Laut der Norm darf der Wechselrichter mit maximal 800 Watt ins Hausnetz einspeisen. Da das bereits praktiziert wird, ändert sich dadurch nichts.
- Maximale Abschaltzeit: Damit man keinen Stromschlag bekommt, wenn man das Stromkabel eines Balkonkraftwerks aus der Steckdose zieht, muss der Wechselrichter schnell genug abschalten. Bisher galt das nur für die Relais, jetzt müssen auch die Kondensatoren schnell genug entladen. Die maximale Abschaltzeit darf maximal bei 0,2 Sekunden liegen.
- Anzahl an Balkonkraftwerken: Laut der VDE-Norm darf in einem Haushalt nur ein einziges Balkonkraftwerk angeschlossen werden. Bisher gab es keine Begrenzung der Anlagen, solange die Balkonkraftwerke zusammen mit maximal 800 Watt einspeisten. Also auch zwei 400-Watt-Wechselrichter waren möglich und für Ost-West-Ausrichtungen sinnvoll. Das ist nun nicht mehr erlaubt.
- Keine Mehrfachsteckdosen: Es war noch nie eine gute Idee, aber jetzt ist es offiziell: Balkonkraftwerke dürfen nicht an Mehrfachsteckdosen angeschlossen werden. Auch Verlängerungskabel sind nicht erlaubt.
- Gleiche MC4-Stecker: Bisher konnten Solarmodule, Wechselrichter, Y-Kabel und Verlängerungskabel von unterschiedlichen Herstellern miteinander kombiniert werden. Schließlich nutzen alle den gleichen MC4-Stecker. Die VDE-Norm verlangt nun, dass alle Stecker auf der Gleichstromseite (also alles zwischen Solarmodul und Wechselrichter) vom gleichen Hersteller und vom gleichen Typ sein müssen. In der Praxis macht das die Zusammenstellung eines eigenen Balkonkraftwerks fast unmöglich. Auch alte Module lassen sich voraussichtlich nicht mehr verwenden, obwohl sie eine Lebenserwartung von über 30 Jahren haben.
Was verlangt die Norm nicht?
Die neue Norm gibt viele technische Aspekte am Balkonkraftwerk vor. Jedoch gibt es einige Punkte, zu denen sie sich nicht äußert.
- Anschluss durch Fachkraft: Vermietende fordern immer wieder, dass ein Fachbetrieb ein Balkonkraftwerk anschließen müsse. In der VDE-Norm steht dazu nichts, weswegen sie weiterhin darauf bestehen könnten.
- Überprüfung der Hausleitungen: Der VDE fordert nicht, dass die Hausleitungen überprüft werden müssen, bevor ein Balkonkraftwerk an die Steckdose kommt.
- Überprüfung der Statik: Auch gibt es keine Aussage darüber, ob Statiker:innen Balkongeländer oder andere Aufstellorte überprüfen müssen, bevor man die Module aufbaut.
- Fensterdurchführkabel: Nicht jeder Balkon hat eine Außensteckdose. Für diese Zwecke gibt es sehr flache Fensterdurchführkabel, sodass man ein Balkonkraftwerk an einer Steckose in der Wohnung anschließen kann, ohne durch die Wand bohren zu müssen. Die Kabel unterliegen einer mechanischen Belastung, wenn sie im Fensterrahmen klemmen. Dennoch sind sie laut der Norm nicht verboten.
Was sieht die Norm für Stromspeicher vor?
In der Norm gibt es keine Angaben zu der Nutzung von Speichern, da sie sich rein um Steckersolargeräte dreht. Auch zu den Strommesssystemen in Sicherungskästen, die die Speicher für eine genaue Einspeisung nutzen, gibt es keine Info.
Der VDE hat aber bereits erklärt, dass ein Gremium mit den Arbeiten an einer Norm für Balkonkraftwerk-Speicher begonnen hat. Wie lange sie brauchen werden, ist noch nicht bekannt.
Ist die Norm ein Gesetz?
