Urlaub in Sevilla klingt gut – aber nicht bei über 43 Grad. Die Stadt in Südspanien knackte solche Temperaturen in den letzten Jahren mehrmals. Das kann für Bewohner:innen gefährlich werden. Welche Maßnahmen man in Sevilla ergreift.
Mit ihren malerischen Straßen, die von traditionellen andalusischen Gebäuden gesäumt sind, und dem lebendigen Flair bietet Sevilla eine unvergleichliche Atmosphäre. Die Stadt ist bekannt für ihre Architektur (wie die Kathedrale von Sevilla, das Alcázar und die Plaza de España), für das quirlige Nachtleben und das überschwängliche Lebensgefühl.
Doch so schön Sevilla auch ist, für viele kommt die Stadt als Wohnort nicht in Frage: „Viel zu heiß dort“, heißt es oft. Und diese Haltung kommt nicht von ungefähr: In Sevilla steigen die Temperaturen im Sommer regelmäßig auf schwindelerregende Höhen. Die letzten Jahre haben der Stadt sogar einige der heißesten Tage ihrer Geschichte beschert, mit Spitzenwerten von 44,8 Grad im Jahr 2022 und 43,7 Grad im Jahr 2023. Der Rekord von 1995 (46,6 Grad) wurde in den vergangenen Jahren aber nicht geknackt.
Die Stadt, eingebettet im Tal des Guadalquivir, gilt als eine der heißesten Städte Europas – und der Klimawandel könnte die Temperaturen weiter in die Höhe treiben. Welche Maßnahmen ergreift die Stadt dagegen?
Warnsystem: Sevilla benennt Hitzewellen
Den Klimawandel leugnen? Das kann sich eine Stadt wie Sevilla nicht erlauben. Im Kampf gegen die zunehmende Hitze hat die Stadt 2022 das proMETEO-System eingeführt. Dieses benennt und klassifiziert Hitzewellen und soll sie auch voraussagen. So sollen Bewohner:innen bis zu fünf Tage vorher informiert werden, um sich auf die extremen Temperaturen einzustellen. Das System wurde in Zusammenarbeit mit einem Netzwerk verschiedener wissenschaftlicher Einrichtungen und dem Adrienne Arsht-Rockefeller Foundation Resilience Center entwickelt.
ProMETEO arbeitet mit einer Technologie, die lokale Wetterdaten analysiert und Hitzewellen basierend auf deren potenziellen Gesundheitsauswirkungen kategorisiert. Die Kategorien reichen von niedrigem bis zu sehr hohem Risiko. Jede Hitzewelle erhält einen Namen in umgekehrter alphabetischer Reihenfolge, was die Bevölkerung sensibilisieren soll und Kommunikation erleichtert.
Die Vorwarnungen sollen Gesundheitsrisiken durch Hitze minimieren, insbesondere für vulnerable Gruppen wie ältere Menschen, Kinder und Personen mit Vorerkrankungen. Der Bürgermeister von Sevilla, Antonio Muñoz, betonte im Juni die Bedeutung des Systems als Teil der städtischen Strategie, um die Stadt widerstandsfähiger im Angesicht des Klimawandels zu machen, wie der Independent berichtet. Und es gibt weitere Ansätze.
Eine selbstkühlende Bushaltestelle als Zufluchtsort
In Sevilla könnte bald eine smarte Erfindung für Abkühlung sorgen: eine Bushaltestelle, die die Umgebungstemperatur um 20 Grad senken kann. Dieses Projekt, das von José Sánchez vom Fachbereich für Energietechnik der Universität Sevilla entwickelt wurde, arbeitet vollständig autark. Gereinigtes Wasser wird in einem unterirdischen Tank gespeichert, das durch die Struktur zirkuliert und so eine kühlende Wirkung erzielt. Angetrieben wird das System durch Solarmodule, die auf dem Dach der Haltestelle installiert sind. Diese Module sammeln tagsüber Sonnenenergie, die dann genutzt wird, um das Wasser im Kreislauf zu halten und die Haltestelle zu kühlen.
Ein weiteres interessantes Feature sind die intelligenten Sensoren der Haltestelle, die sowohl die Temperatur als auch die Anwesenheit von Personen erkennen können. Das System ist so programmiert, dass es seine Aktivitäten einstellt, wenn die Temperaturen abfallen oder keine Personen anwesend sind, und nur dann aktiv wird, wenn es wirklich benötigt wird.
Derzeit steht das Projekt allerdings noch am Anfang: 2023 wurde angekündigt, dass bereits ein Jahr später erste Prototypen in der Stadt eingesetzt werden würden, wie Andalusien Aktuell berichtete. 2024 wartet man allerdings noch immer darauf. Das Projekt wurde von der Stadt Sevilla öffentlich ausgeschrieben – noch fehlt ein Partner in der Wirtschaft.
