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Die Mär vom Ursprung des Geldes als Tauschmittel

Ursprung geld scheine
Foto: C0 Public Domain / Pixabay - MabelAmber

Lange Zeit hieß es, das Geld entspringe der Tauschwirtschaft. Doch das stimmt nicht. Geld entstand in einem anderen Zusammenhang. Ein Ausflug zum Ursprung der Währung.

Geld ist allgegenwärtig, aber man spricht nicht darüber. Geld wandert physisch von Hand zu Hand oder virtuell von Konto zu Konto. Es wird gehortet, verprasst, geliehen, eingetrieben. Geld ist ungerecht verteilt. Geld soll nicht stinken, kann schwarz sein aber nicht weiß. Geld wird geschöpft und vernichtet. Geld hat einen Wert, aber keinen objektiven.

Über Geld ist in Jahrtausenden viel gesagt und geschrieben worden. Lange Zeit schien klar, wie es entstanden ist: Und zwar als neutrales Tauschmittel mit Entstehung der arbeitsteiligen Gesellschaften. Doch stimmt das wirklich? Vieles spricht heute dafür, dass die Wurzeln des Geldes nicht in der Tauschwirtschaft liegen.

So erklärte man sich den Ursprung des Geldes bisher

Wenn die Ursprünge des Geldes nicht im Tauschhandel liegen, wo liegen sie dann? Zunächst ein Rückgriff: Im 18. Jahrhundert erklärte der Philosoph Adam Smith, der Vater der Wirtschaftswissenschaften, in seinem Buch „Der Wohlstand der Nationen“ die Entstehung des Geldes aus der Tauschwirtschaft.

Der Mensch habe eine angeborene „Neigung zu handeln und Dinge gegeneinander auszutauschen“, schrieb Smith in seinem Klassiker. In arbeitsteiligen Gesellschaften, in denen sich die Menschen nicht mehr selbst versorgen können, müssten Dinge getauscht werden, begründete Smith. Da der Tausch Schaf gegen Kleidung, Stoff gegen Mehl etc. auf Dauer zu mühsam war, erfanden die Menschen ein Zwischentauschmittel: Geld.

Der Kredit war vor der Münze

Smith ging davon aus, dass zunächst Metalle vielen Völkern als Tauschmittel dienten – aber nicht nur: Auch Salz, Muscheln oder Weizen seien für den Tauschhandel genutzt worden. Smiths Theorie über die Entstehung des Geldes war lange Usus, doch inzwischen gibt es erhebliche Zweifel daran. Man könnte auch sagen, dass sie widerlegt ist.

„Nach allen verfügbaren ethnografischen Daten hat es das nicht gegeben“, sagte etwa die Anthropologin Caroline Humphrey „Zeit Wissen“ (Ausgabe 2016/4) über die Tausch-Theorie. Anthropologen, Kulturwissenschaftler und Historiker sind sich ziemlich sicher, dass die Wurzeln des Geldes woanders liegen: in Schuldverhältnissen, Opferritualen und Kriegsführung. Der Reihe nach:

Geld als Schuldverhältnis

Der Kapitalismus und das Verständnis, das wir seit Beginn der Neuzeit von einem Markt haben, haben mit den Gesellschaften davor wenig gemein. Den einfachen Tauschmarkt als Ursprung des heutigen Marktes gab es nicht. Die Nomaden in der Frühzeit etwa tauschten keine Waren untereinander aus, wie wir uns das heute vorstellen. Wenn Dinge die Besitzerin oder den Besitzer wechselten, geschah dies in Form von Gaben und Ritualen.

Auch als die Menschen später sesshaft wurden, produzierten die Bauern nicht für einen Markt. Sie waren ihrem Herrscher oder Gott verpflichtet und leisteten Abgaben zum Beispiel an ihren König oder den Tempel. Letztere wiederum verliehen auch Waren an Bauern oder Kaufleute, die diese mit Zins zurückzahlen mussten.

Aus Mesopotamien, Indien und Ägypten sind bereits vor über 3000 Jahren Schuldverhältnisse (z. B. auf Tontafeln) dieser Art überliefert. Münzen als Symbol einer eingelösten Schuld entstanden etwa 600 v. Chr. im Mittelmeerraum. Vor der Münze als Tauschmittel war also der Kredit.

Geld als Opfer

Im Altertum brachten Menschen den Göttern Opfer. Tieropfer wurden in einem rituellen Mahl an einem Spieß, einem Obolos, gereicht. In Griechenland entwickelten aus den Tieropfern abstrakte Abgaben – zunächst Miniaturen der Bratenspieße, später Münzen.

Geldmünzen dienten also dazu, Opfer zu begleichen. Das altgermanische Wort „gelt“ bedeutet übrigens auch Opfer.

Ursprung des Geldes Griechischer Gott Opfer
Im antiken Griechenland wurden Münzen den Göttern geopfert. (Foto: C0 Public Domain / Pixabay - Atlantios)

Geld in der Kriegsführung

Etwa zur selben Zeit, als in Griechenland aus Opferritualen Münzgeld entstand, führten auch die Herrscher in Lydien Münzgeld ein. Dort stand es für die Schuld der Könige gegenüber ihren Soldaten. Letztere konnten die Münzen bei den Bauern gegen Lebensmittel eintauschen. Die Bauern wiederum zahlten ihre Abgaben an die Herrscher mit den Münzen der Soldaten. Dieser militärische Münzkreislauf verbreitete sich rasant in der alten Welt.

Geld wurde im Mittelalter abgeschafft

Das Münzgeld überlebte das Mittelalter übrigens nicht, sondern verschwand aus dem Alltag der Menschen wieder. Bestehen blieben dagegen Schulden, die schriftlich festgehalten wurden, Geld war nur der Maßstab für die Höhe der Verbindlichkeiten.

Erst mit der Erfindung von Feuerwaffen im 14. Jahrhundert änderte sich dies wieder. Um ihre Heere aufzurüsten und mit den neuen Waffen auszustatten, führten kriegerische Fürsten das Münzwesen wieder ein. Kurze Zeit darauf werden Schuldscheine der Kaufleute zu einer frühen Form des Papiergeldes (das zuvor schon in China existierte). In den Stadtrepubliken Norditaliens entstanden die ersten modernen Banken und gaben den kriegerischen Herrschen Kredit. Diese wiederum führten Steuersysteme ein. Erst zu dieser Zeit entstand das Geld als universelles Tauschmittel im Sinne Adam Smiths.

Noch heute erinnert der US-Dollar an den Ursprung des Geldes als Schuld: „This note is legal tender for all debts, public and private“ – was nichts anders bedeutet als das die amerikanische Papierwährung ein Schuldschein ist. Wie auch alle anderen Währungen.

Text: Michael Rebmann

Der Beitrag erschien ursprünglich im Triodos-Bank-Blog diefarbedesgeldes.de

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