Nein, die VDE-Norm ist kein Gesetz, sondern eine technische Regel, die von Fachgremien erarbeitet wird. Deshalb bist du, die Hersteller und die Händler nicht gesetzlich verpflichtet, die Norm-Vorgaben einzuhalten.
In der Praxis haben VDE-Normen jedoch große Bedeutung: Sie gelten als allgemein anerkannte Regeln der Technik. Das bedeutet, dass Behörden, Versicherungen und Gerichte sie als Maßstab dafür heranziehen, was als sicherer und fachgerechter Zustand gilt.
Wer sich nicht an eine VDE-Norm hält, begeht zwar keinen Gesetzesverstoß, handelt aber möglicherweise fahrlässig, wenn dadurch ein Schaden entsteht. In einem Haftungsfall kann es gegen dich verwendet werden, wenn du die Normen bewusst ignoriert hast. Du müsstest dann nachweisen, dass deine alternative Lösung mindestens genauso sicher war.
Was ist gesetzlich erlaubt?
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist die rechtliche Grundlage für das, was Balkonkraftwerke dürfen (s. EEG §3 Absatz 43 und EEG §8 Absatz 5a). Jedoch stehen darin wenig konkrete Infos zur Technik. Lediglich heißt es zu Steckersolargeräten, wie Balkonkraftwerke offiziell heißen, dass sie eine Modulleistung von maximal 2 Kilowatt und eine Wechselrichterleistung von bis zu 800 Voltampere (Watt) haben dürfen. „Hinter der Entnahmestelle eines Letztverbrauchers“ – also in der Wohnung – können sie „unter Einhaltung der für die Ausführung eines Netzanschlusses maßgeblichen Regelungen angeschlossen werden“.
Die maßgeblichen Regelungen sind zwar nicht genauer definiert, in der Praxis handelt es sich aber um die VDE-Norm.
Musst du ein bestehendes Balkonkraftwerk jetzt umbauen?
Auch wenn du bereits ein Balkonkraftwerk betreibst, das die neue VDE-Norm nicht erfüllt, ist es nicht illegal. Du kannst es weiterlaufen lassen. Schließlich hast du es nach den damals geltenden Standards ans Netz genommen. Für ältere Balkonkraftwerke soll zudem ein Bestandsschutz gelten.
Kurz gesagt: Die neue Produktnorm greift nur bei neu verkauften Balkonkraftwerken und hat keine Auswirkungen auf Anlagen, die schon existieren.
Was du jetzt beachten musst
Auf die neue Produktnorm werden erst einmal die Hersteller reagieren. Sie werden bestehende Komponenten prüfen, neu zertifizieren lassen und neue Anlagen entwickeln, die die Norm erfüllen.
Das wird eine Weile dauern. Voraussichtlich werden Händler bis dahin ihre gelagerten Balkonkraftwerke weiter verkaufen, während gleichzeitig neue zertifizierte Modelle auf dem Markt erscheinen. Es wird also eine Übergangsphase geben.
Generell solltest du nun darauf achten, Balkonkraftwerke mit der DIN VDE V 0126-95 zu kaufen. Das gilt auch, wenn du dir eines selbst zusammenstellst. Dann sollten alle Komponenten die Norm erfüllen.
Aber: Kurzfristig wirst du noch keine Produkte mit dieser Norm finden, wahrscheinlich erst im Frühjahr 2026.
Kritik an der neuen Balkonkraftwerk-Norm
Viele Stimmen – wie beispielsweise der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) – begrüßen die neue Norm, da dadurch Rechtssicherheit und Vertrauen geschaffen werden kann.
Jedoch gibt es unter Balkonkraftwerk-Nutzenden deutliche Kritik, wie sich etwa bei Reddit und in den Kommentarsektionen von Fachkanälen wie gewaltig nachhaltig und Der Kanal zeigt. Auch der Balkonkraftwerk-Pionier Holger Laudeley bezweifelte bereits in einem älteren Interview den Sinn solcher Normungen.