App zeigt schattige Plätze in Sevilla
Dass Bäume Temperaturen in Städten beeinflussen können, haben diverse Studien belegt. Städte weltweit setzen deshalb auf Baumbepflanzungsinitiativen, um den städtischen Temperaturen entgegenzuwirken, die Lebensqualität zu verbessern und den Klimawandel zu bekämpfen. Eine Initiative der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) hat etwa 18,5 Millionen Bäume in Städten weltweit gepflanzt, um extreme Hitzeereignisse zu reduzieren. Und was tut sich in Sevilla?
Hier bewegt man sich aktuell noch mehr im theoretischen als im praktischen Bereich. Ein Forschungsprojekt der Universität Sevilla untersucht, wie die Kombination aus Sonnensegeln und Bäumen zur notwendigen Abkühlung in der Stadt beitragen könnte. Dabei sind die Sonnensegel als Übergangslösung gedacht: Sie sind so konzipiert, dass sie sich den wachsenden Bäumen anpassen und so lange Schatten spenden, bis die Pflanzen dies übernehmen können.
Eine schöne Vision – und dringend notwendig. Noch sucht man in Sevilla ausreichend schattige Plätzchen. Die Bewohner:innen der Stadt äußern hierzu regelmäßig ihren Unmut in den Sozialen Medien.
Zumindest hat man aber bereits Hilfe bei der Suche nach kühlen Flecken. Die App Shademap zeigt die Stellen in der Stadt auf, die während der Mittagshitze am besten zu ertragen sind. Das interaktive Tool funktioniert ähnlich wie Google Maps und stellt die Schattenwürfe von Gebäuden und Vegetation in Echtzeit oder zu einer bestimmten Tageszeit dar. Insbesondere zwischen 16 und 17 Uhr, wenn die Temperaturen ihren Höhepunkt erreichen, zeigt diese Karte, welche Bereiche Sevillas am meisten von natürlichen und künstlichen Schatten profitieren.
Nationale Strategien gegen Hitze
Sevilla verfolgt verschiedene Ansätze, um die Bewohner:innen der spanischen Stadt vor erhöhten Temperaturen zu schützen. Doch dürften diese kaum ausreichen, um Todesfälle durch Hitze zu vermeiden.
Diese sind keine Seltenheit: 2022 starben in Spanien einem Bericht des Nationalen Statistikinstituts (INE) zufolge über 350 Menschen aufgrund von extremer Hitze, die Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor. Die Anzahl an Todesfällen durch extreme Temperatur habe laut Bericht im Vergleich zu Vorjahren zugenommen. Viele weitere Todesfälle seien auf Bluthochdruck, Diabetes und andere chronische Krankheiten zurückzuführen, die das Sterberisiko bei extremer Hitze dem INE zufolge erhöhen. Studien (unter anderem diese neue Publikation im Fachmagazin Lancet Public Health) gehen davon aus, dass die Zahl der Hitzetoten in Europa im Laufe des Jahrhunderts stark steigen wird – vor allem in südeuropäischen Ländern wie Spanien.
Nicht nur Städte versuchen, diesem Problem zu begegnen. Die spanische Regierung setzt seit 2008 Hitzeaktionspläne um, die unter anderem allgemeine Schutzempfehlungen für die Bevölkerung beinhalten. 2024 wurde auch erstmals eine Karte herausgegeben, die genauere Hitzewarnungen ermöglichen soll, wie Euronews berichtet. Diese funktioniert ähnlich wie das System in Sevilla, spricht aber Warnungen für Regionen in ganz Spanien aus.
Spanien hat damit sehr früh auf die Bedrohungen durch Hitze reagiert – in Deutschland hat Karl Lauterbach 2023 den ersten konkreten Hitzeschutzplan des Bundesgesundheitsministeriums vorgestellt. Außerdem gibt es diverse Pläne und Maßnahmen auf Länder- und kommunaler Ebene.
Sevilla: Bewohner:innen leiden unter dem Klimawandel
Sevilla ist einer der heißesten Orte Spaniens und erlebt heute schon ungewöhnlich starke Hitzewellen. Bewohner:innen helfen sich mit Fächern aus. Zwischen 13 und 14 Uhr schließen außerdem alle Geschäfte, um dann ab 17 Uhr wieder zu öffnen und oft bis in den späten Abend geöffnet zu bleiben. Während der sengenden Nachmittage werden Jalousien heruntergelassen und die Einwohner:innen ziehen sich in ihre kühlen Häuser oder die schattigen Innenhöfe zurück. Trotzdem ist die Hitze in der Stadt ein Problem – und kann gefährlich für die Gesundheit der Bewohner:innen werden.
Utopia meint:
Die spanische Regierung und die Stadt arbeiten an Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Es bleibt abzuwarten, wie wirksam diese sein werden, wenn Belastungen in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Um diesen Effekt zu begrenzen, ist es wichtig, Treibhausgasemissionen möglichst global effektiv zu reduzieren. Spanien produziert dabei laut Umweltbundesamt bereits weniger Treibhausgas-Emissionen pro Kopf als Deutschland (6,2 vs. 8,9 Tonnen CO2-Äquivalente).
Bitte lies unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen.
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