Wir haben die wichtigsten Kritikpunkte zusammengefasst:
- Erfahrung wird ignoriert: Über 1,1 Millionen Balkonkraftwerke hängen laut Marktstammdatenregister offiziell am Netz. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein. Schätzungen gehen von über 4 Millionen Anlagen aus. Sehr viele Haushalte in Deutschland besitzen also bereits ein Balkonkraftwerk, ohne dass es zu bekannten Zwischenfällen kam. Dennoch sollen härtere Regeln eingeführt werden, die Anschaffung, Aufbau und Betrieb von Balkonkraftwerken erschweren.
- Fachbetriebs-Zwang durch die Hintertür: Größere Balkonkraftwerke bis 2.000 Wp Modulleistung benötigen nun eine Wieland-Steckdose. Da diese so gut wie niemand auf dem Balkon hat, muss ein Elektrofachbetrieb diese erst verlegen. Das verursacht hohe Kosten und Wartezeiten. Die Sicherheit werde dadurch jedoch nicht erhöht, so die Kritik.
- Unzureichende Erklärungen: Dass Balkonkraftwerke mit Schuko-Stecker nur noch eine Modulleistung von 960 Wp haben dürfen statt wie vorher 2.000 Wp, sorgt für Unverständnis. Der VDE gibt keine vernünftige Erklärung dafür. Wenn ein Balkonkraftwerk mit 2.000 Wp laufe, sei es egal, ob der Strom dann durch eine Schuko- oder Wieland-Steckdose fließe, meinen die Kritiker:innen.
- Kein Upcycling: Solarmodule halten lange und können daher gebraucht weiterverwendet werden. Unternehmen wie Panelretter bieten sie dann beispielsweise zum Kauf an und Vereine wie Balkon.Solar machen Upcycling Events. Dort bauen sie an öffentlichen Plätzen Balkonkraftwerke aus alten Komponenten, die die Teilnehmenden anschließend mitnehmen können. Da jetzt alle Steckverbindungen vom selben Hersteller stammen sollen, ist es in der Praxis schwer, normkonforme Anlagen aus Restbeständen zu bauen. Auch die Zusammenstellung eines eigenen Balkonkraftwerks wird dadurch zu einer größeren Herausforderung.
- Keine Aussage über Speicher: Stromspeicher sind inzwischen ein integraler Bestandteil eines Balkonkraftwerks. Die Systeme sind vernetzt und komplexer als eine speicherlose Anlage. Die Speicher besitzen teils eigene Wechselrichter, werden je nach Modell und Hersteller unterschiedlich verschaltet und regulieren die Einspeisung mit smarten Messgeräten. Sie lassen sich nicht losgelöst von Steckersolaranlagen betrachten, sondern sind ein Teil von ihnen. Dass nun endlich eine Produktnorm kommt und dann eine so wichtige Komponente ignoriert, sorgt für Kopfschütteln und Unsicherheit. Denn nun weiß niemand, ob man ein Balkonkraftwerk mit Speicher normkonform betreiben kann.
Fazit: Neue Balkonkraftwerk-Regeln schaffen Klarheit – aber wenig Fortschritt
Dass der VDE eine Produktnorm für Balkonkraftwerke veröffentlicht hat, war nach so langer Zeit längst überfällig. Denn sie ist wichtig, damit für die Nutzenden Rechtssicherheit entsteht. Sie können zukünftig gegenüber Vermieter:innen, Wohnungseigentümergemeinschaften und Gerichten nachweisen, dass sie eine sichere Anlage betreiben. Das könnte in Zukunft für Erleichterung sorgen und mehr Haushalten zu ihrem Recht verhelfen. Ihre Einführung ist daher ein wichtiger Schritt.
Dennoch gibt es berechtigte Kritik an der Ausgestaltung, da sie an vielen Stellen einen Rückschritt darstellt und nicht zeitgemäß ist. Der Speicher als wichtige Komponente kommt nicht vor und zwei gemeinsam betriebene moderne Solarmodule knacken schon jetzt die beschlossene Grenze von 960 Wp für Schuko-Stecker. Auch der Wieland-Stecker-Zwang verursacht mehr Kosten als Nutzen. Das alles birgt die Gefahr, dass PV-Guerilleros wieder anfangen, ihre Anlagen schwarz zu betreiben.



















